Sogenannte Whistleblower genießen gegenwärtig eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Dies ist auf ein wachsendes gesellschaftliches Bewusstsein für Missstände in Politik und Wirtschaftsunternehmen zurückzuführen. Getrieben durch prominente Fälle wie den von Edward Snowden oder Julian Assange ist offensichtlich geworden, dass es eines weitergehenden Schutzes für die im Interesse der Allgemeinheit handelnden Hinweisgeber bedarf.

Europäische Whistleblower-Richtlinie mittlerweile umgesetzt

Im Juli 2023 ist daher – mit rund anderthalb Jahren Verspätung – das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten, mit dem die europäischen Vorgaben der schon 2019 beschlossenen sog. Whistleblower-Richtlinie (EU 2019/1937) umgesetzt werden. Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, wirkungsvolle Schutzmechanismen für Hinweisgeber zu schaffen. Hierfür werden vor allem Arbeitgeber in die Pflicht genommen.

Weitreichende Pflichten schon für kleinere Unternehmen

Das HinSchG sieht vor, dass Unternehmen und andere Institutionen (dies umfasst etwa auch eingetragene Vereine, Stiftungen oder die Kirchen) eine Meldestelle einrichten müssen, bei der Hinweise anonym eingereicht werden können und die verpflichtet ist, dem Whistleblower den Eingang seines Hinweises zu bestätigen und ihm innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung über daraufhin veranlasste Maßnahmen zu geben. Diese Aufgabe können etwa Mitarbeiter oder Leiter der Compliance-, Personal- oder Rechtsabteilung sowie externe Ombudspersonen übernehmen.

Für Arbeitgeber mit mindestens 250 Angestellten und bestimmte Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche gilt die Pflicht zur Einrichtung von Meldekanälen schon seit dem 2. Juli 2023. Alle anderen Institutionen mit mindestens 50 Mitarbeitern müssen bis zum 17. Dezember 2023 nachziehen.

Auch kleinere Unternehmen sind oftmals gut beraten, freiwillig eine eigene Meldestelle einzurichten. Denn ein Whistleblower kann sich nach seiner Wahl auch an eine staatliche Stelle wenden, die u.a. beim Bundesamt für Justiz in Bonn eingerichtet ist. Auf das weitere Verfahren kann dann kaum noch Einfluss genommen werden. Bieten Arbeitgeber eine niedrigschwellig zu erreichende eigene Meldestelle an, können Verstöße im Unternehmen selbst aufgeklärt und abgestellt werden.

Meldungen aus fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen erfasst

Geschützt sind nach dem HinSchG Meldungen über Verstöße gegen straf- und bestimmte bußgeldbewehrte Regelungen des deutschen Rechts, z. B. im Arbeits- und Gesundheitsschutz, sowie Verstöße gegen diverse nationale und europarechtliche Vorgaben, etwa zur Bekämpfung der Geldwäsche oder zum Umweltschutz. Ein Whistleblower darf zur Meldung solcher Verfehlungen vertragliche und gesetzliche Verschwiegenheitspflichten brechen. Er muss sich aber grundsätzlich an die eingerichteten – unternehmensspezifischen oder staatlichen – Meldestellen wenden. Nicht geschützt wird ein direktes „Durchstecken“ an die Öffentlichkeit sowie die vorsätzliche oder grob fahrlässige Weitergabe falscher Informationen.

Schikaneverbot

Arbeitgebern ist es zudem ausdrücklich verboten, Whistleblower direkt oder indirekt für ihre Meldung zu sanktionieren oder zu benachteiligen. Um einen effektiven Schutz der Hinweisgeber sicherzustellen, enthält das HinSchG eine Beweislastumkehr: Arbeitgeber müssen nachweisen, dass nachteilige Maßnahmen gegenüber einem Whistleblower nicht durch dessen Hinweis veranlasst sind. Anderenfalls sind sie schadensersatzpflichtig und können mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro belegt werden. Entsprechende Sanktionen drohen, wenn bereits die Erstattung einer Meldung behindert wird.

Hinweisgeberschutzgesetz wird zügig scharf gestellt

Dabei sind die Umsetzungsfristen des HinSchG äußerst knapp bemessen. Spätestens zum 17. Dezember 2023 müssen alle von dem Gesetz erfassten Unternehmen und Institutionen Meldekanäle eingerichtet haben. Die Versäumnisse des Gesetzgebers bei der Richtlinienumsetzung gehen nun zu Lasten der Rechtsanwender. Den betroffenen Unternehmen und Institutionen raten wir daher dringend, sich zeitnah mit den Anforderungen des HinSchG zu beschäftigen.

Auch nicht-betroffene Unternehmen sollten sich informieren

Zudem profitieren Unternehmen auch ohne gesetzliche Verpflichtung von einem effektiven Hinweisgeberschutz: Etwaiges Fehlverhalten innerhalb der eigenen Organisation kann so rechtzeitig aufgedeckt und dadurch Strafen und/oder Bußgelder vermieden werden. Selbst wenn dies nicht gelingen sollte, wird allein die Existenz eines Systems zum Schutz von Whistleblowern sich zumindest günstig auf das jeweilige Strafmaß auswirken. Zudem kann der oftmals verheerenden Öffentlichkeitswirkung entgegengetreten werden. Mitunter lässt sich eine öffentliche Diskussion der aufgedeckten Missstände sogar ganz vermeiden, wenn diese intern umgehend behoben werden. Nicht zuletzt ist eine offene, rechtstreue Unternehmenskultur auch für Kunden, Geschäftspartner und Arbeitnehmer attraktiv.

Bei der Planung und Implementierung eines umfassenden Hinweisgeberschutz-Systems inklusive der Einrichtung der erforderlichen Meldekanäle unterstützt Sie unser Team aus erfahrenen Rechts- und Fachanwälten für Handels- und Gesellschaftsrecht. Gemeinsam mit Ihnen analysieren wir Ihr Unternehmen auf mögliche Risikobereiche und entwickeln pragmatische Lösungen zur Verhütung und Nachverfolgung von Rechtsverstößen. Verfügen Sie bereits über ein Compliance-Management-System, integrieren wir die erforderlichen Maßnahmen nahtlos in Ihre bisherigen Strukturen. Anderenfalls entwerfen wir in enger Absprache mit Ihnen neue Mechanismen, die Ihre Abläufe weitestgehend unberührt lassen. Auf diese Weise schaffen wir langfristige Rechtssicherheit ohne unnötigen bürokratischen Aufwand.

MANDANTEN

Wir beraten und vertreten Mandanten aller Branchen und Rechtsformen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Non-Profit-Organisationen und nicht zuletzt: Sie persönlich als Gesellschafter und Unternehmer. Wir arbeiten eng verzahnt mit unseren anderen spezialisierten Dezernaten und kooperieren regelmäßig mit den klassischen steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufen. Dieser interdisziplinäre Ansatz gewährleistet ganzheitliche, umfassende Lösungen aus einem Guss.

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