– der besondere Eilrechtsschutz für Aktiengesellschaften

Das Aktienrecht enthält mit dem Freigabeverfahren ein Eilverfahren, das es der Gesellschaft ermöglicht, eine Registersperre zeitnah zu beseitigen.
Mit dem Freigabeverfahren kann eine Gesellschaft eine Registersperre zeitnah beseitigen. Aber wann hat ein Freigabeverfahren Erfolg? (credits: adobestock)

Die Hauptversammlungen größerer Aktiengesellschaften können mit einer Reihe von Streitigkeiten zwischen den Aktionären auf der einen und der Gesellschaft bzw. ihrem Vorstand auf der anderen Seite einhergehen. Für die Aktiengesellschaft ist es im Wirtschaftsverkehr dabei oftmals wichtig, bestimmte eintragungsbedürftige Beschlüsse schnellstmöglich durch eine Eintragung im Handelsregister zur Wirksamkeit zu bringen. Kommt es durch eine Beschlussmängelklage eines Aktionärs zur Registersperre, bedeutet dies für die Gesellschaft regelmäßig kostspielige Verzögerungen. Aus diesem Grund kennt das Aktienrecht mit dem Freigabeverfahren ein spezielles Eilverfahren, das es der Gesellschaft ermöglicht, diese Registersperre zeitnah zu beseitigen.

Was versteht man unter dem Freigabeverfahren und welchem Zweck dient es?

Bei dem Freigabeverfahren handelt es sich um ein Eilverfahren, das auf Antrag der Aktiengesellschaft vor dem Oberlandesgericht im Bezirk des Sitzes der Gesellschaft geführt wird. Antragsgegner sind alle als Kläger in der Hauptsache (Beschlussmängelklage) agierenden Aktionäre. In der Sache dient das Verfahren der Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister trotz anhängiger Beschlussmängelklage (Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage).

Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft bildet die zentrale Plattform für die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft, um ihre Rechte auszuüben. Folgerichtig bedürfen weitreichende Maßnahmen, welche die Geschicke der Gesellschaft auf Dauer beeinflussen, entsprechender Beschlüsse in der Hauptversammlung. Hierunter fallen Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, der Kapitalherabsetzung oder Unternehmensverträge. Aus der Bedeutung dieser Beschlüsse folgt ein erhöhtes Publizitätserfordernis. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist daher die Eintragung in das Handelsregister (sog. eintragungsbedürftige Beschlüsse). Wird der betreffende Beschluss allerdings durch einen Aktionär vor Gericht angefochten, setzt das Registergericht das Eintragungsverfahren bis zum Abschluss des Prozesses aus (Registersperre).

Die fehlende Handelsregistereintragung führt dazu, dass der betroffene Beschluss zunächst nicht wirksam wird. Für die Gesellschaft kann die hieraus resultierende Verzögerung erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. So können dringend notwendige Kapitalmaßnahmen oder Unternehmensfusionen für die Dauer der Anhängigkeit der Anfechtungsklage nicht vollzogen werden. Um den hieraus erwachsenden Missbrauchspotenzial für sog. „räuberische Aktionäre“ zu begegnen, führte der Gesetzgeber das Freigabeverfahren in § 246a AktG ein. Dieses bezweckt die Durchsetzung der Eintragung der genannten Hauptversammlungsbeschlüsse in das Handelsregister sowie den Bestandsschutz der erfolgten Eintragung. Damit dient das Verfahren der Beschränkung missbräuchlicher Beschlussmängelklagen gegen strukturverändernde Hauptversammlungsbeschlüsse, denen regelmäßig große Bedeutung für das Unternehmen zukommt.

Wann hat ein Freigabeverfahren Erfolg?

Das Freigabeverfahren kann nur für die folgenden, in § 246a AktG abschließend aufgezählten, Hauptversammlungsbeschlüsse angestrengt werden:

  • Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung;
  • Unternehmensverträge (Beherrschungsverträge, Gewinnabführungsverträge oder Fusionen);
  • Ausschluss von Minderheitsaktionären („Squeeze Out“);

Der weitere Erfolg des Freigabeverfahrens für die Aktiengesellschaft hängt gem. § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG zunächst davon ab, ob die Anfechtungsklage in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Während sich die Frage der Unzulässigkeit in den meisten Fällen vergleichsweise schnell anhand des Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung feststellen lässt, wirft der Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit Konkretisierungsbedarf auf. Die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur ist eine Anfechtungsklage offensichtlich unbegründet, wenn nach eingehender rechtlicher Würdigung die Rechtslage so eindeutig ist, dass sich die Klage als zweifelsfrei unbegründet darstellt und eine andere rechtliche Beurteilung nicht vertretbar erscheint. Im Freigabeverfahren hat die antragstellende Gesellschaft die Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich die offensichtliche Unbegründetheit der Anfechtungsklage ergibt.

Die Aktiengesellschaft hat nach § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG darüber hinaus Erfolg, wenn der Aktionär nicht eine Beteiligung im Mindestnennbetrag von EUR 1.000 (Mindestbeteiligung) bei Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung hielt und bis zur Erbringung des Nachweises nach Zustellung des Freigabeantrags hält.

Ferner kann das Freigabeverfahren auch im Falle einer nicht offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Anfechtungsklage für die Gesellschaft erfolgreich verlaufen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Gericht entsprechend der Abwägungsklausel in § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG das Interesse der Gesellschaft und der nicht klagenden Aktionäre am alsbaldigen Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses (sog. Vollzugsinteresse) höher bewertet als das Aussetzungsinteresse des Anfechtungsklägers. Es darf allerdings keine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vorliegen.  Ein solcher kann sich aus der Bedeutung der verletzten Norm oder dem Ausmaß der Rechtsverletzung ergeben, wobei allein das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes hierfür nicht ausreicht.

Entscheidend ist, dass der Verstoß so schwer wiegt, dass eine Eintragung und damit eine Bestandskraft des angefochtenen Beschlusses unerträglich wäre. Liegt kein derart schwerwiegender Rechtsverstoß vor, kommt es zu einer Interessenabwägung durch das Gericht. Dabei sind primär die wirtschaftlichen Interessen der Parteien, nicht hingegen die Bedeutung und das Gewicht des Rechtsverstoßes oder die Erfolgsaussichten der Beschlussmängelklage in die Abwägung einzubeziehen. Jede Partei hat die ihr drohenden Nachteile selbst vorzutragen. In der Praxis überwiegen die (oftmals erheblichen) drohenden wirtschaftlichen Nachteile für die Gesellschaft regelmäßig die entgegenstehenden Belange der Antragsgegner. Dahingehend kann von der Freigabe als Standardfall gesprochen werden. Ein Überwiegen der wirtschaftlichen Nachteile auf Seiten der Antragssteller bildet hingegen die Ausnahme.

Welche Folgen hat ein erfolgreiches Freigabeverfahren?

Liegen die Voraussetzungen einer der Tatbestände aus § 246a Abs. 2 Nr. 1-3 AktG vor, ergeht ein Freigabebeschluss des Gerichts. Dieser bindet zunächst unmittelbar das Registergericht dahingehend, dass es die Entscheidung nicht mehr aus Gründen ablehnen darf, die Prüfungsgegenstand des Freigabeverfahrens waren. Damit wird es im Regelfall zu einer Eintragung des Beschlusses kommen. Darüber hinaus wirkt die Feststellung der Bestandskraft der Eintragung nach § 246a Abs. 3 Satz 5 AktG für und gegen jedermann (Inter-Omnes-Wirkung). Das hat zur Folge, dass der Beschluss im Falle eines späteren Erfolgs des Anfechtungsklägers im Hauptsacheverfahren zwar nach § 241 Nr. 5 AktG nichtig ist, seine Wirkung gegenüber den Aktionären hiervon allerdings unberührt fortbesteht. Diese können lediglich erwägen, Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft geltend zu machen.

Fazit

Das Freigabeverfahren bietet ein nützliches Instrument für Aktiengesellschaften, um die Registersperre und die mit ihr einhergehenden erheblichen wirtschaftlichen Nachteile zeitnah abzuwenden. Auch wenn sich in der Rechtsprechung ein leichter Trend zugunsten der Gesellschaften ausmachen lässt, sind die Aktionäre als Antragsgegner keineswegs chancenlos. Entscheidend ist oftmals, inwieweit es der Gesellschaft gelingt die ihr drohenden wirtschaftlichen Nachteile darzulegen und glaubhaft zu machen. Gelingt ihr dies, ist das Freigabeverfahren regelmäßig erfolgreich.


Bei Fragen rund um das aktienrechtliche Freigabeverfahren oder zu sonstigen Themen des Aktienrechtes können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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