23.03.2023

Worin liegt der Vorteil eines „Vorschaltmodells“?

Vorsteuerabzug und private Verwendung im Rahmen eines „Ehegatten-Vorschaltmodells“
Die Finanzierung von größeren Anschaffungen über einen „vorgeschalteten“ Ehepartner kann sich lohnen (credit:adobestock)

Ein „Vorschaltmodell“ ist bei Unternehmern anzutreffen, die umsatzsteuerfreie Umsätze ausführen und somit selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Zu denken ist an Ärzte und sonstige Heilberufe bei der Anschaffung hochpreisiger Güter (bspw. MRT, medizintechnische Geräte, Pkw, …).

Vor diesem Hintergrund wird zumeist der Ehepartner in der Weise umsatzsteuerlich „vorgeschaltet“, dass dieser einen Gegenstand erwirbt und anschließend umsatzsteuerpflichtig an den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer (Arzt, …) vermietet. Dadurch soll dem Ehepartner der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Gegenstands, der dem nutzenden Unternehmer verwehrt ist, ermöglicht werden.

Der Sinn und Zweck eines „Vorschaltmodells“ liegt darin, durch den Vorsteuerabzug einen Liquiditätsvorteil zu erlangen. Bei größeren Anschaffungen (bspw. MRT) kann dieser zum Teil erheblich ausfallen. Dem hohen Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung steht dann die zeitlich auf die Mietlaufzeit verteilte Umsatzsteuerschuld aus den Mietumsätzen gegenüber. Zudem kann es im Rahmen eines „Vorschaltmodells“ insgesamt auch zu der Entstehung eines Vorsteuerüberhangs kommen.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Ehepartner den Vorsteuerabzug auch tatsächlich erfolgreich geltend machen kann. Aber unter welchen Umständen ist dies der Fall? Mit dieser Frage hat sich nun der BFH in seinem Urteil vom 29. September 2022, V R 29/20 – veröffentlicht am 12. Januar 2023 – auseinandergesetzt.

Der Fall – „Ehegatten-Vorschaltmodell“ mit Privatnutzung:

Der durch den BFH entschiedene Fall betrifft den Vorsteuerabzug einer Ehefrau aus dem Erwerb eines PKW. Diesen hatte sie ihrem als Arzt freiberuflich tätigen Ehemann entgeltlich zur beruflichen Nutzung überlassen. Den PKW erwarb die Ehefrau in 2016 zu einem Preis von 65.467,85 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 12.438,90 EUR. Den ihr in Rechnung gestellten Kaufpreis bezahlte diese nebst Umsatzsteuer aus ihrem eigenen Vermögen. Anschließend schlossen die Ehepartner bzgl. des PKW einen marktüblichen Leasingvertrag über 36 Monate. Die Leasingraten von monatlich 815,19 EUR zzgl. 154,89 EUR Umsatzsteuer zahlte der Ehemann vereinbarungsgemäß. Die Zulassung und Versicherung des PKW erfolgte auf den Ehemann. Die Ehefrau wurde im Versicherungsschein als weitere Nutzerin eingetragen und verwendete den PKW im geringen Umfang auch für Privatfahrten. Die Kosten für Wartungsarbeiten am PKW trug entgegen der Vereinbarung im Leasingvertrag die Ehefrau. 

Den von der Ehefrau aus dem Erwerb des PKW geltend gemachten Vorsteuerabzug erkannte das Finanzamt nicht an. Das Finanzamt vertrat dabei die Auffassung, dass

  • die Ehefrau bei der Überlassung des PKW nicht unternehmerisch tätig geworden sei,
  • es aufgrund der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft an einem Leistungsaustausch fehle,
  • es sich bei dem Leasingvertrag um ein Scheingeschäft i. S. d. § 41 Abs. 2 AO handele und
  • dieser zudem eine missbräuchliche Gestaltung i. S. d. § 42 AO darstelle.

Gegen die Entscheidung des Finanzamts erhob die Ehefrau schließlich Klage vor dem FG Baden-Württemberg. Dieses gab der Klage umfassend statt und billigte somit das „Vorschaltmodell“ der Ehegatten

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs:

Mit seinem Urteil vom 29. September 2022 hob der BFH zwar das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im Grundsatz wurde das Urteil durch den BFH jedoch bestätigt.

Recht der Ehefrau zum Vorsteuerabzug besteht

  • Die Ehefrau übte mit der Überlassung des PKW gegen ein marktübliches Entgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Aufgrund der langfristigen Nutzungsüberlassung des PKW auf der Grundlage eines Leasingvertrags erbrachte sie nachhaltig und planmäßig umsatzsteuerliche Leistungen. Sie war damit als Unternehmerin tätig.
  • Unschädlich ist, dass die Ehefrau die Leasingleistungen nur gegenüber ihrem Ehemann als einzigen Kunden erbrachte. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass sie nicht über ein eigenes Geschäftslokal verfügte.  
  • Der Leasingvertrag stellte auch kein Scheingeschäft i. S. d. § 41 Abs. 2 AO dar. Denn dieser ist hinsichtlich seiner Hauptpflichten so wie vereinbart tatsächlich durchgeführt worden. Unbeachtlich ist dabei, dass die Ehefrau entgegen der vertraglichen Vereinbarung wiederholt Wartungskosten für den PKW übernommen hatte. Hierbei handelte es sich lediglich um eine Nebenklausel.
  • Bei der Überlassung des PKW handelte es sich ebenfalls nicht um einen bloßen Beitrag zur ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Es wurde gerade kein „Familien-PKW“ erworben. Dieser diente vielmehr der unternehmerisch veranlassten Weitervermietung an den freiberuflich tätigen Ehemann auf der Grundlage einer steuerlich anzuerkennenden vertraglichen Vereinbarung.
  • Schließlich ist der vollständige Vorsteuerabzug der Ehefrau aus dem Erwerb des PKW nicht systemwidrig. Ein Vorsteuerüberhang in der Anfangsphase liegt gerade in der Natur der Sache. Denn zu Beginn einer unternehmerischen Tätigkeit sind regelmäßig zunächst erhebliche Investitionen erforderlich.
  • Etwas anderes folgte auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur „Ehegatten-Vorschaltung“ bei der Vermietung von Gegenständen. Der BFH hat für die Frage eines Rechtsmissbrauchs stets für entscheidend gehalten, ob der vermietende Ehegatte die Mittel für den Erwerb und den Unterhalt des Mietobjekts aus eigenem Einkommen oder Vermögen leisten kann. Insofern lag ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO hier nicht vor. Denn die Ehefrau hatte den PKW aus eigenen Mitteln angeschafft. Sie konnte daher ihre unternehmerische Tätigkeit unabhängig von ihrem Ehemann aus eigener finanzieller Kraft wahrnehmen.

Aber: Privatnutzung der Ehefrau zu versteuern

Allerdings war zu beachten, dass die Ehefrau den PKW auch für Privatfahrten benutzt hatte. Zwar steht die untergeordnete private Eigennutzung dem Vorsteuerabzug der Ehefrau hier nicht entgegen. Denn die Ehefrau hatte das ihr bei einer Mischnutzung zustehende Wahlrecht der vollständigen Zuordnung des PKW zum Unternehmen wirksam ausgeübt. Die Privatnutzung ist jedoch nach der Systematik des Umsatzsteuerrechts dann als sog. unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Der genaue Umfang der Privatnutzung ist aber erstinstanzlich nicht festgestellt worden. Insoweit bedurfte es der Zurückverweisung an das FG Baden-Württemberg.

Fazit „Ehegatten-Vorschaltmodell“:

Die Finanzierung von größeren Anschaffungen über einen „vorgeschalteten“ Ehepartner kann sich insbesondere für Berufsträger lohnen, die selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Dies betrifft in erster Linie Ärzte und sonstige Heilberufe. Der BFH hat nunmehr die wesentlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem „Ehegatten-Vorschaltmodell“ geklärt und die dabei einzuhaltenden Leitplanken vorgezeichnet:

  • Der Erwerb von Gegenständen zur langfristigen entgeltlichen Vermietung an einen selbstständig tätigen Ehegatten kann eine unternehmerische Tätigkeit begründen.
  • Der Vorsteuerabzug des vermietenden Ehegatten ist in diesem Fall nicht systemwidrig und daher auch nicht missbräuchlich. Dies gilt auch dann, wenn der nutzende Ehegatte selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und die „Vorschaltung“ des vermietenden Ehegatten somit den Vorsteuerabzug erst ermöglicht.
  • Grundvoraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist, dass die Vermietung auf einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung zwischen den Ehegatten beruht und diese Vereinbarung in ihren Hauptpflichten auch tatsächlich durchgeführt wird.
  • Zudem ist erforderlich, dass der vermietende Ehegatte den Gegenstand aus eigenen Mitteln finanzieren und unterhalten kann; also finanziell von dem nutzenden Ehegatten unabhängig ist.
  • Eine private Mitbenutzung des Gegenstands durch den vermietenden Ehegatten ist allerdings als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern, wenn der Gegenstand insgesamt wirksam dem Unternehmen zugeordnet worden ist.

Autor: Christian Hartmann

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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