12.01.2023

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 (Az. 3 UF 36/21) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Entscheidung getroffen, in der es unter anderem um die Frage ging, ob einem Anspruch auf Trennungsunterhalt der Einwand der Verwirkung entgegensteht. Die Eheleute stritten darum, ob die Ehefrau mit einem neuen Partner in einer sog. verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Dieser Einwand wird immer wieder in Auseinandersetzungen über den Ehegattenunterhalt erhoben, sodass die Entscheidung ein stets aktuelles Thema betrifft.

Bei einer neuen Partnerschaft nach einer Trennung wird oft die Fortzahlung des Trennungsunterhalts in Frage gestellt (credit: adobestock)

Der Fall in Kürze:

Die Antragstellerin beantragte die Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt. Nach rund 10-jähriger Ehe war die Ehefrau im Februar 2019 mit den beiden gemeinsamen Kindern aus der Ehewohnung ausgezogen. Seitdem lebten die Eheleute in Trennung. Für die Zeit ab Dezember 2019 verlangte die Antragstellerin Trennungsunterhalt. Der Antragsgegner wandte sich zum einen gegen die konkrete Berechnung des geforderten Trennungsunterhalts. Zum anderen hielt er entgegen, dass ein Anspruch auf Trennungsunterhalt jedenfalls verwirkt sei, da die Antragstellerin mit einem neuen Partner zusammenlebe und mit diesem auch nach außen als Paar auftrete. Auf diesen Verwirkungseinwand soll sich dieser Beitrag konzentrieren. Das Amtsgericht teilte die Ansicht des Antragsgegners nicht, sondern verpflichtete ihn zur Zahlung von Trennungsunterhalt. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner im Wege der Beschwerde.

Die Entscheidung:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgte der Ansicht des Antragsgegners, dass Trennungsunterhaltsansprüche der Ehefrau gemäß §§ 1361 Abs. 31579 Nr. 2 BGB verwirkt seien, nicht. Hierzu verweist das Oberlandesgericht zunächst auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, wann eine verfestigte Lebensgemeinschaft i. S. d. § 1579 Nr. 2 BGB angenommen werden kann. Danach liegt eine verfestigte Lebensgemeinschaft vor, wenn ein Ehegatte mit einem neuen Partner in einem eheähnlichen Verhältnis lebt. Dieses muss bei objektiver Betrachtung den Schluss nahelegen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herausgelöst hat, sodass eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheint. Kriterien, die für diese Beurteilung herangezogen werden, sind etwa das Erscheinungsbild des Paares in der Öffentlichkeit, die Dauer der neuen Lebensgemeinschaft oder ob über einen längeren Zeitraum hinweg ein gemeinsamer Haushalt geführt wird. Eine Verfestigung einer außerehelichen Beziehung setzt auch eine gewisse Dauer voraus, die nach der Rechtsprechung regemäßig bei rund zwei bis drei Jahren angesiedelt wird.

Im Rahmen des Verfahrens hatte die Antragstellerin angegeben, im Juli 2019, also wenige Monate nach der Trennung im Februar 2019, ein Paar mit ihrem neuen Partner geworden zu sein. Sowohl die Antragstellerin als auch ihr Partner gaben an, dass dieser in der Woche fünf bis sechs Mal bei der Antragstellerin übernachtete. Er verfügte auch über einen Schlüssel zum Haus der Antragstellerin und es wurden gemeinsame Reisen unternommen. In seiner Entscheidung führte das Oberlandesgericht aus, dass im konkreten Fall von einer Verfestigung der Lebensgemeinschaft frühestens nach Ablauf der vom Bundesgerichtshof genannten Höchstrahmendauer von drei Jahren auszugehen sei. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs kam also zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts im Dezember 2021 nicht in Betracht, sondern frühestens ab Juli 2022. Denn im konkreten Einzelfall bestand die Besonderheit, dass die neue Beziehung der Antragstellerin in besonderer Weise durch erhebliche Anfeindungen seitens des Antragsgegners geprägt war.

Nach der Beweisaufnahme kam das Gericht zu dem Schluss, dass die außereheliche Beziehung von Anfang an durch ein übergriffiges Verhalten des Antragsgegners höchst belastet war: Der Antragsgegner habe der Antragstellerin gedroht, dass er „vorbeikommen“ werde, als sie sich mit ihrem Partner getroffen habe. Auch der neue Partner hatte bestätigt, es habe länger gedauert, sich zu der Beziehung mit der Antragstellerin zu entscheiden, weil er den „Stress“ der Antragstellerin mit dem Antragsgegner mitbekommen habe. Brisant war insbesondere, dass die Anfeindungen des Antragsgegners durch Buchungstexte auf den getätigten Unterhaltsüberweisungen dokumentiert waren. So hatte der Antragsgegner seine Unterhaltsüberweisungen mit Kommentaren versehen wie: „Ihr zwei sollt daran ersticken“, „Abartig und krank. Irgendwann…“, „Nicht vergessen: Unmoralisch, aber vor allem eine Straftat“ oder „Er wird es irgendwann bereuen“. Aufgrund der damit zum Ausdruck gebrachten Verachtung des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin und ihrem Partner wertete das Gericht die Äußerungen als solche, die das grundsätzlich hinnehmbare Maß von provokanten Äußerungen in Trennungskonflikten massiv überstiegen. Die neue Beziehung der Antragstellerin sei aufgrund dieses massiven Drucks von Anfang an auf eine harte Probe gestellt worden, sodass die außereheliche Beziehung zunächst nur distanziert aufgenommen worden sei. Vor Ablauf von drei Jahren könne daher im konkreten Fall nicht von einer hinreichenden Verfestigung der Lebensgemeinschaft ausgegangen werden.

Fazit:

Es kommt nicht selten vor, dass Ehegatten sich nach einer Trennung neuen Partnerschaften zuwenden. Von dem anderen Ehegatten wird es dann häufig als ungerecht empfunden, weiterhin Trennungsunterhalt bzw. nachehelichen Unterhalt zahlen zu müssen. Dem Verwirkungseinwand, dass aufgrund einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten kein, lediglich ein geringerer oder zeitlich begrenzter Ehegattenunterhalt zu zahlen ist, kommt daher besondere praktische Relevanz zu. Ob im Einzelfall tatsächlich von einer Lebensgemeinschaft auszugehen ist, die so hinreichend verfestigt ist, dass die weitere Gewährung von Ehegattenunterhalt grob unbillig erscheint, ist sorgfältig anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Dies zeigt auch die Entscheidung des Oberlandesgericht Düsseldorf, der durchaus eine nicht alltägliche Besonderheit zugrunde lag.

Autor

Bild von  Sarah Schreinemachers
Sarah Schreinemachers
  • Rechtsanwältin

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