23.04.2025 -
Das LAG Düsseldorf hatte zu entscheiden, ob dem Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten seine variable Vergütungsansprüche gekürzt werden dürfen.
Wie wirken sich krankheitsbedingte Fehlzeiten des Arbeitnehmers auf etwaige variable Vergütungsansprüche aus? (credits: adobestock)

Variable Vergütungsansprüche werden für besondere Leistungen gezahlt. Neben dem Fixeinkommen können Arbeitnehmer dann auch zusätzliche variable Ansprüche für das laufende Kalenderjahr bei Erreichen bestimmter Ziele erwerben. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil des Jahres krankheitsbedingt fehlte? Dürfen die Ansprüche dann gekürzt werden? Da Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat diese Frage grundsätzlich bejaht (LAG Düsseldorf v. 21.5.2024, 3 SLa 14/24). Die Kernaussagen der Entscheidung stellen wir hier für die Praxis vor.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit 1.4.2003 bei dem beklagten Arbeitgeber als Vertriebsbeauftragter im angestellten Außendienst tätig. Die Vergütungsansprüche regelten sich im Wesentlichen nach der im Unternehmen mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten „Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Vergütungssystem für den nichtleitenden angestellten Außendienst“.

Das Zieleinkommen des Klägers von insgesamt 49.200,00 € bestand dabei aus einem festen Anteil (Fixum) sowie einem variablen Anteil (Variable) im Verhältnis 60:40. Die Variable wiederum setzte sich jeweils hälftig aus zwei Komponenten von Teamzielen zusammen. Die Einzelheiten ergaben sich dann wiederum aus der einschlägigen Gesamtbetriebsvereinbarung.

Die Variable ist, ebenso wie das Fixum, Bestandteil der Jahresendabrechnung und wird jeweils zum 31.3. des Folgejahres fällig. Es wurde ein monatlicher Vorschuss gezahlt.

Der Kläger gehörte zu einem Team aus sieben Arbeitnehmern. Im Jahr 2021 war er ab dem 17.5.2021 insgesamt 191 Tage arbeitsunfähig erkrankt, wovon 42 Tage der gesetzlichen Entgeltfortzahlung unterfielen und 149 Tage außerhalb der Entgeltfortzahlung lagen.

Während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers wurde die Betreuung der ihm zugeordneten Vertriebspartner vertretungsweise unter den verbleibenden Teamkollegen aufgeteilt.

Arbeitgeber: „Ohne Arbeit kein Lohn“?

Der Vorgesetzte des Klägers übersandte mit E-Mail vom 10.2.2022 die Endabrechnung für das Geschäftsjahr 2021 an den Arbeitnehmer. Es wurde ein Abzug in Höhe von 12.951,08 € brutto für unbezahlte Fehlzeiten vorgenommen. Berechnet wurde der Abzug mit 149/360 des Gesamtbetrages von 31.291,20 €.

Der Kläger hat in Höhe des gekürzten Betrages Zahlungsklage erhoben. Er hat dabei die Auffassung vertreten, der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ auf den sich hier der Arbeitgeber berufen habe, könne für ihn nicht gelten. Das gute Gesamtergebnis wäre ohne seine Arbeitsleistung, insbesondere ohne die langjährigen vertrauensvollen Beziehungen zu den Vertriebspartnern, nicht denkbar gewesen.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Ansicht vertreten, dem Arbeitnehmer stehe kein Anspruch auf weitere variable Vergütung zu. Wer nicht arbeite, verliere seinen Lohnanspruch. Dies ergebe sich aus § 326 Abs. 1 BGB. Für die ersten 42 Tage habe ihm der Lohn unstreitig nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG noch zugestanden. Für die weiteren darüber hinaus gehenden Fehlzeiten habe die variable Vergütung gekürzt werden dürfen.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Der Kläger habe lediglich einen zeitanteiligen Anspruch auf die variable Vergütung. Die Variable unterliege als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung der Kürzung für die krankheitsbedingten Fehlzeiten.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und lediglich den Berechnungsweg geringfügig korrigiert.

I. Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“

Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ folgt unmittelbar nach § 326 Abs. 1 BGB. Danach entfällt grundsätzlich der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Lohnleistung, wenn und soweit ihn seine Arbeitsleistung unmöglich geworden ist. Arbeitsleistung ist nicht nachholbar, so dass mit Zeitablauf Unmöglichkeit eintritt. Nach dem gängigen Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ entfällt damit auch jeder Vergütungsanspruch, soweit keine gesetzlichen oder anderweitig geregelten Ausnahmetatbestände eingreifen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

II. Berücksichtigung krankheitsbedingter Fehlzeiten

Der Kläger war hier unstreitig 191 Tage krankheitsbedingt ausgefallen. Die ersten 42 Tage unterfielen der gesetzlichen Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG. Für diese Tage erfolgte daher auch konsequent keine Kürzung.

Weitere Ausnahmen für eine Kürzung waren hier aber nicht vereinbart und auch nicht ersichtlich. Weder in der Gesamtbetriebsvereinbarung noch im Arbeitsvertrag waren weitere Regelungen enthalten, die eine Kürzung verbieten würden.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht die variable Vergütung des Klägers erkennbar im Synallagma zur zeitlichen Erbringung der Arbeitsleistung. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sonderzahlung hier einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausmacht, nämlich 40 %. Sie war zudem an das Erreichen quantitativer und qualitativer Ziele geknüpft. In solchen Fällen stellt eine variable Vergütung regelmäßig Arbeitsentgelt dar, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Erbringt dann aber ein Arbeitnehmer außerhalb des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums nach § 3 Abs. 1 EFZG krankheitsbedingt keine Arbeitsleistung, besteht bei synallagmatisch ausgestalteten, also an die Arbeitsleistung anknüpfenden Sonderzahlungen (anteilig) kein Anspruch auf deren Leistung. Dies muss nicht eigens vereinbart werden, sondern ergibt sich unmittelbar aus den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften. Vielmehr bedarf es umgekehrt zu einer Ausnahme für solche Grundsätze einer ausdrücklichen und deutlichen Regelung. Hieran fehlt es aber vorliegend.

Hinweis für die Praxis:

Das LAG hat allerdings den Berechnungsweg geringfügig abgeändert. Die Kürzung der 149 Fehltage erfolgte nicht im Verhältnis zu 360 Tagen, wie vom Arbeitgeber vorgenommen, sondern zu 365 Tagen. Diese sind in den Divisor zu stellen. Der Kürzungsanspruch reduzierte sich also entsprechend auf 149/365 und dem Arbeitnehmer waren noch 177,41 € nachzuzahlen und nicht die von ihm geforderten 12.951,08 € brutto.

Fazit

Krankheitsbedingte Fehlzeiten dürfen also außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums anteilig aus einer variablen Vergütung herausgerechnet werden, selbst wenn es an entsprechenden Regelungen fehlt. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Es ist natürlich empfehlenswert, dass dennoch die Herausnahme längerer krankheitsbedingter Fehlzeiten ausdrücklich vereinbart wird, um Unsicherheiten und Unklarheiten zu vermeiden.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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