Urlaubsabgeltung für vergangene Jahre: Verjährung?
Die Urlaubsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts befasst sich mit immer wieder neuen Fallgestaltungen. Gerade die in den letzten Jahren hinzugekommenen zahlreichen Pflichten für Arbeitgeber führen dazu, dass viele ausgeschiedene Arbeitnehmer nunmehr für schon Jahre zurückliegende und beendete Arbeitsverhältnisse Urlaubsabgeltungsansprüche und Nachzahlungsansprüche geltend machen. Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung einen weiteren Spezialfall zu dieser Thematik entschieden (BAG v. 31.01.2023, 9 AZR 456/20).
In der Entscheidung musste ein Arbeitgeber nunmehr für ein freies Mitarbeiterverhältnis, das sich nachträglich als Arbeitsverhältnis dargestellt hat, insgesamt 150 Urlaubstage für die Jahre 2010 bis 2014 abgelten und konnte sich nicht auf Verjährung berufen.
Der Fall:
Zwischen dem Kläger und dem beklagten Unternehmen bestand in der Zeit vom 9.1.2010 bis 19.10.2015 eine Geschäftsbeziehung. Diese wurde ursprünglich als freies Mitarbeiterverhältnis abgewickelt. Der Mitarbeiter machte dann aber nach seinem Ausscheiden geltend, es habe sich hierbei tatsächlich wegen Scheinselbstständigkeit um ein Arbeitsverhältnis gehandelt.
In einem vorherigen Rechtsstreit hat dann das Landesarbeitsgericht rechtskräftig festgestellt, dass tatsächlich für die Zeit vom 9.6.2010 bis 19.10.2015 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Der Mitarbeiter und jetzt Arbeitnehmer hat dann mit einer weiteren Gesamtklage beantragt, ihm zur Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2015 einen Betrag in Höhe von 44.899,80 € brutto Urlaubsabgeltung nebst Zinsen zu zahlen.
Das Landesarbeitsgericht hat für diese Ansprüche Verjährung angenommen und die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hatte hingegen das Bundesarbeitsgericht die Zahlungsklage auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 bis 2014 in Höhe von insgesamt 37.416,50 € nebst Zinsen bejaht. Lediglich den Anspruch für das Jahr 2015 hat das Bundesarbeitsgericht als verjährt angesehen.
I. Verjährung von Urlaubsansprüchen
Im Grundsatz bejaht das Bundesarbeitsgericht die Verjährung von laufenden Urlaubsansprüchen. Allerdings tritt Verjährung nur ein, wenn der Arbeitgeber die ihm nach neuerer Rechtsprechung obliegenden Mitwirkungspflichten erfüllt. Danach müssen bekanntlich Arbeitnehmer in jedem Jahr darauf hingewiesen werden, dass sie ihren Urlaubsanspruch nehmen müssen, um den Verfall zu verhindern. Wir haben auf diese Rechtsprechung bereits in vielen Beiträgen hingewiesen und verweisen insoweit auf die vergangenen Newsletter und auch unseren Beitrag in B+P Heft 8/2019 (Neue Hinweispflichten für Arbeitgeber – Was Unternehmen jetzt zwingend beachten müssen!).
Hinweis für die Praxis:
Werden also diese erforderlichen Pflichten nicht nachweisbar jedes Jahr neu erfüllt, gehen nichtgenommene Urlaubstage nicht unter! Sie bleiben dann endlos erhalten und können auch noch Jahre später geltend gemacht werden. Die Verjährung greift dann nicht ein.
II. Verjährung auch für Urlaubsabgeltungsansprüche?
Im vorliegenden Fall ging es aber nicht um laufende Urlaubsansprüche, sondern um den Urlaubsabgeltungsanspruch aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Wie verhält es sich hier mit der Verjährung?
Der Fall ist deshalb besonders, weil die Parteien ursprünglich ein freies Mitarbeiterverhältnis begründet hatten. Im Nachhinein hat sich dieses aber als Scheinselbstständigkeit erwiesen. Daher wurden dann rückwirkend die Regeln für Arbeitsverhältnisse auf dieses scheinselbstständige Dienstverhältnis angewandt mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer auch rückwirkend Urlaubsansprüche zustanden.
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch der normalen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Wegen der fehlenden laufenden Hinweise im vorgenannten Sinne waren die Urlaubsansprüche auch nicht jeweils in den einzelnen Jahren bereits zum Jahresende verfallen. Die Urlaubsansprüche haben sich also über die Jahre aufaddiert.
Die Tatsache, dass es sich ursprünglich um ein freies Mitarbeiterverhältnis gehandelt hat und dass hier rückwirkend eine zum Zeitpunkt dieses freien Mitarbeiterverhältnisses bestehende Rechtsprechung noch gar nicht bekannt war, nämlich in den Jahren 2010 bis 2015, spielte dabei keine Rolle. Die Urlaubsansprüche haben sich Jahr für Jahr aufaddiert.
Im Ergebnis stellte sich daher die Frage, ob nicht diese sehr alten Ansprüche auf Urlaubsabgeltung längst verjährt waren, da die Zahlungsklage erst im Jahre 2019 erhoben wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar die Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüche nach drei Jahren im Grundsatz bejaht, aber gleichzeitig klargestellt, dass diese Verjährungsfrist gehemmt war bis zur Verkündigung der neuen Urlaubsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Jahre 2018 (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16). Daher war die Klage im Jahr 2019 noch rechtzeitig.
III. Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruches
Wegen der fehlenden Verjährung musste dann allerdings die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruches für die jeweiligen Jahre 2010 bis 2015 geprüft werden. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei zutreffend nach den einzelnen Jahren differenziert. Für die Jahre 2010 bis 2014 wurde ein Urlaubsabgeltungsanspruch, der nicht verjährt ist, bejaht. Das letzte Jahre 2015 wurde hingegen nach anderen Grundsätzen beurteilt. Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch war nicht von der geänderten Urlaubsrechtsprechung abhängig, da auch schon nach alter Rechtsprechung der jeweilige Urlaubsabgeltungsanspruch eines Kalenderjahres mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden musste. Insoweit kam es für diesen Anspruch nicht auf die neue Rechtsprechung an. Die Verjährung für das letzte Jahr 2015 war daher auch nicht gehemmt und im Jahre 2019 war der Anspruch aus dem Jahre 2015 bereits verjährt (zum 31.12.2018).
Fazit:
Die gute Nachricht aus der Entscheidung ist, dass Urlaubsansprüche und auch Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren können. Die schlechte Nachricht ist hingegen, dass die Verjährung von solchen Ansprüchen erst im Jahre 2018 beginnen konnte, da sie bis dahin gehemmt war. Damit sind Altansprüche vor dieser Zeit erst zum 31. Dezember 2022 verjährt. Beim Bundesarbeitsgericht sind zur Thematik noch Entscheidungen anhängig. Wir werden über die Thematik weiter berichten. Der Praxis können wir im Übrigen nur nochmals dringend empfehlen, die erforderlichen Mitwirkungs-Hinweispflichten sorgfältig zu erfüllen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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