06.12.2023 -

Unterrichtungsschreiben bei Betriebsübergang: Notwendiger Inhalt des Unterrichtungsschreibens und Widerspruchsrecht

Der Betriebsübergang ist bekanntlich in der speziellen Vorschrift des § 613a BGB geregelt. Kommt es zu einem Betriebs(teil)übergang müssen die betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform gem. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet werden.
Das Unterrichtungsschreiben soll den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber widersprechen will (credits:adobestock).

Der Betriebsübergang ist bekanntlich in der speziellen Vorschrift des § 613a BGB geregelt. Kommt es zu einem Betriebs(teil)übergang müssen die betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform gem. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet werden. Nach Abs. 6 der Vorschrift besteht dann ein Widerspruchsrecht gegen den Betriebsübergang innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung. Immer wieder kommt es zu Streit über die Frage, ob die Unterrichtung über den Betriebsübergang ordnungsgemäß erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts läuft nämlich die einmonatige Widerspruchsfrist dann nicht, wenn die Unterrichtung nicht erfolgt ist oder unvollständig bzw. fehlerhaft war. Für die betroffenen Arbeitnehmer ist es also von großer Bedeutung, ob die Monatsfrist abgelaufen ist oder aber wegen fehlerhafter Unterrichtung unbegrenzt weiterläuft. Das wiederum hängt vom Inhalt des Unterrichtungsschreibens ab. Welchen Inhalt ein solches Unterrichtungsschreiben bei AT-Angestellten haben muss, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist, hatte jetzt das Bundesarbeitsgericht in einer wichtigen aktuellen Entscheidung zu klären (BAG v. 29.6.2023, 2 AZR 326/22).

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei einem Konzernunternehmen der RWE als Referent beschäftigt, konkret bei der RWE IT GmbH. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen übte er die ihm übertragenen Aufgaben als außertariflicher Mitarbeiter aus. Das Beschäftigungsverhältnis besteht bereits seit 2004.

Der zuständige Arbeitgeberverband hat mit der Gewerkschaft ver.di im Jahre 2014 einen Tarifvertrag zur sozialverträglichen Begleitung von Personalanpassungsmaßnahmen im RWE-Konzern vereinbart (TV Switch).

Nach § 1 Abs. 2 TV Switch gilt dieser für alle tarifgebundenen Arbeitnehmer der RWE-Gesellschaften, die Mitglied der Tarifgruppe RWE des Arbeitgeberverbandes sind.

Im Folgenden entschied die RWE IT GmbH im Jahre 2015 die bisher selbst erbrachten IT-Service-Dienstleistungen an einen externen Dienstleister zu übertragen. Auf diesen gingen dann auch die Betriebsmittel über.

Der betroffene Arbeitnehmer wurde mit Schreiben vom 2.12.2016 anlässlich einer ganztägigen Informationsveranstaltung über diesen Betriebsteilübergang zum 1.2.2017 informiert. Am gleichen Tag erhielt er auch ein Unterrichtungsschreiben.

Im Jahre 2019, also mehr als 2,5 Jahre nach dem Betriebsübergang, widersprach der Kläger dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses und machte geltend, festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis weiterhin zur REW IT GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin fortbesteht.

Er ist der Ansicht, sein Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses sei fristgemäß erfolgt, da das Unterrichtungsschreiben vom 2.12.2016 fehlerhaft gewesen sei. Daher habe auch die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen. Konkret werde durch das Unterrichtungsschreiben insbesondere nicht klar, ob die tariflichen Regelungen individualrechtlich oder kollektivrechtlich gelten würden. Auch enthalte das Schreiben keine ausreichenden Angaben zu den wirtschaftlichen Hintergründen des Betriebsübergangs.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hingegen stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und festgestellt, dass das Widerspruchsrecht nicht mehr möglich war. Die Monatsfrist war bei der Ausübung des Widerspruchsrechts bereits abgelaufen.

I. Fristbeginn Widerspruchsrecht

Das Widerspruchsrecht ist ein auf Verhinderung oder Beseitigung der Rechtsfolge des § 613a BGB gerichtetes Gestaltungsrecht. Es muss innerhalb der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB bestimmten Monatsfrist ausgeübt werden. Die Frist beginnt unabhängig vom Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit dem Zugang der ordnungsgemäßen Unterrichtungdurch den Arbeitgeber gem. § 613a Abs. 5 BGB.

II. Inhalt des Unterrichtungsschreibens

Das Widerspruchsrecht steht nach der Konzeption von § 613a BGB in einem wechselseitigen Bezug zur Unterrichtungspflicht. Danach haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über die im Einzelnen in § 613a Abs. 5 Nr. 1 – Nr. 4 aufgeführten Umstände zu unterrichten. Die Unterrichtung soll den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber widersprechen will. Der Arbeitnehmer soll sich über die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“. Dem Arbeitnehmer soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden.

Hinweis für die Praxis:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehören zu den rechtlichen Folgen zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert einen Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, auf die Gesamtschuldnerschaft des Übernehmers und des Veräußerers nach § 613a Abs. 2 BGB und grundsätzlich auch auf die kündigungsrechtliche Situation.

III. Hinweis auf Tarifverträge?

Im konkreten Fall war die Frage streitig, ob der Arbeitnehmer auch auf den TV Switch hingewiesen werden musste. Grundsätzlich muss im Unterrichtungsschreiben auch auf die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden, hingewiesen werden. Im vorliegenden Fall musste aber das Unterrichtungsschreiben gerade keine Angaben zur Anwendbarkeit des TV Switch auf außertarifliche Arbeitnehmer enthalten. Der TV Switch fand weder vor noch nach dem Betriebsübergang Anwendung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers. Insoweit ist das Unterrichtungsschreiben entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts rechtlich zutreffend gewesen und weder unklar noch unvollständig formuliert worden. Der Kläger war nicht tarifgebunden. Auch der Erwerber war nicht tarifgebunden. Zudem enthielt der Arbeitsvertrag keine individualrechtliche Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge.

Hinweis für die Praxis:

Was nicht gilt, muss daher auch nicht im Unterrichtungsschreiben genannt werden. Unterrichtungsschreiben müssen auch nicht individualbezogen formuliert werden. Für einzelne Arbeitnehmergruppen (z.B. tarifgebundene Arbeitnehmer oder nicht tarifgebundene Arbeitnehmer) müssen nicht zwingend verschiedene Unterrichtungsschreiben gefertigt werden. Auch mit einem einzigen Unterrichtungsschreiben können alle Gruppen unterrichtet werden. Die Unterrichtung kann in einem Standardschreiben erfolgen, sie muss jedoch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen. Dies war hier der Fall.

IV. Wirtschaftlicher Hintergrund des Betriebsübergangs?

Der Kläger hat auch vorgetragen, das Unterrichtungsschreiben enthalte keine zu § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB genügenden Angaben zu den wirtschaftlichen Hintergründen des Betriebsübergangs. Das traf hier jedoch ebenfalls nicht zu. Im Unterrichtungsschreiben wurden schlagwortartig die Hintergründe geschildert. Eine schlagwortartige Schilderung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausreichend.

Fazit:

Die Formulierung von Unterrichtungsschreiben nach § 613a BGB ist durchaus schwierig und Fehler können zu weitreichenden Folgen führen. Die Anforderungen der Rechtsprechung sind hoch. Auf der anderen Seite ermöglicht das Bundesarbeitsgericht aber auch die Unterrichtung von verschiedenen Gruppen in einem Standardschreiben. Wichtig ist nur, dass die konkreten Besonderheiten der jeweiligen Arbeitsverhältnisse erfasst und benannt werden.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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