16.01.2025 -

Überstundenvergütung: BAG fällt wegweisendes Urteil zu Überstundenzuschlägen

Überstundenvergütung: Das Bundesarbeitsgericht hat am 5. Dezember 2024 ein wegweisendes Urteil zu Überstundenzuschlägen bei Teilzeitbeschäftigung gefällt.
Viele Tarifverträge sehen auch Regelungen zu einer Überstundenvergütung vor – ein aktuelles BAG-Urteil hatte eine derartige Regelungen nun zum Gegenstand (credits: adobestock).

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 5. Dezember 2024 ein wegweisendes Urteil zu Überstundenzuschlägen bei Teilzeitbeschäftigung gefällt. So erklärte das BAG eine tarifvertragliche Regelung für unwirksam, die keine Überstundenzuschläge vorsieht, wenn Stunden über die individuelle Teilzeit hinaus erbracht werden, diese jedoch unterhalb der Vollzeitgrenze liegen. Obwohl bisher nur die Pressemitteilung des BAG vorliegt, lassen sich bereits zentrale Weichenstellungen erkennen (BAG, Urteil vom 5.12.2024 – 8 AZR 370/20).

Der Fall:

Geklagt hatte eine Pflegekraft, die bei einem ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit arbeitete. Der Tarifvertrag sah Überstundenzuschläge erst dann vor, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wurde. Die Gewährung der Zuschläge konnte entweder in Geld oder über eine zusätzliche Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto erfolgen. Da die Pflegekraft in Teilzeit arbeitete, erhielt sie für fast 129 Stunden keine Überstundenzuschläge. Sie klagte daraufhin auf entsprechende Zeitgutschrift. Außerdem verlangte sie wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine Entschädigung in Höhe von 4.500 Euro.

Das BAG hat der Klägerin die Zeitgutschrift zugesprochen und ihr darüber hinaus wegen Diskriminierung eine Entschädigung von 250 Euro zuerkannt. Dieser Betrag sei erforderlich, aber auch ausreichend, um den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und die gebotene Abschreckungswirkung für den Arbeitgeber zu entfalten.

Das Urteil des BAG berücksichtigt auch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshof (EuGH), dem das BAG den Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte. Der EuGH hatte im Sommer 2024 entschieden, dass die genannte tarifliche Regelung zu einer Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten führe und außerdem wegen der mittelbaren Diskriminierung Entschädigungsansprüche denkbar seien (EuGH, Urteile vom 29.07.2024 – C-184/22 und C-185/22). Der EuGH hielt dabei das Argument, dass ohne eine solche tarifliche Regelung Teilzeitkräfte bei Erbringung der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten für dieselbe Zeit mehr Geld erhalten würde, nicht für stichhaltig.

Was bedeutet das Urteil?

Das Urteil dürfte eine große Zahl von Tarifverträgen betreffen. Denn viele Tarifverträge enthalten Regelungen, wonach für geleistete Überstunden erst dann ein Zuschlag zu zahlen ist, wenn diese Stunden über die normale Wochenarbeitszeit in Vollzeit hinausgehen.

In Bezug auf konkrete Einzelfälle gilt, dass das Urteil auch in der Vergangenheit geleistete Überstunden betreffen kann. Die meisten Tarifverträge enthalten aber tarifvertragliche Ausschlussfristen, die die rückwirkende Geltendmachung begrenzen.

Gilt das Urteil auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst?

Auch wenn die endgültigen Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, zeichnet sich ab, dass das Urteil auch Folgen im öffentlichen Dienst haben wird. Zwar befand das Bundesarbeitsgericht noch in einem Urteil aus dem Jahr 2021 (6 AZR 253/19), dass Teilzeitbeschäftigte durch eine ähnliche Regelung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht ungleich behandelt würden. Doch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich klaren Urteile des EuGH ist zweifelhaft, dass dieses Urteil aus 2021 noch Bestand haben kann. Dagegen ist außerdem schon eine Verfassungsbeschwerde anhängig (1 BvR 1198/22). Die zuständigen Gewerkschaften fordern nun verstärkt für Tarifverhandlungen eine Streichung der Regelungen.

Praxishinweis: Kontext der EU-Entgelttransparenzrichtlinie


Das Urteil reiht sich nahtlos in die europäische Diskussion um Entgeltgleichheit und Transparenz ein und gewinnt vor dem Hintergrund der EU-Entgelttransparenzrichtlinie zusätzliche Bedeutung. Diese Richtlinie, die bis 2026 in deutsches Recht überführt werden muss, setzt neue Standards für gerechte Vergütungsstrukturen und lässt keine Ausnahmen für tarifvertragliche Regelungen zu. Angesichts der hohen Anforderungen der Richtlinie sollten Arbeitgeber frühzeitig handeln und ihre Vergütungsmodelle auch schon vor einem deutschen Gesetz umfassend überprüfen.


Autorin: Dr. Carolin Kraus

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Partnerin
Dr. Carolin Kraus
  • Rechtsanwältin
  • Fachanwältin für Arbeitsrecht

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