28.08.2024
Das Bundesarbeitsgericht hatte die Frage zu beantworten, ob Geschlechtsneutralität gewahrt ist, wenn im Rahmen der Stellenausschreibung der sogenannte Genderstern benutzt wird.
Kann die Verwendung eines Gendersterns in einer Stellenausschreibung geschlechterdiskriminierend sein? (credits: adobestock)

Stellenausschreibungen müssen bekanntlich geschlechtsneutral erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht hatte jetzt die Frage zu beantworten, ob diese Geschlechtsneutralität gewahrt ist, wenn im Rahmen der Stellenausschreibung der sogenannte Genderstern benutzt wird (BAG v. 23.11.2023 – 8 AZR 164/22). Die Entscheidung enthält wichtige Hinweise zur Formulierung von Stellenausschreibungen. Wir möchten daher diese Entscheidung hier besprechen.

Der Fall (verkürzt):

Die schwerbehinderte Klägerin wurde zweigeschlechtlich geboren und bezeichnet sich als Hermaphrodit. Sie bewarb sich unter Angabe der Schwerbehinderung auf eine Stellenausschreibung der beklagten Stadt, mit der diese für ihre Ausländerbehörde „Fallmanager*innen im Aufenthaltsrecht“ suchte und dabei auch mitteilte, dass schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber „gleicher Eignung und Qualifikation bevorzugt behandelt würden“.

In ihrer Bewerbung bat die klagende Partei im Rahmen des Auswahlverfahrens die Anrede „Sehr geehrte* Herm F“ zu verwenden. Die Abkürzung „Herm“ stehe für die ersten vier Buchstaben von Hermaphrodit.

Mit E-Mail vom 4.11.2019 wandte sich die Beklagte unter Verwendung der Anrede „Sehr geehrte(r) Frau/Herr F“ an die klagende Partei und lud sie zu einem Vorstellungsgespräch am Montag, den 18.11.2019, um 12:30 Uhr in den Räumen der Beklagten ein.

Die klagende Partei teilte per E-Mail mit, dass sie am Montag den 18.11.2019 „schon einen anderen Termin in Brandenburg“ habe, weshalb sie um einen Ersatztermin bitte.

Ein Ersatztermin wurde nicht mehr angeboten. Das Stellenbesetzungsverfahren sollte nicht weiter verzögert werden. Auch konnte die Auswahlkommission aufgrund anderer Termine nicht zeitnah nochmals zusammenkommen. Die klagende Partei erschien dann nicht zum Vorstellungsgespräch.

Im Nachgang reichte die klagende Partei Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von mindestens 5.000,00 € ein. Sie hat u.a. die Auffassung vertreten, dass sie sowohl wegen des Geschlechts als auch ihrer Behinderung im Auswahlverfahren diskriminiert worden sei. Dies indiziere schon die Stellenausschreibung. Die Verwendung des sogenannten Gendersterns („Fallmanager*innen“) bedeute eine Diskriminierung von Menschen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehören. Der Genderstern stelle keine geschlechtsneutrale Formulierung dar, sondern schließe Hermaphroditen als biologisch und genetisch eigenständige Gruppe aus.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das BAG die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Wir möchten uns hier mit der Geschlechterdiskriminierung befassen. Eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung lag hier nicht vor.

I. Benachteiligung wegen des Geschlechts

Der Begriff des Geschlechts in § 1 AGG bezieht sich auf die biologische Zuordnung zu einer Geschlechtsgruppe und erfasst auch die geschlechtliche Identität von Menschen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind. Damit werden intersexuelle, zweigeschlechtliche bzw. intergeschlechtliche Menschen vor geschlechtsbezogenen Benachteiligungen geschützt. Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Verständnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des besonderen Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.

II. Genderstern als Diskriminierung?

Aus der Verwendung des Gendersterns bei der Stellenausschreibung („Fallmanager*innen“) kann nicht geschlossen werden, dass nicht eingestellte zweigeschlechtliche Menschen im Auswahlverfahren wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden.

Eine Ausschreibung hat geschlechtsneutral zu erfolgen, um eine Diskriminierung zu vermeiden. Sie muss sich daher an Menschen jedweden Geschlechts richten, nicht nur an Männer und Frauen. Stellenausschreibungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.

Hiervon ausgehend kann man die Verwendung des Gendersterns nur so verstehen, dass sie sich an Menschen jedweden Geschlechts richten soll. Dies wird gerade durch den Genderstern zum Ausdruck gebracht. Der Genderstern verleugnet nicht die Existenz zweigeschlechtlicher Menschen, er symbolisiert nach allgemeinem Sprachgebrauch vielmehr alle Geschlechter. Durch die Verwendung des Gendersterns als symbolhaftes Sonderzeichen wird typischerweise mitgeteilt, dass sich die Ausschreibung an jede die Anforderung erfüllende Person richtet und das Geschlecht – gleich welches – bei der Auswahlentscheidung keine Rolle spielen wird.

Hinweis für die Praxis:

Dieses geschlechterübergreifende Sprachverständnis wird auch dadurch bestätigt, dass die Verwendung des Gendersterns durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfohlen wird.

Fazit:

Stellenausschreibungen müssen geschlechtsneutral erfolgen. Die früher einmal gebräuchliche Differenzierung zwischen Mann und Frau (m/w) ist nicht mehr zu empfehlen, da sich eine Ausschreibung geschlechtsneutral eben nicht nur an Männer und Frauen richten darf. Üblich ist mittlerweile der Zusatz eines kleinen „d“ für „divers“ (m/w/d). Teilweise wird auch ein „x“ genutzt, das symbolisieren soll, dass alle denkbaren Geschlechter erfasst werden sollen. Wird eine Stellenausschreibung mit dem Genderstern formuliert, wie es im vorliegenden Fall genutzt wurde, ist auch dies nunmehr eindeutig als geschlechtsneutrale und damit nichtdiskriminierende Stellenausschreibung möglich.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen