Der Schutz von Minderheitsaktionären bei Strukturmaßnahmen – Ablauf und Zweck des aktienrechtlichen Spruchverfahrens

Strukturmaßnahmen in der Aktiengesellschaft, insbesondere ein sog. „Squeeze-Out“, können weitreichende Folgen für die betroffenen Anteilsinhaber haben. Insbesondere die Belange der Minderheitsaktionäre spielen dabei bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Wird der Wert ihres Gesellschaftsanteils beeinträchtigt oder geht er gar völlig unter, steht ihnen allerdings ein Anspruch auf Ausgleichs- oder Abfindungszahlung zu. Nicht selten kommt es bei der Frage der Höhe dieser Zahlungen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den betroffenen Aktionären und der Aktiengesellschaft. Aus diesem Grund steht den Minderheitsaktionären mit dem Spruchverfahren ein Instrument des Minderheitenschutzes zur Verfügung, um ihre Interessen im Bedarfsfall gerichtlich durchzusetzen.

Mit dem Spruchverfahren steht den Minderheitsaktionären ein Instrument des Minderheitenschutzes zur Verfügung, um ihre Interessen im Bedarfsfall gerichtlich durchzusetzen.
Das Spruchverfahren gewährleistet einen Interessenausgleich zwischen Hauptaktionären und Minderheitsaktionären und stärkt das Vertrauen in die Integrität des Aktienmarktes – Erfahren Sie hier Näheres über dieses bedeutende Verfahren! (credits: adobestock)

Was sind das Ziel und die Funktion des Spruchverfahrens?

Strukturmaßnahmen können sich gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter vollziehen. Kommt es infolgedessen zu einem Wertverlust des Gesellschaftsanteils oder geht dieser sogar ganz unter, schreibt das Gesetz hierfür eine Kompensation durch eine Abfindungs- oder Ausgleichzahlung vor, die den Wert des Gesellschaftsanteils angemessen widerspiegeln soll. Das Spruchverfahren gibt den Minderheitsaktionären die Gelegenheit die Höhe der Ausgleichs- oder Abfindungszahlung gerichtlich überprüfen zu lassen. Nach § 1 SpruchG erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich des Spruchverfahrens auf die Bestimmung:

  • der Ausgleichszahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien für Aktionäre bei Kapitalerhöhungen;
  • des Ausgleichs für außenstehende Aktionäre und der Abfindung solcher Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen;
  • der Abfindung von ausgeschiedenen Aktionären bei der Eingliederung von Aktiengesellschaften;
  • der Barabfindung von Minderheitsaktionären, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung auf den Hauptaktionär übertragen worden sind;
  • der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern;
  • der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Gründung oder Sitzverlegung einer SE;
  • der Zuzahlung an Mitglieder bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft;

Das Hauptziel des Spruchverfahrens besteht daher im Schutz der Minderheitsaktionäre im Rahmen von Strukturmaßnahmen vor unangemessen niedrigen Kompensationszahlungen. Daneben soll das Spruchverfahren den Hauptaktionär vor einem Missbrauch der minderheitsschützenden Regelungen durch die Minderheitsaktionäre (z.B. durch Anfechten von Hauptversammlungsbeschlüssen) schützen.

Was ist der prozessuale Rahmen des Spruchverfahrens?

Das Spruchverfahren wird durch einen entsprechenden Antrag einer der betroffenen Minderheitsaktionäre eingeleitet. Dieser ist bei dem zuständigen Landgericht gemäß § 2 SpruchG, in dessen Bezirk der Rechtsträger dessen Anteilsinhaber antragsberechtigt sind, seinen Sitz hat oder hatte, binnen drei Monaten nach der Durchführung der jeweiligen Strukturmaßnahme einzureichen. Der Antrag ist mit einer Begründung zu versehen, aus der hervorgeht, welche konkreten Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation oder den zugrunde gelegten Unternehmenswert bestehen. Im weiteren Verlauf des Spruchverfahrens ermittelt das Gericht sodann unter Hinzuziehung von Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger, ob die Kompensation von Seiten der Gesellschaft angemessen ist. Auf Grundlage der so ermittelten Erkenntnisse entscheidet das Gericht, indem es:

  • die ursprüngliche Abfindung/den ursprünglichen Ausgleich bestätigt oder
  • eine Erhöhung der Abfindung/des Ausgleichs festsetzt zuzüglich Zinsen die auf den Differenzbetrag (zwischen ursprünglicher und gerichtlich festgelegter Abfindung) ab dem Zeitpunkt des Unternehmensumbaus gezahlt werden müssen.

Die Entscheidung hat über die Prozessparteien hinaus bindende Wirkung für alle betroffenen Minderheitsaktionäre.

Maßstäbe für die Angemessenheit der Abfindung

Für die Angemessenheit der Abfindung dient der tatsächliche Unternehmenswert im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die jeweilige Strukturmaßnahme als Leitbild (Stichtagsprinzip). Grundsätzlich sind insoweit unterschiedliche Ermittlungsmethoden denkbar.  In der gesellschaftsrechtlichen Praxis kommt es allerdings in aller Regel zur Anwendung des sog. Ertragswertverfahrens auf Grundlage des zum Bewertungsstichtag geltenden IDW-Standards IDW S1. Im Anschluss wird der so ermittelte Wert durch die Anzahl der von der Gesellschaft ausgegebenen (und nicht selbst gehaltenen) Aktien geteilt, um den sog. Barwert der künftigen Erträge zu erhalten. Daneben existieren allerdings nach dem Grundsatz der Methodenoffenheit weitere Verfahren, die je nach Sachverhalt durch das Gericht alternativ zu dem Ertragswertverfahren oder auch ergänzend zu diesem angewandt werden können:

  • Börsenkurs: Bei börsennotierten Unternehmen kann der Börsenkurs herangezogen werden.
  • Substanzwert: Neben dem Ertragswert können auch Vermögenswerte, wie Immobilien oder Patente, in die Bewertung einfließen.
  • Synergien: Bei einem umwandlungsrechtlichen oder übernahmerechtlichen Squeeze-Out müssen auch Synergien, die durch den Zusammenschluss oder die Übernahme entstehen, berücksichtigt werden.

Herausforderungen im Spruchverfahren und Handlungsempfehlungen

Es ist jedoch zu beachten, dass die gerichtliche Feststellung der Angemessenheit einer Abfindung im Rahmen eines Spruchverfahrens mit diversen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese treten insbesondere auf in Gestalt von:

  • Bewertungsunsicherheiten: Die Ermittlung des Unternehmenswerts ist eine komplexe Aufgabe, die von vielen Prognosen abhängt. Unterschiedliche Bewertungsmethoden können zu erheblich abweichenden Ergebnissen führen.
  • Informationsasymmetrie: Minderheitsaktionäre verfügen häufig nicht über dieselben Informationen über das Unternehmen wie der Hauptaktionär, was die Argumentation im Spruchverfahren erschwert.
  • Kosten und Dauer: Spruchverfahren können sehr zeitaufwändig und kostenintensiv sein. Dies kann Minderheitsaktionäre davon abschrecken, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen.

Vor Anstrengung eines Spruchverfahrens ist daher stets im Angesichte der möglichen Folge im Falle eines Obsiegens oder eines Unterliegens vor Gericht abzuwägen.

Fazit

Das Spruchverfahren ist ein wichtiges Instrument, um die Rechte von Minderheitsaktionären im Rahmen eines Squeeze-Outs und anderen Strukturierungsmaßnahmen zu schützen und eine angemessene Abfindung sicherzustellen. Es gewährleistet einen Interessenausgleich zwischen Hauptaktionären und Minderheitsaktionären und stärkt das Vertrauen in die Integrität des Aktienmarktes. Allerdings bleibt die Bewertung der Abfindung eine anspruchsvolle Aufgabe, die von den Gerichten eine sorgfältige Abwägung rechtlicher und wirtschaftlicher Gesichtspunkte erfordert und deren Ausgang im Vorfeld oftmals nur schwer voraussehbar ist. Minderheitsaktionäre sollten trotz der prozessualen Herausforderungen nicht zurückschrecken, ihre Rechte konsequent wahrnehmen, um unangemessene Benachteiligungen zu vermeiden.


Autor: Dr. Karl Brock

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