Bundesfinanzhof: Schenkungsteuer bei niedrig verzinsten Darlehen
BFH, Urteil vom 31.07.2024 – II R 20/22
Darlehen unter Familienmitgliedern oder Freunden haben oft einen großen Vorteil: Zinsen, die deutlich günstiger sind als bei der Bank. Doch Vorsicht! Dieser Zinsvorteil kann als Schenkung angesehen werden – und das Finanzamt hält dann die Hand auf.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, wie in solchen Fällen die Schenkungsteuer zu berechnen ist.
Der Fall
Ein Mann (der Kläger) erhielt von seiner Schwester ein Darlehen über knapp 1,88 Mio. Euro. Der Zinssatz war äußerst günstig: nur 1 % pro Jahr. Laut Vertrag galt das Geld rückwirkend ab 01.01.2016 als ausgezahlt, und der Vertrag konnte frühestens zum Jahresende 2019 gekündigt werden.
Das Finanzamt hielt den vereinbarten Zins nicht für marktüblich. Laut Statistiken der Deutschen Bundesbank wären 2,67 % bis 2,81 % p.a. marktüblich gewesen. In dem Zinsvorteil liege eine steuerpflichtige Schenkung, wobei das Finanzamt zur Berechnung des Zinsvorteils nicht den von ihm selbst als marktüblich bezeichneten Zinssatz von max. 2,81 % p.a. Stattdessen nahm das Finanzamt den gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % gem. § 15 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) mit der Begründung, dass auch die übrigen Konditionen des Darlehens (Laufzeit, Fälligkeit und Tilgung) nicht marktüblich waren, so dass die marktüblichen Zinsen auf das konkrete Darlehen nicht anwendbar seien.
Der vom Finanzamt so berechnete „Vorteil“ lag bei 785.008,91 Euro, wovon der Kläger nur 20.000 Euro als Freibetrag abziehen durfte. Auf den Restbetrag wurde 30 % Schenkungsteuer fällig – rund 229.500 Euro.
Der Kläger klagte gegen den Bescheid, scheiterte jedoch vor dem Finanzgericht.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof änderte das Urteil der Vorinstanz teilweise zugunsten des Klägers:
1. Steuerpflicht des Zinsvorteils bestätigt:
Der BFH bestätigte zunächst die Auffassung der Vorinstanz, dass die zinsverbilligte Überlassung der Darlehenssumme eine Schenkung der Schwester des Klägers in Höhe des kapitalisierten Nutzungsvorteils darstellt.
2. Marktüblicher Zinssatz statt 5,5 % p.a.:
Der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % sei nicht anzuwenden, wenn ein konkreter marktüblicher Wert festgestellt werden kann. Denn in § 15 Abs. 1 BewG heißt es, dass der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme mit 5,5 % p.a. anzunehmen ist, „wenn kein anderer Wert feststeht“. Nach Auffassung des BFH stand hier allerdings „ein anderer Wert“ fest, nämlich der vom Finanzgericht festgestellte marktübliche Zinssatz von 2,81 % p.a.
3. Neue Berechnung:
Die tatsächliche Zinsdifferenz betrug mithin 1,81 % p.a. (Differenz zwischen 2,81 % und 1 %). Daraus ergab sich ein Zinsvorteil von 33.951,40 Euro pro Jahr, der gem. § 13 Abs. 2 BewG mit einem Faktor von 9,3 kapitalisiert wurde – das entspricht einem Nutzungsvorteil von 315.748 Euro. Nach Abzug des Freibetrags (20.000 Euro) blieb ein steuerpflichtiger Betrag von 295.748 Euro.
Damit fiel der Betrag in eine niedrigere Steuerklasse (20 % statt 30 %), wodurch sich die Schenkungsteuer auf 59.140 Euro reduzierte.
Fazit
- Zinsvorteile bei Darlehen können teuer werden!
Liegt der Zinssatz unter dem Marktwert, gilt die Differenz als Schenkung und ist steuerpflichtig. Die Obersten Finanzbehörden der Länder haben allerdings mit gleich lautenden Erlassen vom 09.09.2022 zur „Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen / Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem 31. Dezember 2009 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer“ verfügt, dass für die Berechnung die Zinsdifferenz zwischen dem Grenzzinssatz von 3 Prozent und dem tatsächlichen Zinssatz maßgeblich ist (vgl. Ziff. 1.2.2 des Erlasses). Wird also in dem Darlehensvertrag ein Zinssatz vereinbart, der nicht niedriger als 3 % p.a. ist, geht die Finanzverwaltung nach derzeitiger Lage nicht von einer Schenkung aus, auch wenn der marktübliche Zinssatz höher liegt. Es handelt sich dabei jedoch nur um eine interne Verwaltungsanweisung, die sich jederzeit ändern kann.
- Freibeträge beachten!
Bei Zuwendungen unter Geschwistern oder unter Freunden sind die Freibeträge (20.000 €) sehr niedrig. Dies kann nicht nur erhebliche Steuerzahlungen auslösen, sondern ggf. auch strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn die Schenkung nicht deklariert und versteuert wird.
Darlehen innerhalb engerer Familienkreise (z. B. Ehepartner oder Kinder) sind durch deutlich höhere Freibeträge oft steuerfrei.
- Darlehensbedingungen prüfen!
Geht es nur um einen günstigeren Zinssatz, sollte das Darlehen jedenfalls hinsichtlich der übrigen Darlehensbedingungen (insbes. Laufzeit, Fälligkeit und Tilgung) klar geregelt werden und marktüblich sein, damit das Finanzamt einen marktüblichen Zinssatz auch in Bezug auf das konkrete Darlehen für anwendbar hält.
- Gute Vorbereitung zahlt sich aus!
Auch wenn der BFH keinen Nachweis durch Vergleichsangebote fordert, schadet es nicht, entsprechende Angebote zur Absicherung einzuholen. ´
Merke:
Ein vermeintlich günstiges Darlehen innerhalb der Familie oder unter Freunden kann schnell unerwartete Steuerlasten mit sich bringen. Deshalb sollte man die steuerlichen Aspekte möglichst vorab einplanen und sich hierzu beraten lassen!
Autor: Alexander Knauss
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