Rauchen auf der Arbeit? Der Betriebsrat hat bei Verhaltensregeln im Betrieb regelmäßig nach § 87 Abs. Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen. Man spricht hier vom mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten. Verhaltensregeln, die das Zusammenleben der Arbeitnehmer beeinflussen oder koordinieren können daher nur durchgesetzt werden, wenn der Betriebsrat vorher beteiligt wird. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitgeber festlegt, dass Rauchen künftig nur noch in den festgelegten Pausen gestattet ist? Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat dazu nun klargestellt, dass mit einer solchen Weisung nicht das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten betroffen ist, sondern die mitbestimmungsfreie Arbeitspflicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 29.3.2022, 5 TaBV 12/2).
Der Fall:
Der Arbeitgeber erbringt Logistikdienstleistungen in einem Seehafen. Umgeschlagen werden insbesondere große Mengen von Holz und Holzprodukten. Im direkten Umfeld des Seehafens befinden sich mehrere holzverarbeitende Unternehmen.
Der Arbeitgeber ist tarifgebunden. Der Rahmentarifvertrag legt im Einzelnen die Arbeitszeiten und die Pausenzeiten konkret fest.
Mit dem Betriebsrat wurde am 1. September 2011 eine Betriebsordnung vereinbart. Dort ist u.a. geregelt: „Für das gesamte Betriebsgelände der Seehafen A-Stadt GmbH besteht generelles Rauchverbot. Das Rauchen ist ausdrücklich nur auf den dafür ausgewiesenen Plätzen (Raucherinseln) gestattet.
Bei Verstoß werden unverzüglich arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet.“
Auf dem Gelände des Seehafens sind fünf Raucherinseln eingerichtet. Im Jahre 2020 kam es bei mehreren holzverarbeitenden Unternehmen in der Nachbarschaft des Seehafens zu Bränden. Der Arbeitgeber gab daher im November 2020 folgende Verhaltensmaßregeln für das Betriebsgelände des Seehafens heraus:
„Rauchen, auch die Verwendung von E-Zigaretten, ist außerhalb der ausgeschilderten Bereiche ausdrücklich verboten, es gilt ein generelles Rauchverbot. Somit ist das Rauchen ausschließlich auf den gemäß Anlage 1 aufgeführten „Raucherinseln“ und ausschließlich in der tariflich vorgeschriebenen Pause gestattet.“
Der Arbeitgeber forderte die Mitarbeiter auf, die Kenntnisnahme dieser Anordnung durch ihre Unterschrift zu bestätigen und drohte im Falle einer Unterschriftsverweigerung Konsequenzen an.
Der Betriebsrat hat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.
Die Entscheidung zum Thema Rauchen auf der Arbeit:
Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Unterschiede Ordnungs- und Arbeitsverhalten
In der Praxis kommt es immer wieder zu Abgrenzungsproblemen bei der Frage, ob eine Maßnahme der Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten unterliegt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran gleichberechtigt zu beteiligen.
Dagegen sind Regelungen und Weisungen, welche die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren – das sogenannte Arbeitsverhalten – nicht mitbestimmungspflichtig. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird.
Hinweis für die Praxis:
Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt. Ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den Arbeitgeber zu einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens.
II. Konkretisierung der Arbeitspflicht betrifft immer das Arbeitsverhalten
Die Anordnung des Arbeitgebers, dass Rauchen nur in den Pausen, also außerhalb der Arbeitszeit, gestattet ist, betrifft ausschließlich das Arbeitsverhalten. Die Regelung dient nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Sie ist ausschließlich auf die Einhaltung der Arbeitszeiten gerichtet. Während des Rauchens können die Arbeitnehmer des Seehafens grundsätzlich keine Arbeitsleistung erbringen. Damit stellt Rauchen außerhalb der vorgesehenen Pausen eine Unterbrechung der Arbeitstätigkeit dar. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet solche Arbeitsunterbrechungen zu dulden. Vielmehr haben die Arbeitnehmer während der festgelegten Arbeitszeiten ihre Arbeitsleistung zu erbringen.
Dem Arbeitgeber ist es selbstverständlich nicht verwehrt, die vereinbarten Arbeitsleistungen in dem vollen Zeitumfang abzufordern. Daher sind Arbeitnehmer nicht berechtigt, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und Raucherinseln außerhalb der Pausen aufzusuchen. Auch andere Arbeitnehmer können schließlich nicht während der Arbeitszeit privaten Angelegenheiten nachgehen.
Hinweis für die Praxis zum Thema Rauchen auf der Arbeit:
Die Rechtsprechung ist hier sehr eindeutig und zutreffend. Wird die Arbeitspflicht konkretisiert und drängt der Arbeitgeber auf die Einhaltung dieser Arbeitsverpflichtung, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Arbeitnehmer haben auch keinen Anspruch auf bezahlte oder unbezahlte Raucherpausen. Eine betriebliche Übung kann sich dazu in der Regel nicht entwickeln, da Arbeitgeber für das gezahlte Entgelt die Gegenleistung der Arbeitsleistung in Anspruch nehmen wollen. Arbeitnehmer können daher nicht davon ausgehen, dass sie während der Arbeitszeit anderen Tätigkeiten, insbesondere dem Rauchen, nachgehen dürfen. Die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung liegen damit ebenfalls nicht vor.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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