Zum Ende der niedergelassenen Tätigkeit stellt der Verkauf der Praxis für Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte einen wichtigen Schritt dar. Der erhoffte Erlös aus dem Praxisverkauf ist eine Säule der geplanten Altersvorsorge. Selbst in einem anspruchsvollen Marktumfeld, das von demografischen Veränderungen und einer zunehmenden Tendenz jüngerer Kolleginnen und Kollegen zur Anstellung geprägt ist, bleibt dieser Aspekt von großer Bedeutung.
Kaufvertrag über die Praxis – was sind zentrale Bestandteile?
Wenn ein potenzieller Käufer für die Praxis gefunden ist, ist es entscheidend, einen rechtssicheren und für alle Beteiligten akzeptablen Kaufvertrag zu verhandeln. Neben zahlreichen Regelungen, wie z.B. in Bezug auf zulassungsrechtliche Fragen, Aspekte der Haftungsabgrenzung und Gewährleistung, des Übergangs von Vertragsverhältnissen, steht die Ausgestaltung der Regelungen zum Kaufpreis im Fokus der Gestaltung.
Was sind Earn-Out Regelungen?
Beim Kaufpreis zeigt sich die Tendenz, dass viele Käufer nicht ohne weiteres bereit sind, zum Übergabestichtag einen abschließenden festen Kaufpreis zu zahlen. Oft soll auch der weitere Erfolg der Praxis nach dem Übergabestichtag ein Kriterium für die Höhe des Kaufpreises sein. Besonders bei institutionellen Käufern („Investoren“), die wünschen, dass der Verkäufer nach dem Übergabestichtag zunächst noch in der Praxis tätig bleibt, werden oft variable Kaufpreisbestandteile vereinbart. Diese werden häufig auch als „Earn-Out-Regelungen“ bezeichnet. Diese beinhalten neben einem festen Kaufpreis auch variable Komponenten, die an Zielvorgaben, wie z.B. Umsatz, Gewinn oder die Aufrechterhaltung von Personalbeziehungen nach der Praxisübergabe geknüpft sind.
Was bezwecken Earn-Out-Regelungen?
In der Sache geht es um die Verteilung von Risiken. Sind die Parteien unterschiedlicher Auffassung darüber, welche Ertragschancen in der Zukunft bestehen, wird das Risiko verteilt: Realisieren sich die Ertragschancen, wird eine weitere Kaufpreiskomponente fällig, realisieren sie sich nicht, wird sie nicht fällig. Earn-Out-Klauseln haben darüber hinaus oft den Zweck, den noch weiter mitarbeitenden ehemaligen Praxisinhaber motiviert „bei der Stange zu halten“.
Praxisverkauf und Steuern – was gilt?
Steuerlich ist hier aber Vorsicht geboten. Die allgemeinen steuerlichen Leitplanken im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Arzt-oder Zahnarztpraxis kennen die meisten Praxisabgeberinnen und -abgeber. Stark vereinfacht gilt jedenfalls: Hat die Praxisverkäuferin oder der Praxisverkäufer das 55. Lebensjahr vollendet und stellt er oder sie die freiberufliche Tätigkeit unter Nutzung der veräußerten Praxisinfrastruktur ein, gilt der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG („halber Steuersatz“). Dies gilt bis zu einer Grenze von 5 Mio. Euro. Diesen Steuervorteil kann jede Praxisverkäuferin und jeder Praxisverkäufer einmal im Leben in Anspruch nehmen. Der Praxisverkäuferin oder dem Praxisverkäufer ist daher natürlich daran gelegen, den gesamten Veräußerungsgewinn aus dem Praxisverkauf mit diesem Steuersatz zu versteuern.
Earn-Out Klauseln und Steuern – wo liegt das Problem?
Das Problem von Zahlungen aufgrund von Earn Out Klauseln ist, dass diese erst später, in der Regel Jahre nach dem Übergabestichtag der Praxis fließen. Die Frage ist, ob diese dann, trotz der späteren
Zahlung, den Veräußerungsgewinn im Jahr des Praxisverkaufes erhöhen oder das nicht der Fall ist. Betrachtet man diese Zahlungen als Teil des Verkaufspreises, könnten sie entsprechend günstig zu versteuern sein. Das würde eine Rückwirkung der Earn-Out-Zahlungen auf den Veräußerungszeitpunkt erfordern.
Orientierung und Unsicherheiten durch den Bundesfinanzhof
Mit einem Urteil vom 09.11.2023, Az. IV R 9/21, hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit derartigen Fragestellungen befasst und gewisse Grundsätze herausgearbeitet. Für Praxisverkäuferinnen und Praxisverkäufer wird es im Zusammenhang mit Earn Out Klauseln damit aber nicht einfacher. Dies auch deshalb, weil der BFH nur einen Teil der für Praxisverkäufer relevanten Fragen zu beleuchten hatte.
Worum ging es im Fall des BFH?
Der BFH hatte sich mit der steuerlichen Behandlung variabler Kaufpreisbestandteile im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmensanteils auseinandergesetzt. Der Mitunternehmeranteil wurde zu einem festen Kaufpreisanteil verkauft. Zusätzlich wurde eine sog. Earn-Out-Klausel vereinbart, nach der ein zusätzlicher Kaufpreis gezahlt werden sollte, falls die Gesellschaft eine bestimmte Rohmarge in den folgenden Geschäftsjahren erreichen würde. Abhängig von der erzielten Rohmarge konnte es zu keiner Earn-Out- Zahlung oder einer gestaffelten kommen. Auf Grundlage dieser Vereinbarung kam es in den drei Folgejahren nach dem Verkauf zu jeweils unterschiedlich hohen Zahlungen. Wie bzw. für welchen Zeitraum diese Zahlungen zu versteuern waren, war nachfolgend streitig.
Was sagt der Bundesfinanzhof zu Earn-Out Zahlungen?
Nach der Auffassung des BFH erhöhen Earn-Out-Zahlungen, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist, den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nicht.
Der BFH tritt in seinem Urteil unter anderem folgende (gekürzt wiedergegebenen) Feststellungen:
- Der Veräußerungsgewinn entstehe grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt, also mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen.
- Das sei unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet sei und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufliesse.
- Der Veräußerungsgewinn sei damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln.
- Später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis seien solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Dabei sei es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren.
- Sei die Gegenleistung aber bereits erbracht und die Anteilsveräußerung vollzogen, liege eine Rückwirkung auf das abgeschlossene Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleistete Zahlung im ursprünglichen Rechtsgeschäft – der Anteilsveräußerung – angelegt sei.
- Sei die nach Vollziehung der Veräußerung geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der
- Anteilsveräußerung stehe, wirke diese nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des Veräußerungsgewinns zurück.
- Bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen sei auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erziele. Eine stichtagsbezogene Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) werde nicht angestellt. Dies liege darin begründet, dass es sich bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche handele, bei denen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststehe, ob rechtlich in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entstehe, noch, wie hoch diese sein werde.
- Gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen im Allgemeinen und Earn–Out-Zahlungen im Besonderen seien grundsätzlich gleich zu behandeln.
Was bedeutet das für den Erlös aus dem Praxisverkauf und für Earn-Out Klauseln?
Der BFH hat sich in seiner Entscheidung nicht mit dem Steuerprivileg des § 34 EStG („halber Steuersatz“) auseinandersetzen müssen. Hier stellen sich im Zusammenhang mit „Earn Out“ Klauseln diverse zusätzliche Fragen: Ist wenigstens die feste Kaufpreiskomponente des Praxisverkaufs sicher mit dem privilegierten Steuersatz zu versteuern? Das wird zwar überwiegend angenommen, teilweise aber auch in Frage gestellt. Und gibt es eine Möglichkeit, ggf. die gesamte Kaufpreiszahlung, auch unter Berücksichtigung der Earn-Out Komponenten steuerlich günstig zu gestalten? Hier besteht erhebliche Rechtsunsicherheit.
Welche Lösungen werden diskutiert?
Auf der anderen Seite werden durchaus Vertragsgestaltungen diskutiert, die im Sinne der Rechtsprechung des BFH die Regelungen zur Kaufpreiszahlung so ausgestalten könnten, dass das Steuerprivileg erhalten werden könnte. In Betracht kommt beispielsweise, so die steuerrechtliche Literatur, die Arbeit mit sog. auflösenden Bedingungen oder Beschaffenheitsgarantien in Bezug auf den Kaufgegenstand. Vereinfacht gesagt wäre der Ansatz, dass der Kaufpreis in solchen Fällen nicht nachträglich erhöht, sondern später vielmehr ggf. nach unten angepasst würde. Zu berücksichtigen wäre bei solchen Lösungen indes, dass zunächst der volle Kaufpreis zu versteuern sein dürfte, auch wenn er sich später mindern sollte.
Was bedeutet das für Verhandlungen?
Bei der Verhandlung und Gestaltung der Praxisübergabe ist daher aus Sicht der Praxisabgeber besonders sorgfältig vorzugehen. Kritisch ist zu bereits der Wunsch des Praxiskäufers nach der Aufnahme von „Earn-Out Regelungen“ zu hinterfragen. Kann evtl. im Verhandlungswege auch eine andere Lösung gefunden werden? Sollten „Earn-Out Regelungen“ in der Sache nicht vermieden werden können, muss zumindest versucht werden, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung steuerschädliche Lösungen zu vermeiden. Das setzt bereits bei der Vermeidung des Begriffs „Earn-Out“ an. Im Übrigen zeigt die Rechtsprechung des BFH, wie wichtig beim Praxisverkauf das qualifizierte Zusammenwirken von Rechts- und Steuerberatung im Interesse der Praxisverkäuferin- bzw. des Praxisverkäufers ist.
Autor: Wolf Constantin Bartha
Auszeichnungen
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TOP-Kanzlei für Medizinrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Wirtschaftskanzlei Deutschlands im Bereich Gesundheit & Pharmazie(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021 - 2013)
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„Eine der besten Wirtschaftskanzleien für Gesundheit und Pharmazie“(brand eins Ausgabe 23/2022, 20/2021, 16/2020)
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