Arbeitgeber dürfen jederzeit Personalgespräche anordnen. Dies ermöglicht ohne Weiteres das Direktionsrecht. Das Arbeitsgericht Heilbronn hatte jetzt zu entscheiden, ob sich Mitarbeiter dennoch weigern dürfen, zum Personalgespräch persönlich zu erscheinen, wenn sie Sorge vor einer Infektion haben und sich daher auf ein allgemeines Infektionsrisiko und eine mögliche Quarantäne berufen (ArbG Heilbronn v. 23.3.2022 – 2 Ca 14/22).
Das Arbeitsgericht hat die Pflicht grundsätzlich bejaht, im konkreten Fall aber die fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgewandelt.
Der Fall:
Der Arbeitgeber beschäftigt die klagende Arbeitnehmerin bereits seit 1. April 2014. Die Mitarbeiterin ist im Bereich Auftragsabwicklung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.750,00 € beschäftigt.
Seit November 2020 erbrachte die Mitarbeiterin ihre Tätigkeiten aus dem Homeoffice heraus. Der Arbeitgeber war zuletzt mit der Leistung der Mitarbeiterin unzufrieden. So hielt er der Klägerin vor, dass sie zu wenig Tickets bearbeite. Die Klägerin antwortete, dass sie mit der Bearbeitung von Tickets nicht im Rückstand sei. Auch sprach sie an, dass sie es als problematisch ansehe, dass sich einzelne Mitarbeiter des Arbeitgebers immer die am schnellsten zu erledigenden Tickets heraussuchen würden, um möglichst hohe Zahlen aufzuweisen.
Der Arbeitgeber sandte daher der Mitarbeiterin eine Outlook-Termineinladung zu. Er forderte sie auf, eine Präsentation zur Wirksamkeit von Unterstützungsmaßnahmen vorzubereiten und wies die Klägerin an, sich zur Besprechung persönlich zu einem konkreten Termin einzufinden.
Die Mitarbeiterin lehnte dies ab. Sie werde nicht teilnehmen. Die Corona-Situation habe sich keineswegs gebessert und es sei ihr aufgrund der äußerst dramatischen Infektionssituation und auch aus persönlichen Gründen nicht möglich, persönlich in die Firma zu kommen. Sie äußerte, dass sie darüber auch nicht verhandeln werde.
Der Arbeitgeber wies auf ein nicht bestehendes Infektionsrisiko hin und auch darauf, dass das Gespräch in einem sehr großen Raum auf dem Campus stattfinden könne. Dennoch lehnte die Mitarbeiterin das Gespräch ab. Ihre Gesundheit sei ihr sehr wichtig und sie wolle sich keiner Gefahr aussetzen.
Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine Abmahnung aus und lud die Mitarbeiterin zu einem neuen Personalgespräch persönlich ein. Auch dieses Personalgespräch nahm die Mitarbeiterin nicht wahr. Sie teilte mit, man könne das Gespräch per Zoom vornehmen. Seit einem Jahr arbeite sie von zu Hause aus und sei nicht bereit, ein persönliches Gespräch wegen des bestehenden Infektionsrisikos durchzuführen. Sie erschien auch zu diesem zweiten Termin nicht. Der Arbeitgeber sandte der Arbeitnehmerin daraufhin ein weiteres Schreiben zu, das mit „letzte Abmahnung“ überschrieben war. Er ordnete ein weiteres Personalgespräch an.
Auch dieses Gespräch nahm die Klägerin nicht wahr.
Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, hingegen die ordentliche hilfsweise Kündigung für wirksam erachtet.
I. Anordnung Personalgespräch und beharrliche Arbeitsverweigerung
Zunächst hat das Arbeitsgericht die Frage geprüft, ob die Arbeitnehmerin verpflichtet war, zum Personalgespräch zu erscheinen. Diese Pflicht ist zwar keine unmittelbare Hauptleistungspflicht, da sie nicht die Tätigkeit der Klägerin an sich betrifft. Es handelt sich aber um eine Nebenpflicht, die die Durchführung des Arbeitsverhältnisses betrifft. Der Arbeitgeber ist berechtigt, Personalgespräche anzuordnen. Dieses Recht folgt aus dem Direktionsrecht. Weisungen des Arbeitgebers zur Durchführung von Personalgesprächen sind damit von dem Direktionsrecht nach § 106 GewO gedeckt.
Weigert sich ein Mitarbeiter, zu einem Personalgespräch zu erscheinen, handelt es sich damit um eine (beharrliche) Arbeitsverweigerung. Eine Arbeitsverweigerung kann zur fristlosen Kündigung führen. Dieser Verstoß stellt damit einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung dar.
Hinweis für die Praxis:
Die Einwände der Mitarbeiterin, ein persönliches Personalgespräch sei ihr wegen des damit verbundenen Infektionsrisikos unzumutbar, hat das Arbeitsgericht zutreffend nicht gelten lassen. Die Sicherheitsvorkehrungen, ein großer Raum und auch die sonstigen Abstandsregelungen seien für ein einmaliges Personalgespräch ausreichend und zumutbar. Auch die weitere Begründung der Mitarbeiterin, sie müsse ihre Mutter pflegen und für diese einkaufen, sei als Ablehnungsgrund nicht ausreichend. Dieses begrenzte Risiko sei kalkulierbar und schließe die Durchführung eines persönlichen Personalgespräches nicht aus.
II. Interessenabwägung
Trotz der bestätigten beharrlichen Arbeitsverweigerung, insbesondere wegen den beiden vorausgegangenen Abmahnungen, hat das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung als unwirksam angesehen. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung sei es dem Arbeitgeber zumutbar, das bislang seit immerhin acht Jahren belastungsfrei durchgeführte Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ordnungsgemäß abzuwickeln. Dabei musste zugunsten der Mitarbeiterin auch berücksichtigt werden, dass sich die Arbeitsverweigerung nicht auf die Hauptleistungspflicht, also die Erbringung der unmittelbaren Arbeitsleistung, bezog, sondern „nur“ auf eine Neben- und Verhaltenspflicht, nämlich das Erscheinen zu einem persönlichen Personalgespräch. Das Arbeitsverhältnis ende daher erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.
III. Fazit
Arbeitnehmer müssen Personalgespräche wahrnehmen. Das Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber, persönliche Personalgespräche jederzeit anzuordnen. Es gibt kein Recht von Mitarbeitern, sich einem Personalgespräch zu entziehen. Auch ein bestehendes Infektionsrisiko, das während der Corona-Pandemie erhöht ist, rechtfertigt dies nicht. Dies gilt erst recht dann, wenn der Arbeitgeber übliche Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen trifft. Wir weisen allerdings ergänzend darauf hin, dass Personalgespräche sich inhaltlich mit der vereinbarten Tätigkeit befassen müssen. Will der Arbeitgeber mit dem Mitarbeiter allein über die Beendigung und Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sprechen, betrifft dies gerade nicht die vereinbarte Tätigkeit. Ein solches Personalgespräch müssen Mitarbeiter nicht wahrnehmen.
Autor: Nicolai Besgen
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