Ein Bewerber oder eine Bewerberin um einen Vertragsarztsitz muss spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss eine konkrete Praxisadresse für seine oder ihre Niederlassung nachweisen können. Diese Praxisräume müssen auch tatsächlich nutzbar sein. Fehlt es an dieser Voraussetzung, kann keine Zulassung erteilt werden. Dies hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 24.04.2024, Az. L 7 KA 4/22) bestätigt.
Worum ging es?
Ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin („der Arzt“) hatte im Jahr 2013 zunächst eine Sonderbedarfszulassung in Berlin-Neukölln beantragt. Als Praxisanschrift für den Fall seiner Zulassung gab er Räumlichkeiten an, für die er von einem Vermieter eine schriftliche Mietoption erhalten hatte. Diese lautete:
„Hiermit bestätigen wir als Eigentümerin der Liegenschaften A S B, dass wir im Falle Ihrer kassenärztlichen Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit dem Betreiben eines MVZ in vorgenanntem Objekt vorbehaltlich des Abschlusses eines entsprechenden Gewerbemietvertrages zustimmen“.
Zunächst ein Rechtsstreit zum Sonderbedarf, dann aber freie Arztsitze im Planungsbereich
Nach einem Gerichtsverfahren erhielt der Arzt im Jahr 2020 die begehrte Sonderbedarfszulassung, verzichtete sodann aber wieder auf diese. Denn inzwischen hatte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Berlin im Jahr 2018 einen zusätzlichen Versorgungsbedarf für drei weitere Kinderarztzulassungen festgestellt. Der Arzt wollte nun lieber einen dieser drei regulären Sitze, anstelle eines Sonderbedarfs.
Zulassungsantrag mit der „alten“ Mietoption
Gemeinsam mit anderen Interessenten bewarb sich auch der Arzt auf einen dieser freien Sitze. Nachdem der Arzt gegenüber dem Zulassungsausschuss zunächst gar keine Praxisadresse mitgeteilt hatte, teilte er im Vorfeld der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage mit, er benenne die Praxisadresse, für die er im Zusammenhang mit dem Sonderbedarf (2013) die Mietoption erhalten hatte.
Erfolg (nur) beim Zulassungsausschuss trotz Intervention des abgelehnten Mitbewerbers
Der Arzt wurde daraufhin vom Zulassungsausschuss für die genannte Praxisadresse zugelassen, die Bewerbungen anderer Ärzte wurden teilweise abgelehnt. Einer der abgelehnten Bewerber teilte dem Zulassungsausschuss nachfolgend mit, ihm sei bekannt, dass die Praxisräumlichkeiten, die der Arzt als Praxisstandort angegeben hatte und für die er seinerzeit eine Mietoption habe vorlegen können, heute für Praxisräume definitiv nicht mehr zur Verfügung stünden. Der Vermieter habe auch mitgeteilt, er sei von keinem Kinderarzt wegen der Praxisräume kontaktiert worden. Der Arzt musste diese Angaben bestätigen und einräumen, seit Jahren keinen Kontakt mehr zum potentiellen Vermieter gehabt zu haben. Er legte dann aber einen Mietvertrag über andere Praxisräume an einem anderen Praxisstandort vor.
Nachdem der Arzt vom Zulassungsausschuss zunächst noch die Zulassung für den neuen Standort erhalten hatte, hob der Berufungsausschuss auf den Widerspruch des Mitbewerbers die Entscheidung des Zulassungsausschusses auf und verweigerte dem Arzt die Zulassung. Mit seiner Klage, sowohl zum Sozialgericht, wie auch zum Landessozialgericht blieb der Arzt erfolglos.
Die Rechtslage – Immer erforderlich: Der Vertragsarztsitz
Was ein erfolgreicher Zulassungsantrag zu enthalten hat, regelt § 18 der Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV). Nach § 18 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV ist in dem Antrag unter anderem anzugeben, für welchen Vertragsarztsitz die Zulassung beantragt wird. Nach §§ 19 und 37 Ärzte-ZV befindet der Zulassungsausschuss über den Antrag durch Beschluss und zwar nach mündlicher Verhandlung. Die Zulassung erfolgt dabei für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz).
Die Entscheidung des LSG Berlin Brandenburg:
Das Landessozialgericht Berlin Brandenburg (LSG) entschied, dass der Zulassungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt worden sei. Sein Zulassungsantrag sei mangels Angabe eines Vertragsarztsitzes unvollständig und daher nicht berücksichtigungsfähig gewesen.
Für den Antrag auf Zulassung zu einem Vertragsarztsitz müsse der Arzt spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss eine konkrete Praxisanschrift benennen. Eine Zulassung ohne Praxisanschrift sei nicht möglich. Zwar müsse ein Arzt nicht direkt einen abgeschlossenen Mietvertrag vorlegen. Mietoptionen, so das Gericht, könnten durchaus ausreichend sein. Ungenügend seien Angaben zum Vertragsarztsitz in einem bestimmten Zulassungsverfahren aber jedenfalls dann, wenn die benannten Praxisräume von vornherein nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht genutzt werden können. Hier sei die Mietoption zum Zeitpunkt des gestellten Zulassungsantrages bereits mehrere Jahre alt gewesen. Zudem habe es während dieser Zeit auch keinen Kontakt mehr zwischen dem Arzt und dem Vermieter bestanden. Nach jeder Lebenserfahrung sei auszuschließen, dass diese Räume dem Arzt noch zur Verfügung stünden. Auch Aspekte zum „Vertrauensschutz“, die hier nicht näher beleuchtet werden sollen, sah das LSG als ebenso wenig einschlägig an, wie die Rechtsprechung zu der ein- oder anderen Ausnahmekonstellation.
Praktische Hinweise:
Der entschiedene Fall betrifft zunächst sicher eine Sonderkonstellation: Zunächst waren Jahre wegen eines Rechtsstreites zum Sonderbedarf vergangen. Der betroffene Arzt hatte darüber hinaus mit einer viele Jahre alten Mietoption gearbeitet und keinerlei Kontakt mehr zum – potentiellen – Vermieter gepflegt. Dennoch zeigt die Entscheidung ganz trocken die entscheidenden Grundsätze auf: Im Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses muss grundsätzlich eine konkrete Praxisadresse benannt werden können und die Praxisräume müssen nutzbar sein. Ist das nicht der Fall, kann grundsätzlich keine Zulassung erteilt werden. Bzw. es droht der Verlust der Zulassung. Seltene Ausnahmen, wie z.B. im Zusammenhang mit manchen Zweigpraxisgenehmigungen bestätigen die Regel.
Fazit: Planung der Niederlassung umfasst auch den konkreten Standort und das Mietverhältnis
All das unterstreicht, dass das Projekt der Suche, des Findens und des Anmietens von Praxisräumen – natürlich unter der aufschiebenden Bedingung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung – von elementarer Wichtigkeit im Niederlassungsprozess ist. Eine Zulassung quasi auf Vorrat und „dann mal schauen, wo man unterkommt“, gibt es nicht. Zum Projekt der Niederlassung gehört damit nicht nur das Zulassungsrecht, sondern auch die sorgfältige und rechtssichere Planung und Sicherung des Standortes der Niederlassung.
Autor: Wolf Constantin Bartha
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