
Warum sind ärztliche Sachverständigengutachten wichtig?
Ärztliche Gutachten spielen in gerichtlichen Verfahren häufig eine zentrale Rolle. Gerichte können in vielen Fällen nur mithilfe eines medizinischen Sachverständigengutachtens entscheiden. Klassische Beispiele sind:
- Arzthaftung: Streitfälle zwischen Patientinnen/Patienten und Ärztinnen/Ärzten bei mutmaßlichen Behandlungsfehlern.
- Versicherungsrecht: Begutachtungen im Rahmen von Versicherungsklagen.
- Sozialrecht: Medizinische Einschätzungen zu sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen.
Doch sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, ein gerichtliches Gutachten zu erstellen?
Gesetzliche Verpflichtung zur Gutachtenerstellung
Viele Ärztinnen und Ärzte gehen davon aus, dass sie einen Gutachtenauftrag eines Gerichtes frei ablehnen können, sie allenfalls verpflichtet sein könnten – bei entsprechender Entbindung von der Schweigepflicht – medizinische Auskünfte zu eigenen Patienten zu erteilen. Dies ist jedoch ein Irrtum.
Laut § 407 Zivilprozessordnung (ZPO) sind bestimmte Berufsgruppen zur Gutachtenerstellung verpflichtet. Etwas schwer verständlich regelt die Vorschrift, dass der zum Sachverständigen Ernannte der Ernennung Folge zu leisten hat, wenn er „zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist, oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Gewerbe ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist“.
Ärztinnen und Ärzte fallen darunter, denn:
- Die ärztliche Approbation gilt als „öffentliche Ermächtigung“.
- Niedergelassene Ärzte üben ihre Kenntnisse „öffentlich zum Erwerb“ aus.
Im Grundsatz kann also jede Ärztin und jeder Arzt zu Gutachtenerstellung verpflichtet werden. Dessen ungeachtet ist es in der Praxis natürlich so, dass Gerichte versuchen, in erster Linie auf Gutachterverzeichnisse zurückzugreifen, die die Ärztekammer führen. Die Wahrscheinlichkeit, ohne eine jedenfalls grundsätzliche Bereitschaft als Gutachterin oder Gutachter herangezogen zu werden, ist also nicht allzu hoch. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Gutachtenerstellung besteht aber.
Berufsrechtliche Vorgaben für Ärzte
Neben der ZPO regeln auch berufsrechtliche Vorschriften die Gutachtenerstellung. So definiert z.B. § 25 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin Pflichten für Ärztinnen und Ärzte, die zur Erstellung eines Gutachtens verpflichtet sind oder die einen Gutachtenauftrag übernommen haben.
- Ärztliche Gutachten müssen sorgfältig und nach bestem Wissen erstellt werden.
- Fristen für die Gutachtenerstellung müssen eingehalten werden.
Ein Verstoß gegen die Pflicht zu Gutachtenerstellung kann also gleichzeitig einen Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht darstellen, den die Ärztekammer ahnden kann.
Welche Verpflichtungen habe ich als Gutachter noch?
Weitere Pflichten des Sachverständigen regelt § 407a der ZPO. Danach hat der Sachverständige u.a. unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann. Auch das Gericht setzt Fristen zur Erstattung des Gutachtens. Versäumt der Sachverständige die Frist, kann das Gericht unter Setzung einer Nachfrist ein Ordnungsgeld androhen (§ 411 ZPO). Dieses kann bis zu 3.000 EUR betragen und auch ein zweites Mal festgesetzt werden.
Kann ich ein Gutachten ablehnen?
Einige Umstände können zur Ablehnung eines Gutachtenauftrags führen. Laut § 408 ZPO kann eine Entbindung von der Verpflichtung in folgenden Fällen erfolgen:
- Fehlende Fachkenntnis für die spezifische Fragestellung.
- Überlastung durch anderweitige berufliche Verpflichtungen.
- Befangenheit oder Interessenkonflikte.
- Hohes Alter oder gesundheitliche Einschränkungen.
Wichtig: Die Ablehnung sollte zeitnah und mit einer plausiblen Begründung an das Gericht kommuniziert werden.
Praxis-Tipp: So reagieren Sie richtig auf einen Gutachtenauftrag
- Schnelle Prüfung: Ist das Gutachten fachlich und zeitlich machbar?
- Rechtzeitige Rückmeldung: Falls Ablehnungsgründe bestehen, umgehend beim Gericht melden.
- Sorgfältige Gutachtenerstellung: Falls die Verpflichtung besteht, müssen Fristen eingehalten und die Begutachtung gewissenhaft durchgeführt werden.
Autor: Wolf Constantin Bartha
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