Ein gesetzlicher Anspruch auf mobiles Arbeiten oder Tätigkeiten im Homeoffice besteht (bislang) nicht. In vielen Unternehmen werden aber zu diesen Regelungsgegenständen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte in einem speziellen Verfahren auf Einsetzung einer Einigungsstelle zu entscheiden, ob die Beschwerde eines Arbeitnehmers, dem mobiles Arbeiten im Ausland nicht genehmigt wurde, berechtigt war bzw. ob über diese Frage eine Einigungsstelle eingesetzt werden durfte (LAG Köln v. 7.3.2024, 9 TaBV 6/24).
Die Entscheidung ist besonders interessant, weil sie das Zusammenspiel eines betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchs mit der Beschwerdemöglichkeit nach §§ 84, 85 BetrVG beleuchtet.
Der Fall:
Der Arbeitgeber beschäftigt ca. 10.300 Arbeitnehmer und bezieht seine institutionelle Förderung ganz überwiegend über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Beteiligte des vorliegenden Verfahrens sind der Arbeitgeber und der Betriebsrat. Diese streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle bezüglich der Beschwerde eines Arbeitnehmers.
Die Betriebsvereinbarung
In der zwischen den Beteiligten am 22. Juni 2022 geschlossenen Betriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten und Telearbeit heißt es unter § 2 Nr. 3:
„a. Eine Tätigkeit in Form der mobilen Arbeit im Ausland ist möglich, wenn sie nach Prüfung der arbeits-, sozialversicherungs-, datenschutz- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Exportkontrolle durch AI-RP gemäß den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung zugelassen werden kann und keine erheblichen betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die Anträge werden wohlwollend geprüft. Lehnt der D-PT die mobile Arbeit im Ausland ab, so legt er gegenüber dem Betriebsrat die hierfür maßgeblichen rechtlichen und / oder betrieblichen Gründe offen.“
…
Unter § 3 Nr. 1 der Betriebsvereinbarung haben die Beteiligten vereinbart:
„Mitarbeitende haben nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung bei Vorliegen der nachfolgend genannten funktionalen Voraussetzungen einen kollektiv-rechtlichen, nicht individuell einklagbaren Anspruch darauf, ihre Tätigkeit in Form von flexibler Arbeit zu erbringen. Über den Anspruch auf Tätigwerden in Form flexiblen Arbeitens entscheidet nach vorherigem Durchlauf der Eskalationsstufen in § 4 (Mobile Arbeit) bzw. § 5 (Telearbeit) die Clearingstelle gemäß § 12 abschließend. Das Recht des/der Mitarbeitenden zur Einlegung einer Beschwerde gemäß §§ 84, 85 BetrVG bleibt unberührt.“
Der Arbeitnehmer beantragt am 28. September 2023 mobiles Arbeiten an fünf Arbeitstagen in der Ferienwohnung seiner Familie in Italien für die zweite Januarhälfte 2024, hilfsweise für die zweite Februar- oder Märzhälfte 2024.
Der Vorstand hatte bereits vorher allgemein mitgeteilt, dass zukünftig mobile Arbeit im Ausland nur in besonders gelagerten Härtefällen genehmigt werde.
Ablehnung des Antrags auf mobiles Arbeiten
Die Personalabteilung lehnte den Antrag ab und begründete dies damit, dass mit der mobilen Arbeit im Ausland kein Fall sozialer Härte verhindert würde.
Der Arbeitnehmer legte daraufhin beim Betriebsrat Beschwerde aufgrund der arbeitgeberseitigen Behandlung seines Antrages gem. § 85 BetrVG ein. Der Betriebsrat beschloss, die Beschwerde für berechtigt anzusehen und für den Fall, dass kein Einvernehmen hinsichtlich der Berechtigung der Beschwerde erzielt werden könne, die Einigungsstelle anzurufen. Der Betriebsrat hat dazu die Auffassung vertreten, wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde gem. § 85 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen zu können. Da in § 3 der Betriebsvereinbarung ausdrücklich geregelt sei, dass die Mitarbeiter keinen individuell einklagbaren Anspruch auf mobiles Arbeiten hätten, gehe es bei der Beschwerde nicht um einen Rechtsanspruch, der ein Einigungsstellenverfahren ausschließe.
Der Arbeitgeber hat hingegen vertreten, dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei, da der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch geltend mache.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Beschwerde und Einigungsstelle
Arbeitnehmer haben nach § 84 BetrVG ein Beschwerderecht. Der Betriebsrat hat nach § 85 Abs. 1 BetrVG Beschwerden entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Bestehen dabei zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
Sinn und Zweck dieses Einigungsstellenverfahrens bestehen in der Eröffnung eines Weges zur Beilegung eines betrieblichen Regelungskonfliktes. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat legt der Spruch der Einigungsstelle die Meinungsverschiedenheit bei. Stellt die Einigungsstelle dann die Berechtigung der Beschwerde fest, wird der Arbeitgeber zum Ergreifen geeigneter Abhilfemaßnahmen verpflichtet. Darin besteht die Konfliktlösung durch die Einigungsstelle.
Hinweis für die Praxis:
Dies gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen eine Beschwerde eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Gegenstand hat. Denn in einem solchen Fall darf dem Arbeitnehmer der Rechtsweg zu den Gerichten nicht abgeschnitten werden.
II. Kollektivrechtlicher Anspruch nicht einklagbar!
Der Arbeitnehmer hatte hier keinen Anspruch auf ein mobiles Arbeiten im Ausland. Ein solcher Anspruch ergab sich weder aus einer gesetzlichen oder tariflichen Bestimmung noch aus einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien oder dem arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Anspruch resultierte insbesondere auch nicht aus der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Zwar schließt die Betriebsvereinbarung ein mobiles Arbeiten im Ausland nach § 2 Nr. 3 nicht von vornherein aus. § 3 Nr. 1 der Betriebsvereinbarung bestimmt aber ausdrücklich, dass den Arbeitnehmern lediglich ein kollektiv-rechtlicher, nicht hingegen ein individuell einklagbarer Anspruch zustehen soll. Damit bringt die Betriebsvereinbarung eindeutig zum Ausdruck, dass sie nur das kollektivrechtliche Verhältnis der Beteiligten untereinander gestalten will. Das individualrechtliche Schuldverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien nimmt sie von ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung aus.
Damit ist aber ausgeschlossen, dass die Beschwerde des Arbeitnehmers einen Rechtsanspruch betrifft. Dieses Verständnis wird dadurch bestärkt, dass das Recht des Arbeitnehmers zur Einlegung einer Beschwerde nach § 3 der Betriebsvereinbarung ausdrücklich unberührt bleibt. Dies wiederum setzt voraus, dass Gegenstand der Beschwerde eben kein Rechtsanspruch ist.
Fazit:
Betriebsvereinbarungen können positiv und eindeutig regeln, dass sie keine einklagbaren individuellen Ansprüche von Arbeitnehmern regeln wollen. Dann bleibt aber immer noch das Beschwerderecht nach §§ 84, 85 BetrVG. In diesem Beschwerdeverfahren kann die Einigungsstelle verbindlich entscheiden, wenn keine Rechtsansprüche berührt sind. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Allerdings fällt die zu treffende Maßnahme selbst nicht in die Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle. Kommt die Einigungsstelle daher zu dem Ergebnis, die Beschwerde für berechtigt zu erachten, muss der Arbeitgeber der Beschwerde abhelfen. Art und Weise der Abhilfe bestimmt in diesen Fällen allein der Arbeitgeber. Für den Arbeitgeber besteht sogar noch die Möglichkeit, den Spruch der Einigungsstelle anzufechten, § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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