13.11.2024 -
Das LAG Schleswig-Holstein hat die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zum Mobbing bestätigt und klare Grundsätze aufgestellt.
Mobbing führt häufig zu Problemen am Arbeitsplatz. Was hat der Arbeitgeber zu beachten? (credits: adobestock).

Konflikte am Arbeitsplatz können schnell eskalieren. Zwischen den Betroffenen kursieren dann schnell die Vorwürfe von „Mobbing“ und der Wunsch nach Sanktionen ist groß. Für die Arbeitgeberseite ist der Umgang mit solchen Konflikten nicht immer einfach. Einerseits besteht eine umfassende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Andererseits kann er einem behaupteten Mobbing nicht ohne weiteres zugunsten einer Seite Glauben schenken. Die Rechtsprechung orientiert sich in solchen Fällen vor allem an der Darlegungs- und Beweislast desjenigen, der aus einem behaupteten Mobbing Ansprüche ableiten möchte. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in einem aktuellen Urteil die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bestätigt und klare Grundsätze aufgestellt (LAG Schleswig-Holstein v. 11.10.2023, 6 Sa 48/23).

Der Fall:

Die 1961 geborene Klägerin arbeitete bereits seit 1998 als Zahnarzthelferin in der Praxis des Beklagten, der die Praxis im Jahre 2015 übernommen hatte. Sie verdiente als Vollzeitkraft 2.900,00 € brutto. Neben der Klägerin und dem Beklagten waren noch eine Auszubildende und vier Teilzeitkräfte beschäftigt.

Die Klägerin war seit dem 19. November 2021 durchgehend arbeitsunfähig krank. Sie behauptete, dass die Krankheit auf Mobbinghandlungen der Kolleginnen beruhte.

Das Arbeitsverhältnis wurde im November 2021 fristgerecht zum 30. Juni 2022 gekündigt. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin war in drei Instanzen erfolglos.

Klage auf Schadensersatz

Im Anschluss machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten erfolglos einen „Schadensersatzanspruch in Höhe von 40.000,00 € gem. §§ 823 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB bzw. gem. §§ 1, 15 Abs. 2 Satz 2 AGG“ wegen Persönlichkeitsverletzungen geltend. Die Klägerin hat behauptet, sie sei an ihrem Arbeitsplatz in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erheblich und systematisch verletzt worden. Die Verletzungen seien vor allem von ihren Kolleginnen ausgegangen. Wegen ihrer längeren Betriebszugehörigkeit und ihrem dadurch „natürlicherweise“ bestehenden „Weisungsrecht“ sei sie nicht mehr nach dem Inhaberwechsel respektiert worden. Die Kolleginnen hätten Konflikte geschürt. Sie sei zum Feindbild erklärt worden, als sie sich nach überstandener Corona-Erkrankung zum Auslaufen ihres „Genesenen-Status“ im Sommer 2021 aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Impfung entschieden habe.

Zudem sei sie wegen ihrer polnischen Herkunft sowie ihres katholischen Glaubens gehänselt und lächerlich gemacht worden. Die Kolleginnen hätten des Öfteren lauthals über sie gelästert und miteinander getuschelt, wenn sie in der Nähe gewesen sei. Die Impfung sei immer wieder Thema gewesen. Wenn sie mit Maske den Raum betreten habe, seien demonstrativ die Fenster aufgerissen und meterweise Abstand zu ihr gehalten worden. Auch von dem beklagten Inhaber seien immer wieder Mobbinghandlungen ausgegangen. So habe ihr der Arbeitgeber verboten, während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen. Zudem habe der Arbeitgeber nichts gegen die Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Kolleginnen unternommen, obwohl sie ihn schon im Jahre 2020 auf einige Mobbingvorfälle hingewiesen habe. Er habe immer genervt reagiert und gesagt sie übertreibe.

Das Arbeitsgericht hat in 1. Instanz die Zahlungsklage wegen Schmerzensgeld über 40.000,00 € abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts vollumfänglich bestätigt.

I. Mobbing ist kein Rechtsbegriff

Der Begriff Mobbing ist an sich nicht gesetzlich festgelegt. Die Behauptung, gemobbt zu werden, begründet daher an sich noch keine Ansprüche, da dieser Begriff keine selbständige Anspruchsgrundlage darstellt. Macht vielmehr ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch genommene Arbeitgeber in den genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers, ein Schutzgesetz verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung begangen hat.

Auch dann, wenn einzelne vom Arbeitnehmer dargelegte Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, kann eine Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht dann auch dem in § 3 Abs. 3 AGG definierten Begriff der „Belästigung“, die eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG darstellt.

Hinweis für die Praxis:

Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung miteinzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen / Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden.

II. Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer

Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Arbeitnehmer für die anspruchsbegrünenden Tatschen darlegungs- und beweispflichtig. Daraus folgt, dass er im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen er die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen hat. Nur dadurch werden die Tatsachengerichte in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die behaupteten Vorgänge für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau zu einer Rechtsbeeinträchtigung geführt haben und dann ggf. über jeden behaupteten Vorgang Beweis zu erheben.

III. Ärztliches Attest nicht ausreichend!

Die Klägerin hatte sich zum Nachweis der Mobbinghandlungen auch auf die vorgelegten Atteste der sie behandelnden Ärzte berufen. Diese hatten „mobbingtypische“ Befunde festgestellt. Dies reicht aber für einen Nachweis nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht die Kausalität zwischen den behaupteten Mobbinghandlungen und dem medizinischen Befund allein durch Atteste nicht fest. Atteste von Ärzten können vor allem nicht beweisen, dass sich die vom Arbeitnehmer behaupteten Mobbing-Handlungen tatsächlich zugetragen haben.

IV. Fürsorgepflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat seinerseits Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Diese folgen vor allem aus § 241 Abs. 2 BGB. Danach erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Arbeitsverhältnis Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet natürlich auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer verpflichtet. Er muss seine Arbeitnehmer auch vor sog. Mobbing und damit vor Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch die Kollegen oder auch Vorgesetzten schützen.

Hinweis für die Praxis:

Im vorliegenden Fall waren jedoch all diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Klägerin konnte dem Arbeitgeber keine Kenntnis von möglichen Rechtsgutverletzungen nachweisen. Daher bestand für den Arbeitgeber auch kein Anlass zum Einschreiten. Es gibt auch keine allgemeine Lebenserfahrung, wonach der Inhaber einer kleinen Praxis „Mobbinghandlungen“ unter den Mitarbeitern mitbekommt. Dies galt hier umso mehr, als die Klägerin gerade das Verhalten ihrer Kolleginnen als „hinterhältig“ bezeichnet hatte.

Fazit

Konflikte zwischen den Arbeitnehmern müssen stets gelöst werden. Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn sie Konflikte nicht „aussitzen“, sondern sich aktiv um die Lösung bemühen. Die Lösungsmöglichkeiten können dabei vielfältig sein. Beginnend bei Gesprächen und Teambesprechungen bis hin zu Versetzungen oder gar einer Kündigung. Mit einer besonnenen und objektiven Aufklärung und entsprechenden Maßnahmen kommt der Arbeitgeber stets seinen Pflichten nach.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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