I. Worum es geht
Für die Abwicklung einer Erbengemeinschaft und Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen Kosten. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sieht vor, dass die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die den Erben unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff „Kosten der Regelung des Nachlasses“ ist nach der Finanzrechtsprechung weit auszulegen. Er umfasst
- die Kosten der Feststellung des Nachlasses
- Bewertungskosten,
- Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Nachlassgegenstände zu setzen,
wenn diese Kosten in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers stehen. Die Kosten dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen. Entscheidend ist somit die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung.
Und genau hier liegt das Streitpotential mit dem Finanzamt. Wann sind Kosten noch abzugsfähig, wann nicht (mehr). Zu dieser für Erbengemeinschaften wichtigen Frage nahm der BFH mit seinem am 12.12.2024 veröffentlichten Urteil vom 21.08.2024, II R 43/22, steuerzahlerfreundlich Stellung.
II. Sachverhalt
Die Streitparteien waren Mitglieder einer Erbengemeinschaft, die aus der testamentarischen Regelung einer 2017 verstorbenen Erblasserin hervorging. In dem Testament war festgelegt, welcher Geldbetrag an jeden Erben ausgezahlt werden sollte. Zur Durchführung der testamentarischen Verfügungen mussten bewegliche Nachlassgegenstände veräußert werden. Hierzu wurden sowohl Lagerkosten für die Aufbewahrung der Gegenstände als auch ein Honorar für eine Kunstexpertin geltend gemacht. Diese Kosten sollten als Nachlassverbindlichkeiten steuerlich abzugsfähig sein. Das Finanzamt lehnte dies ab, da es sich seiner Auffassung nach um Verwaltungskosten handelte, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig sind.
III. Entscheidung des BFH
Der BFH entschied zugunsten der Erbengemeinschaft und stellte fest, dass die fraglichen Kosten als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sind. Die Kernargumente der Entscheidung lauten wie folgt:
1. Abgrenzung von Nachlassregelungskosten und Verwaltungskosten
- Nachlassregelungskosten müssen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses stehen.
- Verwaltungskosten hingegen entstehen durch die Nutzung, Mehrung oder Erhaltung des Nachlasses und sind nicht abzugsfähig.
2. Kosten der Nachlassverteilung
- Die Kosten für die Sichtung, Inventarisierung, Verkauf und Versteigerung beweglicher Nachlassgegenstände dienen der Verteilung des Nachlasses und sind daher Nachlassregelungskosten. Umfasst sind auch Kosten für die Vermittlung, Vorbereitung und Durchführung der Versteigerung.
- Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen.
- Lagerkostensind ebenfalls als Regelungskosten anzusehen, wenn sie notwendig sind, um die Nachlassgegenstände aufzubewahren, bis sie versteigert werden und die Geldbeträge erzielt werden konnten, die nach dem Testament den einzelnen Miterben auszubezahlen waren.
- Die Honorarkosten der Kunstexpertin dienten der Sichtung, Inventarisierung und Vorbereitung der Nachlassgegenstände für deren Versteigerung im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.
3. Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
- Abziehbar sind die unmittelbar mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Zusammenhang stehenden Kosten
- Die Abziehbarkeit der Kosten ist nicht davon abhängig, ob die Erbengemeinschaft aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder durch testamentarische Anordnung entstanden ist.
4. Unschädlich, wer die Kosten auslöst
- Es ist für den Abzug unschädlich, sondern – so der BFH zu Recht – vielmehr für die Nachlassabwicklungskosten, Nachlassregelungskosten und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat.
- Das Gleiche gilt, wenn ein Testamentsvollstrecker die Kosten im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben, die er nach § 2204 Abs. 1 BGB bewirken muss, auslöst.
IV. Fazit
Der BFH stellt klar, dass Aufwendungen, die im Rahmen der Verteilung des Nachlasses entstehen, steuerlich geltend gemacht werden können, solange sie im engen Zusammenhang mit der Abwicklung der Erbschaft stehen. Für Erben und steuerliche Berater bietet die Entscheidung wertvolle Leitlinien, wie Kosten im Erbschaftsfall steuerlich zu behandeln sind. Gerade bei komplexen Erbengemeinschaften und testamentarischen Verfügungen können solche Klarstellungen erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.
Da das Finanzamt häufig eine viel engere Auffassung vertritt als die Finanzgerichte, lohnt es sich für Mitglieder von Erbengemeinschaft, nicht sofort kleinbeizugeben, sondern im Zweifel auch den Klageweg zu suchen.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
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