04.12.2024 -
Das BAG hat noch nicht abschließend entschieden, ob eine Urlaubskürzung bei der Inanspruchnahme eines Sabbaticals zulässig ist. Das LAG hatte sich nun mit dieser Frage zu beschäftigen.
Immer mehr Arbeitnehmer gehen in ein Sabbatical. Doch behält der Arbeitnehmer seine Urlaubsansprüche auch im Sabbatical? (credits: adobestock)

Das Bundesarbeitsgericht hat auf Basis der Rechtsprechung des EuGH bereits mehrfach klargestellt, dass für Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird, keine Urlaubsansprüche entstehen. Dies betrifft vor allem die Freistellungsphase in der Altersteilzeit oder aber auch Kurzarbeit Null. Ausnahmen gelten nur für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder für Beschäftigungsverbote. Noch nicht abschließend höchstrichterlich durch das BAG entschieden ist die Frage, ob eine Urlaubskürzung bei der Inanspruchnahme eines Sabbaticals zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat dies in einer aktuellen Entscheidung bejaht (LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2024, 1 Sa 1108/23).

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist bei dem beklagten Land als Angestellte im allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Die Klägerin erzielt einen monatlichen Bruttoverdienst bei einer Teilzeittätigkeit von durchschnittlich 3.642,20 €.

Die Parteien schlossen am 8.11.2019 einen Änderungsvertrag, in welchem es u.a. heißt es:

„§ 1

(1) Frau A nimmt in der Zeit vom 1.11.2019 bis 30.9.2022 am Sabbatical teil.

(2) Während der Gesamtdauer des Sabbaticals nach Absatz 1 gilt die Beschäftigte in einem Arbeitszeitumfang von 65,26 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten als Teilzeitbeschäftigte im Sinne des § 24 Absatz 2 TV-L.

(3) Die Beschäftigte erhält während der Gesamtdauer des Sabbaticals entsprechend dem in Absatz 2 vereinbarten Umfang der Teilzeitbeschäftigung anteiliges Entgelt.

§ 2

(1) In der Zeit vom 01.11.2019 bis 30.4.2022 (Ansparphase) beträgt der Arbeitsumfang 76,14 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten.

(2) Die Beschäftigte wird in der Zeit vom 01.05.2022 bis 30.9.2022 von der Arbeit freigestellt (Freistellungsphase).

…“

Während der Ansparphase in dem vorgenannten Sabbatical-Modell arbeitete die Klägerin wöchentlich an fünf Tagen 30 Stunden. In der Urlaubsplanung für das Jahr 2022 ist grundsätzlich ein Urlaub von 30 Tagen ausgewiesen.

Die Klägerin erhielt im Laufe des Jahres 2022 von der Personalstelle die Auskunft, dass ihr Urlaubsanspruch für den Zeitraum der Freistellungsphase um vierzehn Tage gekürzt werde. Auf den Widerspruch der Klägerin hin hielt die Personalstelle aber an der Kürzungsentscheidung fest.

Die Klägerin hat daraufhin klageweise weitere vierzehn Urlaubstage geltend gemacht. Sie ist der Auffassung, dass die Kürzung des Urlaubsanspruchs rechtswidrig sei. Sie habe in er Ansparphase nach § 2 des Änderungsvertrages Mehrarbeit geleistet. Es handele sich dabei bei der Freistellungsphase des Sabbaticals nicht um unbezahlten Sonderurlaub, sondern um dienstplanmäßige Freizeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

I. Keine Arbeitspflicht – Kürzung des Urlaubs

Das LAG stützt sich in seiner Begründung zunächst auf die generelle Rechtsprechung des EuGH. So habe der EuGH bereits seit dem Jahre 2012 stets entschieden, dass – bis auf Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder eines Beschäftigungsverbots für Schwangere – die Ansprüche auf bestehenden Jahresurlaub „grundsätzlich anhand der auf der Grundlage des Arbeitsvertrages tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen seien“. Die Zeiten einer Suspendierung der Arbeitspflicht sind damit als Zeiten der Nichtarbeit anzusehen und schmälern ratierlich den Anspruch auf Urlaub.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich der Rechtsprechung des EuGH mehrfach angeschlossen. So hat der zuständige 9. Senat in seiner Entscheidung vom 3.12.2019 (9 AZR 33/19) zum Urlaubsanspruch in der Altersteilzeit entschieden, dass einem Arbeitnehmer für den Zeitraum der Freistellungsphase kein Anspruch auf Erholung des Urlaubs zusteht. Für diesen Zeitraum bestehe eben keine Arbeitsverpflichtung mehr.

Hinweis für die Praxis:

Diese Rechtsprechung kann ohne Weiteres auf ein Sabbatical übertragen werden. Auch bei einem Sabbatical besteht für einen vereinbarten Zeitraum keine Arbeitsverpflichtung.

II. Urlaubsberechnung bei fehlender Arbeitsverpflichtung

Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist grundsätzlich jahresbezogen zu ermitteln, § 3 Abs. 1 BUrlG. Abzustellen ist dabei auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Vollzieht sich aber innerhalb des Kalenderjahres ein Wechsel von einer Arbeitsverpflichtung zu einer Freistellungsphase, muss der Urlaubsanspruch neu berechnet werden. In diesen Fällen muss der gesetzliche Urlaubsanspruch dann nach Zeitabschnitten berechnet werden. Die Zeiten des Sabbaticals werden dann ratierlich herausgerechnet.

Hinweis für die Praxis:

Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2022 hat das LAG auf die Rechtsprechung des BAG aus den Entscheidungen vom 19.3.2019 (9 AZR 406/17) und vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) Bezug genommen und folgende Formel zur Berechnung genutzt: Anzahl der Urlaubstage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht : 312 Werktage bzw. 260 Arbeitstage mit einer 5-Tage-Woche.

Fazit:

Der Rechtsprechung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Ein Sabbatical ist nichts anderes als die Vereinbarung, für einen bestimmten Zeitraum von der Arbeitsverpflichtung befreit zu sein. Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien die Zeit des Sabbaticals mit der Erarbeitung eines Zeitguthabens aufgebaut. Dieses Wertguthaben stellt keine Mehrarbeit dar. Vielmehr ist das Wertguthaben die Grundlage für die spätere Freistellung.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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