Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen: Wann lohnt sich der prozessuale Weg?

Die Möglichkeiten der Aktionäre, das Handeln des Vorstands zu überwachen, sind nach der Konzeption des Aktiengesetzes begrenzt. Die Aufgabe der Kontrolle ist primär dem Aufsichtsrat zugeschrieben. In der Praxis können jedoch eine Vielzahl von Faktoren dazu führen, dass der Aufsichtsrat seiner Aufgabe nicht immer zur vollen Zufriedenheit der Aktionäre nachkommt. Mit den Beschlussmängelklagen stehen den Aktionären zumindest Instrumente zur Verfügung, um rechtswidrige Beschlüsse der Hauptversammlung anzugreifen. Freilich verspricht nicht jedes Beschlussmängelverfahren Erfolg. Vor Erhebung einer Klage sind daher zwingend die zentralen Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren in den Blick zu nehmen. Anhand dieser lassen sich sodann grobe Leitlinien ausmachen, wann ein prozessuales Vorgehen sinnvoll erscheint.

Mit den Beschlussmängelklagen stehen den Aktionären Instrumente zur Verfügung, um rechtswidrige Beschlüsse der Hauptversammlung anzugreifen.
Welche Voraussetzungen bedarf es für den Erfolg einer Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses durch einen Aktionär? (credits: adobestock).

I. Was sind die rechtlichen Voraussetzungen der Anfechtungsklage?

1. Wann ist ein Beschluss angreifbar?  Worin liegen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe?

Für das klageweise Vorgehen gegen Beschlüsse der Hauptversammlung ist zunächst zwischen Nichtigkeitsgründen einerseits und (bloßen) Anfechtungsgründen andererseits zu unterscheiden. Nichtigkeitsgründe stellen derart schwerwiegende Beschlussmängel dar, dass das Gesetz an ihr Vorliegen die Folge der unmittelbaren Nichtigkeit knüpft. Aufgrund dieser schwerwiegenden Folge zählt das Gesetz die Nichtigkeitsgründe in § 241 AktG abschließend auf. Die wichtigsten Nichtigkeitsgründe sind:

Die anfängliche Nichtigkeit eines Beschlusses bildet daher die Ausnahme. Im Übrigen stellen inhaltliche oder formelle Beschlussmängel (nur) Anfechtungsgründe dar. Diese lassen sich grob in vier Gruppen unterteilen:

  • Verstöße gegen Gesetz oder Satzung;
  • Verletzung der Aktionärsrechte (z.B. des Auskunfts- und Informationsrechts);
  • Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung;
  • Inhaltliche Mängel des Beschlusses;

Von besonderer praktischer Relevanz ist dabei die Verletzung von Informations- und Auskunftsrechten durch den Vorstand oder den Aufsichtsrat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Vorstand Informationen zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft rechtswidrig vorenthält. Durch geschickt vorbereitete Fragestellungen können Aktionäre durchaus auch potenzielle Anfechtungsgründe schaffen. Bei Verfahrensfehlern ist allerdings zu beachten, dass diese nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich nur bei Ergebnisrelevanz einen Anfechtungsgrund bilden. Es darf also zumindest nicht ausgeschlossen sein, dass der Beschluss ohne den Verfahrensfehler nicht oder nicht mit diesem Inhalt beschlossen worden wäre.

Eine besondere Herausforderung von Beschlussmängelstreitigkeiten liegt darin, dass der Aktionär den Anfechtungsgrund, also den Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder die Satzung, substantiiert darlegen und gegebenenfalls durch Beweise untermauern muss. Hierzu können Protokolle der Hauptversammlung, Korrespondenzen oder andere Dokumente herangezogen werden. Die vorhandenen Beweismittel sind damit für die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Prozesses von zentraler Bedeutung.

2. Wer ist befugt, Beschlussmängelklage zu erheben?

Grundvoraussetzung für die Erhebung einer Beschlussmängelklage ist, dass der Aktionär die Aktien spätestens am Tag vor der Bekanntmachung der Tagesordnung für die Hauptversammlung erworben hat und während des gesamten gerichtlichen Verfahrens Inhaber der Aktien bleibt. Zudem muss der klagende Aktionär zur Hauptversammlung erschienen sein und gegen den streitigen Beschluss Widerspruch zum Protokoll erklärt haben. Das Erscheinen zur Hauptversammlung wird im Prozess anhand des vom Versammlungsleiter zu erstellenden Teilnehmerverzeichnisses bewiesen. Der Aktionär muss nicht selbst erschienen sein, eine Vertretung durch einen Stimmrechtsvertreter ist für die spätere Klagebefugnis unschädlich. An den Widerspruch bestehen kaum inhaltliche Herausforderungen. Es genügt, wenn der Aktionär zum Ausdruck bringt, dass er die Rechtswidrigkeit oder Satzungswidrigkeit des Beschlusses rügt.

3. Ist eine Klagefrist zu beachten?

Für die Anfechtungsklage läuft nach § 246 Abs. 1 AktG eine Frist von einem Monat ab dem Tag der Beschlussfassung. Wird diese Frist versäumt, ist die Klage unzulässig und damit stets erfolglos. Für die Nichtigkeitsklage sieht das Gesetz hingegen keine Klagefrist vor. Allerdings hängt die Einordnung als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund vielfach von der rechtlichen Würdigung des Gerichtes im Einzelfall ab, sodass in jedem Fall die Einhaltung der Monatsfrist anzuraten ist.

II. Wann lohnt sich der prozessuale Weg?

Die Entscheidung, eine Anfechtungsklage zu erheben, sollte wohlüberlegt sein. Nicht jeder Fehler führt zur Nichtigkeit eines Beschlusses. Eine gerichtliche Auseinandersetzung kann kostenintensiv und zeitaufwendig sein. Folgende Aspekte sprechen dafür, den prozessualen Weg zu beschreiten:

1. Erhebliche Rechtsverstöße:

Wenn der Beschluss eindeutig gesetzes- oder satzungswidrig ist, spricht dies für große Erfolgsaussichten in einem Beschlussmängelprozess. Ein erheblicher Rechtsverstoß liegt beispielsweise vor, wenn ein Beschluss trotz klarer gesetzlicher Verbote gefasst wird. Ein klassisches Beispiel ist die unzulässige Zustimmung zu einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag ohne die erforderliche Zustimmung der Aktionäre. Solche Verstöße können den Beschluss von Anfang an nichtig machen und das Vertrauen der Aktionäre in die Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung erschüttern.

2. Schwere Nachteile für Aktionäre:

Ein prozessuales Vorgehen ist ferner anzuraten, wenn die Wirksamkeit des Beschlusses mit schweren Nachteilen für die Aktionäre einhergeht. Dies ist der Fall, wenn er die Vermögensinteressen oder die Beteiligungsrechte der Aktionäre unzumutbar beeinträchtigt. Ein typisches Beispiel wäre die Zustimmung zur drastischen Herabsetzung des Grundkapitals ohne hinreichende sachliche Begründung. Hierdurch würde der Wert der Anteile der Aktionäre erheblich gemindert, was zu einer klaren Benachteiligung führt.

3. Signifikante wirtschaftliche Folgen:

Ferner ist eine Beschlussmängelklage anzudenken, wenn der in Rede stehende Beschluss langfristig negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben könnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Zustimmung zu einer riskanten Übernahme eines hochverschuldeten Unternehmens, die das finanzielle Gleichgewicht der Gesellschaft gefährdet. Solche Beschlüsse bergen für die Aktionäre ein erhebliches wirtschaftliches Risiko und können das Unternehmenswachstum nachhaltig beeinträchtigen.

Spiegelbildlich dazu sprechen in bestimmten Situationen die besseren Gründe dafür, eine außergerichtliche Lösung anzustrengen und das Risiko eines Unterliegens im Prozess zu vermeiden.

1. Ungewisse Erfolgsaussichten:

Ein gerichtliches Beschlussmängelverfahren ist stets mit dem Risiko eines ungewissen Ausgangs und einem möglichen Unterliegen verbunden. Nicht jede vermeintliche Rechtsverletzung führt zwangsläufig zum Erfolg der Klage. Zudem trägt der Aktionär die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrundes. Die Erfolgsaussichten hängen daher stark von der Beweisführung und der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts durch das entscheidende Gericht ab. Eine fehlende Beweissubstanz kann zu einem Prozessverlust führen.

2. Geringe wirtschaftliche und rechtliche Relevanz des Beschlusses:

Die Entscheidung über ein gerichtliches Vorgehen hat stets die Bedeutung des betroffenen Beschlusses in den Blick zu fassen. Insoweit fallen die Überlegungen konträr zu den Situationen, in denen den Aktionären schwerwiegende Nachteile drohen, aus. Hat dieser nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung oder beschränken sich die negativen Auswirkungen auf einen überschaubaren Einzelfall, könnte sich der Aufwand eines Gerichtsverfahrens als unverhältnismäßig erweisen.

3. Beeinträchtigung des Verhältnisses zu der Gesellschaft:

Ein gerichtlicher Streit ist für beide Seiten mit hohen zeitlichem und finanziellen Einsatz verbunden und kann die Beziehungen zwischen Aktionären und der Gesellschaft daher dauerhaft belasten. Ein konstruktiver Dialog oder außergerichtliche Lösungen können den bestehenden Konflikt in manchen Fällen ebenfalls konstruktiv lösen und gleichzeitig das Verhältnis zwischen Aktionären und Gesellschaft schonen. Voraussetzung ist freilich, dass das Verhalten der involvierten Personen Anlass zur Annahme gibt, dass ein außergerichtliches Vorgehen Erfolg verspricht.

III. Fazit

Die Beschlussmängelklagen sind ein scharfes Schwert, das mit Bedacht eingesetzt werden sollte. Ob sich der prozessuale Weg lohnt, hängt stets von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Bei einem Obsiegen erklärt das Gericht den Beschluss durch Urteil für nichtig (vgl. § 241 Nr. 5 AktG) bzw. stellt im Falle einer Nichtigkeitsklage die anfängliche Nichtigkeit des Beschlusses verbindlich fest, sodass aus diesem keine rechtlich nachteiligen Folgen für die Aktionäre erwachsen. Ein Unterliegen vor Gericht bedeutet hingegen einen enormen Kostenaufwand und sollte daher stets bedacht werden. Im Ergebnis ist daher in jedem Fall eine sorgfältige Abwägung mit kompetenter rechtlicher Beratung vor dem Prozess geboten.


Bei Fragen zum Beschlussmängelrecht der Aktiengesellschaft können sie sich gerne an den Autor dieses Beitrags wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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