20.04.2023 -
Das BMAS hat einen ersten Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht. Wir fassen zusammen, was vorgesehen ist.
Das BMAS hat einen ersten Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht. Wir fassen zusammen, was vorgesehen ist (credit:adobestock).

Schon seit einiger Zeit hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung angekündigt. Zeitlich drängte es, nachdem das Bundesarbeitsgericht im September 2022 entschieden hatte, dass sich eine gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebe (wir berichteten: Grundsatzurteil: Arbeitgeber müssen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer erfassen! und Die Beschlussgründe der Zeiterfassungsentscheidung), aber die Ausgestaltung der Vorgaben im Einzelnen in vielen Punkte offen war.

Ganz aktuell liegt nun seit dem 18. April 2023 ein erster Referentenentwurf aus dem BMAS vor, mit dem die Erfassung der Arbeitszeit vorgeschrieben werden soll. Dazu soll das bestehende Arbeitszeitgesetz geändert werden. Wir fassen zusammen, was vorgesehen ist.

Wie soll die Arbeitszeit erfasst werden?

Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (sowie der beschäftigten Jugendlichen) jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen sind für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, längstens jedoch für zwei Jahre aufzubewahren.

Das BMAS erklärt damit die elektronische Erfassung für verpflichtend und will nur in Kleinbetrieben mit weniger als 10 Beschäftigten Ausnahmen zulassen (also etwa Aufzeichnungen in Papierform). Alternativ soll in Tarifverträgen eine Abweichung von der Erfassung in elektronischer Form vorgesehen werden können.

Die Begründung des Referentenentwurfs weist darauf hin, dass neben „gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten“ auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme in Betracht kommen. Das BMAS geht von einem Aufwand für die technische Einführung der elektronischen Zeiterfassung in Höhe von 450 EUR pro Betrieb aus.

Wer muss die Arbeitszeit erfassen?

Klarstellend wird in dem Referentenentwurf geregelt, dass die Aufzeichnung auch durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Jugendlichen selbst oder durch einen Dritten (zum Beispiel einen Vorgesetzten oder eine Meisterin) erfolgen kann. Der Arbeitgeber kann dies also delegieren. Auch in diesem Fall soll er aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich bleiben.

Welcher Personenkreis ist von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen?

Vor dem Bekanntwerden des Referentenentwurfs war heftig debattiert worden, welcher Personenkreis zur Erfassung verpflichtet werden soll. Diverse Lobby-Gruppen hatten sich für eine Herausnahme bestimmter Beschäftigten ausgesprochen.

Der Entwurf ist auf die Bedenken nicht eingegangen und sieht neben den ohnehin bereits geltenden Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz (also insbesondere die Ausnahme für leitende Angestellte sowie Chefärzte) nur vor, dass Tarifverträge Ausnahmen für solche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vorsehen können, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.“ Als denkbare Beispiele führt der Referentenentwurf Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler auf. Einzelheit werden damit den Tarifvertragsparteien überlassen.

Schon länger diskutierte Fragen zum konkreten Personenkreis der Zeiterfassungspflicht werden damit nicht beantwortet. Denn die EU-Arbeitszeitrichtlinie und auch das Arbeitsschutzgesetz, auf das sich schließlich das BAG 2022 gestützt hatte, erfassen einen viel weiteren Arbeitnehmerbegriff als das Arbeitszeitgesetz, weil z.B. auch Beamte und ggf. GmbH-Geschäftsführer erfasst werden. Der Referentenentwurf gilt für diese Personen nicht.

Was genau muss erfasst werden?

Der Referentenentwurf schreibt verbindlich die Aufzeichnung von „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit“ vor. Zur Aufzeichnung von Pausen fehlt eine explizite Regelung. Die Begründung des Entwurfs erklärt aber, dass anhand der vorgeschriebenen Erfassung „die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Pausen“ nachgehalten werden könne. Damit würden also Pausen jedenfalls in der Dauer erfasst werden müssen.

Ausnahmen nur in Tarifverträgen oder auf Grund von Tarifverträgen

Von den Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung soll nur in oder auf Grund von Tarifverträgen überhaupt abgewichen werden können. Dies bedeutet, dass entweder im Tarifvertrag selbst Ausnahmen niedergelegt werden oder ein Tarifvertrag den Betriebsparteien Abweichungsmöglichkeiten einräumen kann. Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber würde damit keine Möglichkeit bestehen, die – ohnehin eng beschränkten – Abweichungen zu nutzen.

Wann sollen die Änderungen des Arbeitszeitgesetzes in Kraft treten?

Die Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung würden nicht sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes umzusetzen sein. Vielmehr sieht der Referentenentwurf eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangszeit zwischen einem und fünf Jahren zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur elektronischen Arbeitszeiterfassung vor.

Was gilt durch die Erfassungspflicht mit Blick auf die Vergütung von Arbeitszeit?

Ganz wichtig bleibt: Das Arbeitszeitgesetz regelt nicht die Vergütung von Arbeitszeit und trifft daher auch keine Aussage, ob eine Zeitspanne, die der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig ist, als Arbeitszeit zu vergüten ist. Hier kann es sich für Arbeitgeber anbieten, in den Arbeitsverträgen Regelungen für Sondersituationen wie etwa Reisezeiten vorzusehen

Fazit:

Mit dem Referentenentwurf aus dem BMAS vom 18. April 2023 liegt nun der lang erwartete Gesetzesentwurf zur Arbeitszeiterfassung vor. Viele Fragen bleiben darin aber leider weiterhin unbeantwortet. Ohnehin ist aber zum jetzigen Zeitpunkt offen, ob der Referentenentwurf tatsächlich Gesetz wird. Wir werden die weitere Entwicklung für Sie natürlich verfolgen.

Der aktuelle Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung wird auch Thema unseres 61. Arbeitsrechtlichen Praxisseminars in Form eines Webinars am 9. Mai 2023 sein. Gerne können Sie sich für die kostenlose Teilnahme hier anmelden:

Autorin: Carolin Kraus

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