25.01.2024 -
Fruchtbarkeitsbehandlungen bei unerfülltem Kinderwunsch sind ein medizinisch wie persönlich hochkomplexes Thema. Dabei hat das (Steuer-)Recht Schwierigkeiten, mit der rasanten Entwicklung und der sich wandelnden gesellschaftlichen Haltung zu künstlichen Befruchtungen mitzuhalten.
Erfahren Sie mehr über die steuerlichen Aspekte einer Fruchtbarkeitsbehandlung und aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung (credits:adobestock).

Ungeklärte Umsatz- und Ertragsteuerfragen bei gleichgeschlechtlichen Paaren und Alleinstehenden

Fruchtbarkeitsbehandlungen bei unerfülltem Kinderwunsch sind ein medizinisch wie persönlich hochkomplexes Thema. Das gilt natürlich zuallererst für die einzelnen Patienten und ihre behandelnden Ärzte. Doch auch die gesellschaftliche Haltung zu künstlichen Befruchtungen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass das (Steuer-)Recht Schwierigkeiten hat, mit der rasanten Entwicklung mitzuhalten. Offensichtlich wird dies an den Steuerfragen, die Fruchtbarkeitsbehandlungen bei homosexuellen Paaren und Alleinstehenden zu Tage fördern.

Besteht eine Umsatzsteuerpflicht?

Ungeklärt ist einerseits die Umsatzsteuerpflicht solcher Behandlungen. Dabei hat diese sowohl für Ärzte als auch für die Patienten gravierende Auswirkungen: Denn ist auf die vereinnahmten Entgelte Umsatzsteuer zu zahlen, so bedeutet dies einen 19-prozentigen Preisaufschlag für die Patienten. Wird die Behandlung hingegen durch Kliniken als Zweckbetriebe in gemeinnütziger Trägerschaft durchgeführt, könnte abweichend hiervon der verminderte Steuersatz von nur 7 % anzuwenden sein. Ärzte und Klinken wiederum müssten die Umsatzsteuer dann auf ihren Rechnungen ordnungsgemäß ausweisen und an das Finanzamt abführen. Tun sie dies irrtümlicherweise nicht, muss mit einem saftigen Nachzahlungsbescheid gerechnet werden, der oft erst Jahre später ergeht und – bspw. bei größeren Kinderwunschzentren – eine hohe Zahlungspflicht „auf einen Schlag“ bedeuten kann.

Dabei trifft es Mediziner oftmals besonders unvorbereitet. Denn üblicherweise sind ihre Leistungen als „Heilbehandlungen“ von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 14 UStG). Viele Ärzte gehen aufgrund dessen davon aus, generell keine Umsatzsteuer ausweisen zu müssen. Richtigerweise ist jedoch bei jeder ausgeführten Leistung einzeln zu prüfen, ob diese tatsächlich – ausnahmsweise – von der Umsatzsteuer befreit ist.

Von der Umsatzsteuer befreit sind nur „Heilbehandlungen“

Bei Fruchtbarkeitsbehandlungen ist die Rechtslage kompliziert und hängt maßgeblich von der jeweiligen Patientin bzw. dem jeweiligen Patienten ab: Denn eine Heilbehandlung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes setzt eine „Krankheit“ oder „Gesundheitsstörung“ voraus. Aus medizinischen Gründen bspw. empfängnisunfähige oder vermindert fruchtbare Frauen können daher umsatzsteuerfrei behandelt werden.

Fruchtbarkeitsbehandlungen werden jedoch auch für gesunde gleichgeschlechtliche, lesbische Paare oder Single-Frauen mit Kinderwunsch ausgeführt – Fallgruppen, an die der Gesetzgeber bei der Normierung des § 4 Nr. 14 UStG offenbar nicht gedacht hat. Da diese Personen üblicherweise nicht krank sind, können an ihnen auch keine „Heilbehandlungen“

vorgenommen werden. Steuerrechtlich führt dies zu dem wenig überzeugenden Ergebnis, dass gesunde Frauen gegenüber „kranken“ benachteiligt erscheinen, weil sie für dieselbe Behandlung Umsatzsteuer (7 % oder sogar 19 %) zahlen müssen. Für die behandelnden Ärzte bringt die Rechtslage das Erfordernis mit sich, bei ihrer Rechnungsstellung zwischen in diesem Sinn „gesunden“ und „kranken“ Patientinnen zu differenzieren – obwohl jeweils die gleiche Leistung ausgeführt wird.

Europarechtliche und verfassungsrechtliche Zweifel an der Rechtslage

Ob die Rechtsprechung dieses offensichtliche Gerechtigkeitsdefizit hinnehmen wird, ist noch unklar. Die Gerichte werden sich zu fragen haben, ob ein im herkömmlichen Sinne verstandener Begriff der „Heilbehandlung“ im Einklang mit dem europäischen Recht steht und ob er nicht gar zu einer verfassungswidrigen Diskriminierung von homosexuellen Paaren und Alleinstehenden führt. Denn einerseits entspricht die dadurch bewirkte Differenzierung wohl nicht der Intention des europäischen Gesetzgebers, auf den die nationalen Regelungen letztlich zurückgehen. Und andererseits gewährt die deutsche Verfassung allen Menschen ein Grundrecht auf Gleichbehandlung.

Es ist daher durchaus möglich, dass die Gerichte den Ärzten und Patienten zur Hilfe eilen werden – falls nicht zuvor der Gesetzgeber reagiert. Dennoch hält die Finanzverwaltung bislang – soweit bekannt – an einem wortlautgetreuen Verständnis des Heilbehandlungs-Begriffs fest und setzt mitunter hohe Umsatzsteuer-Nachzahlungen fest. Im Einzelfall mag es deshalb ratsam sein, gegen einen entsprechenden Steuerbescheid Einspruch einzulegen und zunächst das Gespräch mit dem Finanzamt zu suchen. Dringen die Einwände dabei nicht durch, kann eine Klage zum Finanzgericht erwogen werden.

Einkommensteuerliche Absetzbarkeit ebenfalls fraglich

Ähnliche Schwierigkeiten bereitet das Steuerrecht derweil auch den Patientinnen im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung. Hier stellt sich die Frage nach der Abziehbarkeit der für Fruchtbarkeitsbehandlungen getätigten Aufwendungen. Indirekt betrifft dies auch die behandelnden Ärzte, werden doch Patientinnen sich regelmäßig nach den Kosten einer Behandlung erkundigen und ihre Entscheidung für oder gegen eine Behandlung ggf. auch davon abhängig machen.

Zwar übernehmen die Krankenkassen bei ausbleibender Schwangerschaft die Kosten für Untersuchungen zur Ermittlung der Ursache. Für ggf. anschließende Fruchtbarkeitsbehandlungen tragen die (gesetzlichen) Kassen die Kosten jedoch grundsätzlich nur hälftig und auch nicht in allen Fällen. So werden reproduktionsmedizinische Behandlungen regelmäßig nur bei Verheirateten und nur dann unterstützt, wenn ausschließlich die Ei- und Samenzellen des Paares verwendet werden. Außerdem bestehen Beschränkungen hinsichtlich des Alters der Paare und der Anzahl der vorausgegangenen Behandlungsversuche. Auch das Leistungsspektrum der privaten Krankenkassen ist begrenzt (Quelle: Informationsportal Kinderwunsch – Das übernimmt die Krankenkasse (informationsportal-kinderwunsch.de).

Auch die Einkommensteuer fragt nach einer „Krankheit“

Soweit nicht Versicherungen einspringen, tragen die Patientinnen die Behandlungskosten selbst. Die steuerliche Abziehbarkeit kann die Realisierung des Kinderwunsches mitunter erheblich einfacher machen. Patientinnen können Kosten für medizinische Behandlungen einkommensteuerlich als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Der Steuerabzug ist möglich, wenn die individuelle Belastungsgrenze überschritten wird, d.h. wenn die innerhalb eines Jahres entstandenen Kosten angesichts der jeweiligen Höhe der Einkünfte, des Familienstands und der Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder nicht mehr zumutbar sind. Ähnlich wie bei der Umsatzsteuerbefreiung ergibt sich allerdings folgendes Bild:

Bei medizinisch vermindert empfängnisfähigen oder empfängnisunfähigen Patientinnen ist der Steuerabzug anerkanntermaßen möglich, da Fruchtbarkeitsmaßnahmen insoweit als Behandlung einer Krankheit bzw. Gesundheitsstörung angesehen werden können. Der Bundesfinanzhof (BFH) macht in seiner jüngeren Rechtsprechung auch keinen Unterschied mehr danach, ob die jeweilige Frau verheiratet oder unverheiratet, hetero- oder homosexuell ist oder ob die Befruchtung mit dem Samen des Partners oder eines Dritten erfolgt (BFH, Urteile vom 05. Oktober 2017 – VI R 47/15 –, BFHE 259, 446, BStBl II 2018, 350; vom 16. Dezember 2010 – VI R 43/10 –, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 und vom 10. Mai 2007 – III R 47/05 –, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871).

Anders könnte es sich jedoch bei gesunden Patientinnen verhalten. Denn als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind nur „notwendige“ Aufwendungen. Bei Krankheitskosten geht der BFH ohne weitere Anforderungen davon aus, dass die Kosten dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Bei einer gesunden und nur lediglich homosexuellen oder alleinstehenden Frau lässt sich die Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Fruchtbarkeitsbehandlung jedoch bezweifeln. Immerhin liegt ein gesundheitlicher Defekt nicht vor und die gewünschte Schwangerschaft scheitert allein an der sexuellen Orientierung bzw. den Lebensumständen der Patientin.

Rechtsprechung deutet auf Absetzbarkeit hin

Gleichzeitig drängt sich jedoch auch kein anderer (günstigerer) Weg auf, um in einem solchen Fall eine Schwangerschaft ohne Fruchtbarkeitsbehandlung zu erreichen. Der BFH hat schon 1997 entschieden, die höchstpersönliche Entscheidung einer Frau für eine Schwangerschaft nicht in Frage zu stellen, und zugleich das Recht, Nachkommen zu gebären, dem Kernbereich des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) zugeordnet (BFH, Urteil vom 18. Juni 1997 – III R 84/96 –, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805.)

Geht man dem folgend davon aus, dass die Entscheidung einer Patientin für eine Schwangerschaft grundsätzlich zu respektieren ist, so wird man auch die dafür anfallenden Kosten als zwangsläufig einstufen müssen. So erkennt der BFH eine entsprechende Zwangslage etwa auch empfängnisunfähigen homosexuellen Frauen zu, obwohl eine Schwangerschaft im Rahmen ihrer Partnerschaft für diese Patientinnen ohnehin ausgeschlossen ist (BFH, Urteil vom 5. Oktober 2017 – VI R 47/15 –, BFHE 259, 446, BStBl II 2018, 350). Angesichts dessen darf davon ausgegangen werden, dass die höchsten Finanzrichter auch einer gesunden Frau den Zwang zu einer künstlichen Befruchtung nicht absprechen werden. Kaum vorstellbar erscheint es, dass der BFH eine gesunde, homosexuelle Frau darauf verweisen könnte, sich auf anderem Wege befruchten zu lassen.

Mangels einschlägiger Rechtsprechung kann zwar nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, wie die Gerichte Aufwendungen für Fruchtbarkeitsbehandlungen von homosexuellen oder alleinstehenden Frauen einordnen werden. Auch im Rahmen der einkommensteuerlichen Behandlung sprechen jedoch die besseren Argumente dafür, keinen Unterschied zwischen „gesunden“ und „kranken“ Patientinnen zu machen. Sollte das Finanzamt entsprechende Aufwendungen im Einzelfall nicht anerkennen, empfiehlt sich eine steuerliche Beratung.


Autor: Lennart Elßner

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Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)

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