Sicherstellung entwaldungsfreier Lieferketten ab dem Jahr 2025?

Zum damaligen Zeitpunkt beinahe unbeachtet trat bereits am 29. Juni 2023 die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten ((EUDR/VO 2023/1115) in Kraft. Wohl auch wegen der Übergangfrist, die anfänglich bis zum 30. Dezember 2024 lief, erregte die Verordnung zunächst keine große Aufmerksamkeit. Zu Unrecht. Denn wie sich zeigt, betreffen die Regelungen der Verordnung nicht nur ein Thema von höchster gesellschaftspolitischer Bedeutung, sondern stellen zudem die betroffenen Unternehmen vor neue Herausforderungen auf dem Gebiet der Umwelt-Compliance. Nicht umsonst schlug im Oktober 2024 die EU-Kommission angesichts des erheblichen Umsetzungsaufwands in den Mitgliedstaaten eine Verlängerung der Übergangsfrist um 12 Monate bis zum 30. Dezember 2025 vor. Zwar gilt die hierzu erforderliche Zustimmung des EU-Parlaments und des Rats der Europäischen Union als gesichert. Doch sollte diese „Schonfrist“ Unternehmen nicht dazu verleiten, Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Verordnung hinauszuzögern.

Die EUDR fordert neue Compliance-Maßnahmen von Unternehmen. Trotz der möglichen Fristverlängerung sollten CMS-Anpassungen bald umgesetzt werden, da Verstöße mit Bußgeldern von bis zu 4 % des EU-Umsatzes geahndet werden können. Es gilt, dem Zweck der EUDR gerecht zu werden und umsetzbare Lösungen zu finden. Frühzeitiger Rechtsrat wird empfohlen.
EUDR-Compliance: Jetzt handeln, um Bußgelder von bis zu 4 % des EU-Umsatzes zu vermeiden (credit:adobestock)

Anlass der EUDR

Der globale Klimawandel zeigt seine Auswirkungen aktueller denn je in schweren Unwettern, Überflutungen und anderen Wetterextremen sowie nachteiligen Folgen für die biologische Vielfalt. Als eine der Ursachen für die wichtige globale ökologische Herausforderung nimmt die EU nun die Entwaldung und Waldschädigung ins Visier. Der Begriff der Entwaldung beschreibt dabei einen Vorgang, im Zuge dessen vielfältige, nachhaltige Primärwälder in monokulturelle landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt werden. Wie Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen verdeutlichen, hat die globale Zerstörung der Wälder mit einer Fläche von 10 Millionen Hektar Waldfläche pro Jahr ein exorbitant hohes Niveau erreicht. Dabei belegen Studien, dass auch für den Konsum landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Europa an anderen Orten Wälder zerstört oder geschädigt werden. Der WWF kürte die EU vor einigen Jahren gar zum „Vizeweltmeister der Waldzerstörung“. Diesem Problem möchte die EU nun mit einer spezifischen Gesetzgebung gegen die Entwaldung Herr werden.

Die Ziele der EUDR

Das zentrale Ziel der EUDR besteht in der Sicherstellung entwaldungsfreier Lieferketten. Aus Sicht des EU-Gesetzgebers wiesen die bisherigen Regelungen wie die EU-Holzhandels-Verordnung teils empfindliche Schwächen auf, die nun beseitigt werden sollen. Der Import und Export von Rohstoffen und Erzeugnissen, die mit Entwaldung verbunden sind, soll zukünftig konsequent verhindert werden. Zugleich soll die unionsweit verbindliche Regelung Unterschiede durch die nationalen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten verhindern und so ein unionsweites „one level playing field“ schaffen.

Wer fällt in den persönlichen Anwendungsbereich der EUDR?

Die EUDR betrifft unmittelbar Unternehmen, die „relevante Rohstoffe und Erzeugnisse“ auf dem europäischen Markt anbieten, die potenziell mit der Entwaldung in Zusammenhang stehen. Dabei werden die Unternehmen in zwei Gruppen eingeteilt.

Die „Marktteilnehmer“ bilden alle Unternehmen, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen relevanten Rohstoff oder ein relevantes Erzeugnis erstmalig auf dem europäischen Binnenmarkt zum Verkauf bereitstellen oder aus der EU ausführen. Hierunter fallen die Importeure, Exporteure und Hersteller der relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse.

Ferner erfasst die EUDR die „Händler“, also alle Unternehmen, die als Wiederverkäufer relevanter Rohstoffe oder Erzeugnisse auf dem europäischen Binnenmarkt anbieten.

Welche Rohstoffe und Erzeugnisse sind betroffen?

Nach Art. 2 der EUDR fallen die folgenden Rohstoffe und Erzeugnisse in den sachlichen Geltungsbereich der Norm.

Als „relevante Rohstoffe“ gelten:

  • Rinder
  • Kakao
  • Kaffee
  • Ölpalmen
  • Kautschuk
  • Soja
  • Holz

Als „relevante Erzeugnisse“ gelten Erzeugnisse gemäß Anhang I der EUDR, die relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden. Beispiele hierfür bilden etwa Rinderfleisch, Kakaobutter, Palmnüsse und Palmkerne, Sojaöl sowie Bücher und Zeitungen als Holzprodukte.

Welche Pflichten treffen die betroffenen Unternehmen zukünftig?

Die EUDR enthält eine ganze Reihe neuer unternehmerischer Sorgfaltspflichten, um den Handel mit Rohstoffen und Erzeugnissen, die zu Entwaldung führen, zu verhindern. Hierzu haben die Unternehmen sicherzustellen, dass die von ihnen gehandelten relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse:

  • nicht mit Entwaldung im Zusammenhang stehen; und
  • gemäß den jeweils einschlägigen Gesetzen des Erzeugerlandes erzeugt wurden.

Zudem haben die Unternehmen eine entsprechende Sorgfaltserklärung abzugeben.

Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen lässt sich insbesondere in die folgenden drei Kernpflichten einteilen.

1) Innerbetriebliche Organisationspflichten

Die betroffenen Unternehmen haben ein Compliance-Management-System (CMS) in Bezug auf Risiken für Entwaldung zu etablieren. Dieses muss zunächst klare Ziele definieren, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Ferner muss die Compliance-Verantwortlichkeit klar zugeteilt sein. Hierzu ist grundsätzlich ein Compliance-Beauftragter auf Ebene der Geschäftsleitung zu benennen. Um eine effektive Kontrolle und Überwachung auf tatsächliche Einhaltung der Compliance-Vorgaben sicherzustellen, sind Kontrollmechanismen in Gestalt von regelmäßigen Audits und internen Kontrollen einzuführen. Zu einem CMS zählt zudem die Einrichtung ein durchgängiges Berichtssystem mit einer unabhängigen Prüfstelle, um Verstöße schnell und effektiv aufzudecken.

2) Informations- und Dokumentationspflichten

Grundlegende Bedeutung für eine effektive Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht der Unternehmen ist die Einholung und Dokumentation umfassender Informationen zu den relevanten Rohstoffen und Erzeugnissen. Zu diesen Informationen zählen insbesondere die geografischen Koordinaten der Anbauflächen, die Arbeitsweise der Erzeuger vor Ort und die eingesetzten Arbeitsmittel. Auf die Unternehmen kommt hier ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand zu. Schließlich werden die erforderlichen Informationen nur im Wege der Auskunft der Lieferanten zu erlangen und sodann hinreichend zu prüfen sein.

3) Risikoanalyse und -management

Auf Grundlage der so gewonnenen Informationen ist dann eine Risikoanalyse für die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse durchzuführen. Es ist unter Umständen für jeden Lieferanten einzeln zu ermitteln und zu bewerten, wie hoch das Risiko einzuschätzen ist, dass die Rohstoffe oder Erzeugnisse im Zusammenhang mit Entwaldung produziert wurden.

Die anschließende Risikobewertung bildet sodann den Ausganspunkt für die Etablierung eines Risikomanagements als Teil des CMS. Hierzu müssen die jeweils im Angesicht des ermittelten Risikos erforderlichen Risikominderungsmaßnahmen umgesetzt werden. Diese können insbesondere in vertraglichen Zusicherungen der Lieferanten, der Einholung weiterer Informationen oder externer Gutachten bestehen. Ergibt sich aus alledem kein oder ein nur minimales Risiko für Entwaldung im Zusammenhang mit den Rohstoffen und Erzeugnissen, dürfen diese gehandelt werden.

Welche Erleichterungen gibt es für kleiner und mittelständige Unternehmen?

Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) kann die Errichtung eines umfangreichen CMS eine finanzielle und zeitliche Mammutaufgabe bedeuten. Der europäische Gesetzgeber sieht daher eine Reihe von Erleichterungen für KMU vor. So gilt für sie keine Pflicht im Rahmen der Etablierung eines CMS einen Compliance-Beauftragten auf Ebene der Geschäftsleitung zu bestimmen. Eine weitere Erleichterung gilt für KMU, die auf Ebene der Folgeverwertung tätig sind. Wurden Rohstoffe und Erzeugnisse bereits von einem Unternehmen sorgfaltspflichtengemäß geprüft, dürfen sich KMU auf die entsprechende Sorgfaltserklärung vertrauen und müssen insoweit keine eigenen Sorgfaltspflichten ergreifen.

Als weitreichendste Erleichterung sieht die EUDR ein Entfallen der Pflicht zu einer Risikoanalyse und Risikobewertung für Rohstoffe und Erzeugnisse aus Ländern mit einem geringen Entwaldungsrisiko vor. Welche Länder hierunter fallen, richtet sich nach einer Einstufung durch die EU-Kommission. Eine solche existiert bislang noch nicht. Welche Länder bis zum Ablauf der (neuen) Übergangsfrist von dieser weitreichenden Ausnahme erfasst sein werden, bleibt abzuwarten.

Der Umsetzungszeitplan

Wann die Regelungen der EUDR für die Unternehmen verbindlich werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits davon, ob die erforderlichen Zustimmungen für eine Verlängerung der Übergangsfrist erteilt werden und andererseits, wie groß das betroffene Unternehmen ist.

Grundsätzlich endet der Übergangszeitraum für die Unternehmen am 30. Dezember 2024, bei Zustimmung zur Fristverlängerung am 30. Dezember 2025.

Für KMU, die bis zum Stichtag am 21. Dezember 2020 in der EU als Kleinstunternehmen bzw. kleines Unternehmen niedergelassen waren, endet die Frist am 30. Juni 2025, bei Zustandekommen der Fristverlängerung am 30. Juni 2026.

Eine Besonderheit gilt für Unternehmen aus der Holzindustrie. Für sie gilt derzeit noch die EU-Holzhandels-Verordnung. Obgleich sie von der EUDR abgelöst wird, gilt sie für vor dem 29. Juni 2023 erzeugten Holz bis zum 31. Dezember 2028 fort.

Fazit

Die EUDR stellt neue Anforderungen an die Compliance betroffener Unternehmen. Auch wenn mit der voraussichtlichen Fristverlängerung ein Jahr an Zeit gewonnen wird, sollten die erforderlichen Anpassungen des CMS zeitnah auf den Weg gebracht werden. Dies erscheint umso dringlicher vor dem Hintergrund, dass Pflichtverstöße mit Bußgeldern von bis zu 4 % des unionsweiten Umsatzes geahndet werden können. Eine Orientierung können die bereits zur Verfügung stehenden FAQs sowie Leitfäden der EU-Kommission geben. Gleichwohl verbleibt ein nicht unerheblicher Konkretisierungsbedarf. Hier kommt es für die Unternehmen insbesondere darauf an, dem Sinn und Zweck der EUDR gerecht zu werden und zu vertretbaren Lösungen zu gelangen. Frühzeitigen Rechtsrat einzuholen, bleibt also die Empfehlung.

Bei Fragen zur Lieferketten-Compliance oder insgesamt zum Thema „Environmental, Social & Governance (ESG)“ können Sie sich gerne unmittelbar an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Mit ihrer Weitsicht [beim Thema ESG] ist [MEYER-KÖRING] weiter als viele Wettbewerber.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/23)

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