Die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) kommt und hat spürbare Auswirkungen auf den deutschen Mittelstand!

Nach zähem Ringen im Gesetzgebungsverfahren stand die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) zeitweise sogar vor dem Aus. Nachdem sich das Europäische Parlament am 24. April 2024 auf einen Gesetzentwurf einigte, konnte die Richtlinie am 24. Mai 2024 durch den Rat der EU verabschiedet werden. Damit fand das über zwei Jahre andauernde Gesetzgebungsverfahren zu guter Letzt doch ein konstruktives Ende. Doch was steckt noch drinnen vom ursprünglichen Entwurf, der seinerzeit für Aufsehen und erheblichen Diskussionsbedarf sorgte?

Künftige Herausforderungen für den Mittelstand: Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bringt neue Compliance-Pflichten.
Künftige Herausforderungen für den Mittelstand: Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bringt neue Compliance-Pflichten. (credit:adobestock)

Welche Unternehmen sind unmittelbar betroffen?

Der Geltungsbereich der Richtlinie wird in Artikel 2 festgelegt. Danach sind zunächst alle Unternehmen mit Sitz in der EU erfasst, die in zwei Geschäftsjahren hintereinander die Schwellenwerte von 1.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von EUR 450.000.000 überschritten haben. Um ein „Level Playing Field“ (gleiche Wettbewerbsbedingungen) zu schaffen, gilt die Richtlinie auch für Unternehmen aus Drittstaaten, sofern diese die Umsatzschwelle von EUR 450.000.000 überschreiten. Ferner sind Franchiseunternehmen erfasst, die einen weltweiten Nettoumsatz von mindestens EUR 80 Mio. aufweisen, sofern mindestens EUR 22,5 Mio. aus Lizenzgebühren entstammen.

Dabei sieht die Richtlinie weiterhin einen gestaffelten Zeitrahmen für die Umsetzung vor. Nach drei Jahren sind zunächst Unternehmen erfasst, die mehr als 5.000 Mitarbeiter und einen weltweiten Jahresumsatz von mindestens EUR 1,5 Milliarden aufweisen. Nach vier Jahren reduzieren sich diese Schwellenwerte auf 3.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von EUR 900 Mio. Ein weiteres Jahr später im Jahr 2029 sind dann alle Unternehmen erfasst, die die oben genannten Schwellenwerte von 1.000 Mitarbeitern und einen weltweiten Nettoumsatz von EUR 450.000.000 überschreiten.

Welche Unternehmen können mittelbar betroffen sein?

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) fallen angesichts der hohen Schwellenwerte nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der Lieferkettenrichtlinie. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Lieferkettenrichtlinie für sie folgenlos bleibt. Für die unmittelbar erfassten Unternehmen hält die Lieferkettenrichtlinie Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Aktivitätskette bereit. Damit geht die Pflicht einher, ihre Zulieferer und Geschäftspartner auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltpflichten zu überprüfen. Auch bei nachgelagerten Tätigkeiten ergibt sich eine Pflicht zur Kontrolle des Vertriebs, Transports und der Lagerung, sofern diese im Auftrag des Unternehmens geschehen. Um ihre Kontroll- und Überwachungspflichten zu erfüllen, werden sich die unmittelbar erfassten Unternehmen die Einhaltung der lieferkettenrechtlichen Sorgfaltspflichten von ihren Vertragspartnern zusichern lassen. Auf diese Weise kommt es zur mittelbaren Erfassung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (sog. Vertragskaskade bzw. Trickle-Down-Effekt).

Offenbar hat der EU-Gesetzgeber die Problematik für kleine und mittelständische Unternehmen nunmehr erkannt und bemüht sich die negativen Auswirkungen zu begrenzen. Nach Art. 10 Abs. 2 lit. e) besteht eine Pflicht zur Leistung gezielter und angemessener Unterstützung für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen (KMU), das Geschäftspartner des Unternehmens ist. Diese Unterstützung kann in der Bereitstellung eines Zugangs zu Kapazitätsaufbau oder entsprechenden Schulungen liegen. Darüber hinaus kann auch eine Pflicht zur angemessenen finanziellen Unterstützung bestehen, sofern andernfalls die Tragfähigkeit des KMU infolge der neu übernommenen Zusicherungen gefährdet ist. Im Übrigen sieht Art. 10 Abs. 5 UAbs. 1 der Lieferkettenrichtlinie vor, dass die vertraglichen Zusicherungen eines KMU gegenüber dem Unternehmen fair, angemessen und diskriminierungsfrei sein müssen. Wie effektiv diese Schutzmechanismen in praxi tatsächlich sind, bleibt abzuwarten.

Welche Pflichten treffen die Unternehmen künftig?

Der Pflichtenkatalog der Lieferkettenrichtlinie lässt sich grob in Aufsichts-, Berichts- und Kontrollpflichten unterteilen. Im Einzelnen:

  • Bemühenspflicht im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes
    • Pflicht, Risiken zu identifizieren und abzumildern. Dabei können die Unternehmen die Reihenfolge, in der sie die erkannten Risiken angehen, nach ihrer Schwere und Wahrscheinlichkeit bestimmen. Es genügt ein angemessenes Bemühen, die negativen Auswirkungen zu unterbinden;
  • Etablierung eines Sorgfaltspflichtenprozesses
    • Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters für die Einführung und Beaufsichtigung der genannten Sorgfaltspflichten;
  • Überprüfungspflicht
    • Jährliche Überprüfung der etablierten direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen, die dauerhaft und ein bedeutender Teil der Wertschöpfungskette sind;
  • Berichtspflichten
    • Regelmäßiger Bericht über die Einhaltung und Umsetzung der Sorgfaltspflichten. Allerdings bestehen keine zusätzlichen Berichtspflichten für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes der Corporate Sustainability Reporting Richtlinie (CSRD) fallen. Die Berichtspflicht der Lieferkettenrichtlinie wird mit der Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts nach Vorgabe des CSRD-Umsetzungsgesetzes erfüllt;
  • Beachtung von Menschenrechts- und Umweltabkommen
    • Die Liste der zu beachtenden Abkommen wächst im Vergleich zum deutschen LKSG spürbar an;
  • Implementierung eines Meldemechanismus und Beschwerdeverfahrens
    • Direkt Betroffenen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen muss die Möglichkeit gegeben werden, eine Verletzung oder den Verdacht einer Verletzung einer Sorgfaltspflicht zu melden;
  • Erstellung eines Verhaltenskodex
  • Erstellung eines Klimaübergangsplans
    • Die Unternehmen müssen einen Plan festlegen und umsetzen, der sicherstellt, dass das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie mit dem 1,5 Grad Abkommen von Paris vereinbar sind;

Welche Sanktionen drohen den betroffenen Unternehmen?

Um Pflichtverletzungen effektiv aufzudecken, haben die Mitgliedstaaten eine nationale Aufsichtsbehörde zu benennen. Diese kann bei Verletzung der Lieferkettensorgfaltspflichten finanzielle Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes des betroffenen Unternehmens verhängen.

Droht darüber hinaus eine zivilrechtliche Haftung?

Neben den Sanktionen durch die staatliche Aufsichtsbehörde sieht die Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) zukünftig eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen für infolge einer schuldhaften Verletzung der Sorgfaltspflichten entstandene Schäden vor. Die Unternehmen haben allerdings die Möglichkeit, sich zu exkulpieren, sofern der Schaden ausschließlich von einem Geschäftspartner begangen wurde und das Unternehmen seinerseits die ihm obliegenden Kontroll- und Überwachungspflichten erfüllt hat. Schadensersatzklagen können durch den Geschädigten, Gewerkschaften und NGOs bis zu fünf Jahre nach Schadenseintritt erhoben werden. Auch wenn der Schaden in einem Drittstaat eingetreten ist, findet insoweit das nationale Recht des Mitgliedstaates Anwendung, in dem das betroffene Unternehmen seinen Sitz hat.

Wie geht es nun weiter?

Mit der Zustimmung des EUR-Rates ist das europäische Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 26. Juli 2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber wird hierzu das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) an den betreffenden Stellen überarbeiten. Insbesondere wird sich der deutsche Gesetzgeber mit der Implementierung einer zivilrechtlichen Haftung im LkSG beschäftigen müssen. Eine solche war dem deutschen Lieferkettenrecht bislang fremd. Für die unmittelbar und mittelbar betroffenen Unternehmen ergibt sich eine Reihe neuer bürokratischer und finanzieller Herausforderungen. Um den Vorwurf einer Pflichtverletzung zu vermeiden, empfiehlt es sich, bereits jetzt die erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Anpassungen vorzunehmen und entsprechenden Rechtsrat einzuholen.

Bei Fragen zur Lieferketten-Compliance oder insgesamt zum Thema „Environmental, Social & Governance (ESG)“ können Sie sich gerne unmittelbar an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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  • „Mit ihrer Weitsicht [beim Thema ESG] ist [MEYER-KÖRING] weiter als viele Wettbewerber.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/23)

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