Arbeitsverhältnisse enden bekanntlich mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Die neue gesetzliche Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI ermöglicht die befristete Verlängerung auch über das Rentenalter hinaus. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte jetzt zu entscheiden, ob Klauseln, die allgemein eine Beendigung schon mit Erreichen des 65. Lebensjahres vorsehen, wirksam sind. Darüber hinaus musste sich das Gericht mit der Frage befassen, ob die Ablehnung einer Verlängerungsvereinbarung nach § 41 Satz 3 BetrVG gegenüber Betriebsratsmitgliedern eine Benachteiligung darstellt bzw. eine Verlängerungsvereinbarung auch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden kann (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.6.2021 – 9 Sa 75/20).
Der Fall:
Der im Januar 1954 geborene Kläger ist seit August 1993 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 6.839,45 €.
Der Kläger wurde als Verkaufsleiter eingestellt, aber schon früh in den Betriebsrat gewählt. Später wurde er Betriebsratsvorsitzender und seit 2009 ist er freigestellt.
Im Arbeitsvertrag findet sich zur Beendigung wegen Erreichen der Regelaltersgrenze folgende Formulierung:
„Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf desjenigen Monats, in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder Sie das 65. Lebensjahr vollendet haben.“
Der Arbeitnehmer wurde im Januar 2019 65 Jahre alt. Das – stufenweise angehobene – gesetzliche Rentenalter für den Bezug einer Regelaltersrente erreicht er im September 2019 (für den Jahrgang des Klägers: 65 Jahre + 8 Monate). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger weder einen Rentenbescheid noch eine Rentenauszahlung erhalten; die gesetzliche Altersrente hat er beantragt.
Im Mai und nochmals im Juli 2019 hatte die Beklagte dem Kläger Aufhebungsverträge vorgelegt, die er aber nicht unterschrieben hat.
Mit Anwaltsschreiben teilte dann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer u.a. mit: „Das Arbeitsverhältnis zwischen meiner Mandantin und Herrn H. wird zum 30. September 2019 beendet.“
Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, die vertraglich vereinbarte Altersregelung verstoße gegen die AGB-Kontrolle, sie sei intransparent und unwirksam. Zudem habe er einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über sein Rentenalter hinaus. Er werde sonst als Betriebsratsmitglied benachteiligt und der Arbeitgeber habe auch mit anderen Mitarbeitern entsprechende Verlängerungsvereinbarungen nach § 41 Satz 3 SGB VI vereinbart.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Klage des Arbeitsgerichts bestätigt. Es bestehen keine Verlängerungsansprüche des Arbeitnehmers und die Altersklausel ist wirksam.
I. Auslegung Rentenklausel
Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist wirksam. Das Arbeitsverhältnis endete durch die Befristungsvereinbarung zum 30. September 2019. Unklarheiten, die eine Unwirksamkeit im Rahmen der AGB-Kontrolle begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Regelung eindeutig und daher auch nicht intransparent. Zwar endet das Arbeitsverhältnis nicht punktgenau mit Erreichen des 65. Lebensjahres, wie im Arbeitsvertrag vereinbart. Das dieser Zeitpunkt mittlerweile nicht mehr der Regelaltersgrenze entspricht, macht die Klausel aber nicht intransparent, sondern ist Folge einer späteren Gesetzesänderung zum stufenweise angehobenen Rentenalter.
Hinweis für die Praxis:
Die in alten Verträgen noch häufig zu findende Formulierung, dass Arbeitsverhältnisse mit Erreichen des 65. Lebensjahres enden, bleibt wirksam. Sie werden dann so ausgelegt, dass sie als auf den Zeitpunkt des stufenweise angehobenen Rentenalters gelten. Wichtig ist allerdings, dass sich in jedem Arbeitsvertrag überhaupt eine Rentenklausel befindet. Arbeitsverhältnisse enden nämlich nicht automatisch mit dem Rentenalter, sondern nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist!
II. Fortsetzungsanspruch?
Der Kläger hat sich zudem auf einen Fortsetzungsanspruch nach § 41 Satz 3 SGB VI berufen. Danach ist es zulässig, im Rahmen einer Vereinbarung auch über die Regelaltersrente hinaus eine befristete Verlängerung zu vereinbaren. Zur Begründung hat er zum einen auf sein Betriebsratsamt verwiesen und zum anderen darauf, dass der Arbeitgeber auch mit anderen Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen bereits geschlossen habe.
Das Landesarbeitsgericht hat jegliche Ansprüche klar abgelehnt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Anwendungsbereich des § 41 Satz 3 SGB VI keine Anwendung. Nach unserer Auffassung kann ein solcher Anspruch ohnehin nicht auf den Abschluss oder die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen gerichtet sein. Jedenfalls war die Verlängerung mit anderen Mitarbeitern im Unternehmen die Ausnahme.
Für eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit gab es ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte. Für eine solche (angebliche) Benachteiligung trägt allein das Betriebsratsmitglied die volle Darlegungs- und Beweislast. Allein aus der Tatsache, dass sich ein Arbeitnehmer auf die Rentenklausel im Arbeitsvertrag beruft, folgt aber (natürlich) keine Benachteiligung. Auch diesen Anspruch hat daher das LAG abgelehnt.
Fazit:
Rentenklauseln in alten Arbeitsverträgen bleiben selbst dann wirksam, wenn sie immer noch auf das 65. Lebensjahr formuliert sind. Der damit verfolgte Zweck ist eindeutig und daher auch nicht im Sinne der AGB-Kontrolle intransparent. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig ein freigestelltes Betriebsratsmitglied ist. Eine Verlängerungsvereinbarung im Rahmen von § 41 Satz 3 SGB IV ist freiwillig. Der Arbeitgeber entscheidet daher frei, mit wem er solche Vereinbarungen abschließen möchte. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nicht.
Autor: Nicolai Besgen
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