17.03.2025 -

BGH-Urteil: Ärztliche Aufklärung über Behandlungsrisiken muss mündlich erfolgen

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Patientenaufklärung über die Risiken eines medizinischen Eingriffs zwingend mündlich erfolgen ...
Patientenaufklärung: Reicht ein schriftlicher Aufklärungsbogen auf, oder muss die ärztliche Aufklärung auch mündlich erfolgen? Der BGH hat entschieden! (credits: adobestock)

Am 5. November 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) (Az.: VI ZR 188/23), dass Ärzte ihre Patienten über die Risiken eines medizinischen Eingriffs zwingend in einem persönlichen Patientengespräch aufklären müssen. Ein schriftlicher Aufklärungsbogen allein ist nicht ausreichend. Die Richter begründeten dies damit, dass nur ein persönliches Gespräch dem Arzt die Möglichkeit gibt, individuelle Fragen zu beantworten, Missverständnisse zu klären und auf mögliche Ängste des Patienten einzugehen.

Warum ist das Arzt-Patienten-Gespräch entscheidend?

Die mündliche ärztliche Aufklärung ist nicht nur eine rechtliche Pflicht, sondern auch eine essenzielle Voraussetzung für eine informierte Einwilligung des Patienten. Nur wenn der Patient die Chancen und Risiken eines Eingriffs wirklich verstanden hat, kann er eine selbstbestimmte Entscheidung treffen. Laut § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB muss die Aufklärung mündlich durch den behandelnden Arzt oder ggf. eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Ergänzend können schriftliche Informationen genutzt werden – aber nicht als Ersatz für das Gespräch.

Der Fall: Wann ist eine ärztliche Patientenaufklärung fehlerhaft?

Im konkreten Fall klagte ein Patient auf Schadensersatz, nachdem eine Arthroskopie nicht den gewünschten Erfolg brachte und er durch eine Nervschädigung schwerwiegende gesundheitliche Folgen erlitt.

  • Der Patient litt an Arthrose mit freien Gelenkkörpern.
  • Auf Empfehlung seines Arztes unterzog er sich einer Arthroskopie.
  • Während insgesamt zweier Eingriffe wurden insgesamt 31 Gelenkkörper entfernt.
  • Bereits nach der ersten Operation traten Missempfindungen im Fußrücken auf, die sich nach der zweiten Operation verstärkten.
  • Später stellte sich heraus, dass die Beschwerden durch eine intraoperative Nervschädigung verursacht wurden.

Der Patient argumentierte, dass er nicht ausreichend über Behandlungsrisiken, insbesondere das Risiko einer Nervschädigung, aufgeklärt worden sei. Zudem sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass der Eingriff nur eine relative Erfolgsaussicht habe.

Mündliche oder schriftliche Patientenaufklärung – Was zählt vor Gericht?

Obwohl zwischen dem Arzt und dem Patienten ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hatte, wurde zusätzlich ein schriftlicher Aufklärungsbogen unterzeichnet. Dieser enthielt unter „Risiken und mögliche Komplikationen“ auch den Hinweis auf eine mögliche Nervschädigung.

Das Problem:

  • Konnte der Arzt nachweisen, dass er das Risiko der Nervschädigung auch mündlich erläutert hatte? Das blieb im vorliegenden Fall zweifelhaft.
  • War dem Patienten bewusst, dass das Risiko tatsächlich bestand und welche Folgen eintreten könnten?

Der BGH entschied, dass eine wirksame Einwilligung nur vorliegt, wenn der Patient auch mündlich ausreichend informiert wurde.

Was müssen Ärzte bei der Patientenaufklärung beachten?

Nach der Rechtsprechung des BGH müssen Ärzte folgende Grundsätze einhalten:

  1. Persönliches Gespräch ist Pflicht – Eine reine schriftliche Aufklärung durch einen Aufklärungsbogen reicht nicht aus.
  2. Aufklärung über schwerwiegende Risiken – Auch seltene, aber gravierende Komplikationen müssen mündlich erläutert werden.
  3. Verständnissicherung – Der Arzt muss sicherstellen, dass der Patient die Risiken verstanden hat.
  4. Individuelle Rückfragen zulassen – Das Gespräch bietet Raum für Fragen, die ein Formular nicht beantworten kann.
  5. Dokumentation der Aufklärung – Um rechtlich abgesichert zu sein, sollten Ärzte das Gespräch detailliert dokumentieren.

Welche Konsequenzen hat das BGH-Urteil für Ärzte?

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und nachweisbaren Aufklärung. Ärzte, die sich im Streitfall ausschließlich auf einen unterschriebenen Aufklärungsbogen berufen, riskieren einen Prozessverlust.

Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, sollten Ärzte:

  • Die mündliche Aufklärung umfassend durchführen.
  • Die wichtigsten Risiken deutlich und verständlich erklären.
  • Das Gespräch schriftlich dokumentieren – idealerweise mit Datum, Uhrzeit und Stichpunkten zum Inhalt.

Fazit: Was sollten Ärzte jetzt tun?

Das BGH-Urteil schafft Klarheit: Eine schriftliche Patientenaufklärung reicht nicht aus. Wer sich nur auf einen Aufklärungsbogen verlässt, kann haftungsrechtliche Probleme bekommen.

Empfehlung für Ärzte:

  • Aufklärungsgespräche gewissenhaft führen und dokumentieren.
  • Kritische Risiken besonders betonen.
  •  Patienten aktiv in das Gespräch einbinden.

Damit wird sichergestellt, dass die Patienten eine informierte Entscheidung treffen – und Ärzte sich rechtlich absichern.


Autor: Wolf Constantin Bartha

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