11.07.2024 -
Die Errichtung einer Familienstiftung gewinnt insbesondere im Rahmen der Nachfolgeplanung zunehmend an Bedeutung.
Für die Erstausstattung einer Familienstiftungen ist relevant, wer alles als „entferntest Berechtigter“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gilt (credits: adobestock).

Was ist der Hintergrund?

Die Errichtung einer Familienstiftung gewinnt insbesondere im Rahmen der Nachfolgeplanung zunehmend an Bedeutung. Eine Familienstiftung bietet zahlreiche Gestaltungsoptionen und kann als effektives Mittel zur langfristigen Vermögenssicherung im Interesse einer oder mehrerer Familien über mehrere Generationen hinweg dienen. Bei der Errichtung einer Familienstiftung müssen aber stets die steuerlichen Folgen, unter anderem die der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer, im Blick behalten werden.

Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer

Bereits die Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung anlässlich ihrer Errichtung (sog. Erstausstattung) unterliegt dem Grunde nach der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Inwiefern es tatsächlich zu einer Besteuerung der Erstausstattung kommt, hängt aber unter anderem von dem begünstigten Personenkreis und der anzuwendenden Steuerklasse ab. Diese sind maßgebend für den Freibetrag und den Steuersatz.

Die Erstausstattung einer Familienstiftung unterliegt dabei dem sog. Steuerklassenprivileg nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Ohne diese Vorschrift wäre stets auf die erwerbende Familienstiftung als Begünstigte anzustellen. Dies hätte zur Folge, dass stets die ungünstige Steuerklasse III zur Anwendung käme und somit lediglich ein Freibetrag von 20.000 Euro bei einem Eingangssteuersatz von 30 % zur Verfügung stünde. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist der Besteuerung der Erstausstattung jedoch das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde „entferntest Berechtigten“ zu dem Erblasser bzw. Schenker zugrunde zu legen.

Aber wer sind im Einzelfall die „entferntest Berechtigten“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG? Sind dies ausschließlich begünstigte Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung bereits gelebt haben oder können dies auch noch nicht geborene Personen sein, die zukünftig (potentiell) Vorteile aus der Familienstiftung erlangen können? Mit dieser Frage hat sich nun der BFH in seinem Urteil vom 28. Februar 2024, II R 25/21 auseinandergesetzt und insoweit Klarheit geschaffen. Die Auslegung des Begriffs des „entferntest Berechtigten“ i. S. d. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG war zentraler Punkt dieser Entscheidung.

Der Fall – Wer sind die „entferntest Berechtigten“ einer Familienstiftung?

Die Klägerin gründete zusammen mit ihrem Ehemann eine Familienstiftung. Nach Maßgabe des Stiftungsgeschäfts stattete das Stifter-Ehepaar diese mit entsprechendem Vermögen aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Stifter-Ehepaar eine Tochter. Enkelkinder waren noch nicht geboren. In der Stiftungssatzung wurde folgender Zweck der Familienstiftung geregelt:

  1. Die angemessene Versorgung der beiden Stifter;
  2. die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter;
  3. die angemessene finanzielle Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes der Stifter, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation.

Das Finanzamt sah für Zweck der Schenkungssteuer hinsichtlich der Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung als entferntest Berechtigten die in der Stiftungssatzung angeführten „weiteren Abkömmlinge“ an. Es stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass nach dem Stiftungszweck später auch Enkel und Urenkel des Stifter-Ehepaars begünstigt sein könnten, auch wenn diese bei Errichtung der Familienstiftung noch nicht geboren sind. Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen des Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG daher nur den für Urenkel (Steuerklasse I) geltenden Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro (§§ 15 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).

Gegen diese Einordnung wandte sich das Stifter-Ehepaar mit Einspruch und Klage. Sie vertraten dabei die Auffassung, dass das Finanzamt den entferntest Berechtigten unzutreffend bestimmt habe. Für Zwecke der Schenkungssteuer müsse berücksichtigt werden, dass es nur die Tochter gebe. Eine Berücksichtigung noch nicht geborener (Ur-)Enkel sei unzulässig. Diese seien nach der Stiftungssatzung zwar potentiell begünstigt, aber erst nach dem Tod der Tochter bezugsberechtigt. Bei der Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung sei ausschließlich das Verwandtschaftsverhältnis zu der lebenden Tochter maßgebend. Es gelte somit der Freibetrag für Kinder in Höhe von 400.000 Euro (§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).   

Das FG Niedersachsen folgte der Argumentation des Finanzamts und wies die Klage ab.

Die Entscheidung des BFH:

Mit seinem Urteil vom 28. Februar 2024 bestätigte der BFH das erstinstanzliche Urteil des FG Niedersachsen.

Potentielle Begünstigung durch die Familienstiftung genügt

  • Der „Berechtigte“ i. S. d. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG entspricht dem „potentiell Begünstigten“, der durch den Erwerb von Vermögensvorteilen aus der Stiftung begünstigt sein kann.
  • Eine Unterscheidung dahingehend, dass mit dem Begriff des „Berechtigten“ nur der sofort Bezugsberechtigte gemeint ist und sich dieser vom Begünstigten, der erst später anspruchsberechtigt sein soll, unterscheidet, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
  • „Entferntest Berechtigter“ ist stets derjenige Berechtigte, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wäre die Zuwendung direkt vom Stifter an diesen erfolgt.
  • Im konkreten Fall sind somit die möglichen Urenkel die „entferntest Berechtigten“ der Familienstiftung und nicht die lebende Tochter.
  • Für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ ist es insofern unerheblich, dass eine Urenkelgeneration bei Errichtung der Familienstiftung noch nicht geboren ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob mögliche Urenkel tatsächlich jemals finanzielle Unterstützung aus der Familienstiftung erhalten werden.

Gestaltung der Stiftungssatzung maßgeblich

Zugleich betonte der BFH die Maßgeblichkeit der Stiftungssatzung für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“. Dies ordne das Gesetz in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG explizit an. Die Stifter haben es durch Ausgestaltung der Stiftungssatzung selbst in der Hand, die potentiell Begünstigten zu bestimmen und dabei einen Personenkreis mit einem höheren Freibetrag zu berücksichtigen.

Fazit und Empfehlung:

Mit seinem Urteil vom 28. Februar 2024, II R 25/21 schafft der BFH nun Klarheit über die Auslegung des Begriffs des „entferntest Berechtigten“ im Kontext des für die Erstausstattung von Familienstiftungen geltenden Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Eine potentielle Begünstigung reicht aus. Dies gilt auch, wenn der (potentiell) Begünstigte im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung noch nicht geboren ist.

Zugleich unterstreicht die Entscheidung die zentrale Bedeutung der Stiftungssatzung. Sie zeigt deutlich auf, dass bei der Errichtung von (Familien-)Stiftungen besondere Sorgfalt bei der Gestaltung und Formulierung der Satzung geboten ist. Um unliebsame (steuerliche) Überraschungen zu vermeiden, sollte insbesondere auf unklare Formulierungen verzichtet werden. Die konkrete Ausgestaltung der Stiftungssatzung sollte daher von vornherein präzise geplant werden. Hierbei unterstützen wir Sie gerne!


Autor: Christian Hartmann

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2023)

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