
1. Einleitung
Das am 03.04.2024 online veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.11.2024 (Az. X R 26/22) hat eine ungünstige Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Umwandlungsvorgängen getroffen. Besonders brisant: Der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kann eine steuerschädliche „Veräußerung“ im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG darstellen – mit weitreichenden steuerlichen Folgen für Einbringende (sog. Einbringungsgewinn II). Die Entscheidung verdeutlicht, wie der Gesetzgeber und die Rechtsprechung missbrauchsvermeidende Steuerregeln auch auf wirtschaftlich nicht intendierte Gestaltungen anwenden.
2. Der Streitfall: Formwechsel als Auslöser der Steuerpflicht
Im konkreten Fall wurde ein qualifizierter Anteilstausch vorgenommen: Zwei natürliche Personen A und B übertrugen ihre Anteile an der XAGmbH in die XGmbH und erhielten dafür neue Anteile an der XGmbH – steuerneutral zum Buchwert. Kurz danach wurde die XAGmbH in eine Personengesellschaft (XAKG) formgewechselt.
Das Finanzamt sah darin eine „Veräußerung“ der eingebrachten Anteile und stellte einen Einbringungsgewinn II in Höhe von 2.383.517 € (gegen A) und 48.643 € (gegen B) fest. Die Klägerin hielt dies für rechtswidrig und verwies auf fehlenden Missbrauch, wirtschaftliche Neutralität und die Möglichkeit alternativer Gestaltungen.
3. Vorab: Begriffserläuterungen zum besseren Verständnis
a. Qualifizierter Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwStG)
Ein qualifizierter Anteilstausch liegt vor, wenn
- Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft in diese übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht werden (Anteilstausch) und
- die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung auf Grund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat (qualifizierter Anteilstausch)
Steuerlich kann dieser Vorgang auf Antrag zum Buchwert erfolgen, was zunächst keine Versteuerung der stillen Reserven auslöst.
b. Einbringungsgewinn II (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG)
Einbringungsgewinn II entsteht, wenn eine übernehmende Kapitalgesellschaft Anteile im Rahmen eines sogenannten qualifizierten Anteilstausches zu Buchwerten erhält und diese innerhalb von sieben Jahren (der Sperrfrist) wieder „veräußert“. Dabei versteht das Gesetz unter Veräußerung nicht nur den klassischen Verkauf – auch bestimmte Umwandlungen wie Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechsel können darunterfallen.
Der Gewinn, der bei der Einbringung zunächst nicht versteuert wurde, muss dann rückwirkend versteuert werden (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).
Achtung: Der Gewinn muss dann von den ursprünglichen Einbringenden A und B versteuert werden, auch wenn diese selbst nicht veräußert haben.
Zweck: Mit § 22 Abs. 2 UmwStG will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die im Zeitpunkt des Anteilstauschs in den eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen ruhenden stillen Reserven, bei einer binnen sieben Jahren erfolgten Veräußerung durch die übernehmende Gesellschaft der Besteuerung unterliegen.
4. Die Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts Münster – der Formwechsel stelle eine Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG dar.
a. Weit gefasster Veräußerungsbegriff
Die Umwandlung sei steuerlich als tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel zu werten. Die übernehmende Gesellschaft tauscht ihre Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen eine Beteiligung an einer Personengesellschaft – dies sei einer Veräußerung gleichzustellen.
Der zivilrechtlich identitätswahrende Charakter des Formwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) stehe dem nicht entgegen, da der ertragsteuerrechtliche Begriff der Veräußerung in ständiger BFH-Rechtsprechung umwandlungssteuerspezifisch zu verstehen sei.
b. Steuerschädlicher Statuswechsel
Die eingebrachten Anteile nach dem Formwechsel weder formell noch hinsichtlich der möglichen Steuerbelastung in den steuerlichen Status zurückgefallen, in dem sie sich vor dem Anteilstausch befunden hatten.
Würde die X GmbH ihre Anteile an der XA KG veräußern, wäre dies bei einem Körperschaftsteuersatz von 15 % immer noch deutlich günstiger als es vor dem Anteilstausch die Veräußerung von Anteilen an der früheren XA GmbH durch A und B gewesen wäre. Bei A und B hätte 60 % des Veräußerungsgewinns dem progressiven Einkommensteuertarif (evtl. Spitzensteuersatz) unterlegen.
c. Keine teleologische Reduktion
Die Klägerin wollte eine Einschränkung der Norm aufgrund des wirtschaftlich neutralen Verlaufs erreichen. Der BFH lehnte dies ab: Der Gesetzgeber habe sich bewusst für eine typisierende Sperrfristregel entschieden – eine abweichende Betrachtung im Einzelfall widerspreche dieser Systematik.
d. Keine Anwendung der EU-Fusionsrichtlinie
Die Klägerin berief sich auf die EU-Fusionsrichtlinie (2009/133/EG), wonach steuerneutrale Umwandlungen möglich seien, wenn sie wirtschaftlich motiviert sind. Der BFH stellte klar: Diese Richtlinie gilt nur bei grenzüberschreitenden Fällen. Im rein innerstaatlichen Kontext – wie hier – sei sie nicht anwendbar.
5. Fazit, Hinweis für die Praxis, Vermeidungsstrategie
Beratungshinweis: Bei geplanten Umstrukturierungen nach § 21 UmwStG ist eine sorgfältige Sperrfristplanung essenziell. Der Formwechsel – bislang häufig als neutral betrachteter Schritt – kann ungewollt zur rückwirkenden Versteuerung führen.
Viele steuerliche Umwandlungsvorgänge (z. B. nach dem UmwStG) sind buchwertfähig, aber rückwirkend steuerpflichtig, wenn bestimmte Voraussetzungen (z. B. Haltefristen) nicht eingehalten werden. Der Steuerpflichtige wiegt sich in Sicherheit, erhält aber später unerwartet einen Steuerbescheid.
Als besonders fatal beim Einbringungsgewinn II nach Formwechsel erweist sich der Effekt des „dry income“ („steuerpflichtiger Gewinn ohne Liquiditätszufluss“).
- Es entsteht eine Steuerlast, ohne dass dem Steuerpflichtigen Geld zugeflossen ist.
- In extremen Fällen – z. B. bei hohen Buchgewinnen ohne Einnahmen – kann der Steuerpflichtige in eine Zahlungsunfähigkeit geraten, obwohl der Betrieb bilanziell gesund erscheint.
- Obwohl der Steuerpflichtige faktisch belastet ist, sind Billigkeitsmaßnahmen (z. B. nach § 163 AO) nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Das BMF und die Finanzgerichte setzen hohe Hürden:
Mögliche Strategien zur Vermeidung
- Gestaltungsberatung im Vorfeld, vor allem bei Umwandlungen, Anteilsübertragungen, Funktionsverlagerungen.
- Prüfung von Fristen, Sperren und Verstrickungen.
- Rücklagenbildung für mögliche Steuerzahlungen bei „buchhalterisch getriggerten“ Gewinnen.
- Sorgfältige Dokumentation zur Vermeidung späterer Streitigkeiten mit dem Finanzamt.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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