29.05.2024 -
Betriebsübergang: § 613a BGB gilt nur für Arbeitsverhältnisse. Geschäftsführer werden deshalb regelmäßig von einem Betriebsübergang nicht erfasst. In einer bestimmten Fallgestaltung hat das BAG nun anders entschieden.
Der Betriebsübergang erfasst regelmäßig nicht die Geschäftsführer. Wie die neue BAG Entscheidung zeigt, kann jedoch auch anderes gelten (credits: adobestock).

Die Vorschrift des § 613a BGB gilt nur für Arbeitsverhältnisse. Geschäftsführer werden deshalb regelmäßig von einem Betriebsübergang nicht erfasst. Das Bundesarbeitsgericht hat dies nun aber in einem aktuellen Urteil anders entschieden (BAG v. 20.7.2023, 6 AZR 228/22). Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung. Einerseits bestätigt sie zwar die bestehende Rechtsprechung, andererseits wird aber die Rechtsprechung um wichtige Aspekte ergänzt und fortgeführt. Die Entscheidung macht deutlich, dass bei Geschäftsführern viele Fallstricke im Rahmen eines Betriebsübergangs beachtet werden müssen.

Der Fall (verkürzt):

Der Kläger war bereits seit dem 1. September 2000 bei dem später in Insolvenz gegangenen Unternehmen zunächst als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Im Dezember 2013 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Ein Geschäftsführerdienstvertrag wurde weder schriftlich noch mündlich geschlossen.

Im Dezember 2017 vereinbarte man eine „Änderung zum Arbeitsvertrag“.

Im Oktober 2019 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Die wesentlichen Betriebsmittel und auch die Geschäfte wurden dann von dem Insolvenzverwalter an ein anderes Unternehmen veräußert.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2020 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das endgültige Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte noch am gleichen Tag das Arbeitsverhältnis des Klägers „sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis“ zum 30. April 2020. Dieses Schreiben ging dem Kläger am Vormittag des 16. Januar 2020 zu.

Ebenfalls am 16. Januar 2020 erklärte der Kläger in einer an den Insolvenzverwalter adressierten und um 14.56 Uhr gesendeten E-Mail, dass er das Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederlege.

Mit seiner am 5. Februar 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er die Unwirksamkeit der Kündigung u.a. nach § 613a Abs. 4 BGB (wegen Betriebsübergangs) und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber geltend gemacht.

Er hat sich mit seiner Klage vor allem darauf gestützt, der Betriebserwerber habe einen wesentlichen Teil der Belegschaft übernommen und dann später auch den Geschäftsbetrieb fortgeführt. Zudem sei seine Kündigung sozial ungerechtfertigt, da das Kündigungsschutzgesetz auf ihn Anwendung finde. Mit seiner Niederlegung habe er erreicht, dass die Fiktionswirkung des speziellen § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht mehr eingreife.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Klage vollständig abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Allerdings konnte das Bundesarbeitsgericht noch nicht abschließend entscheiden. Vielmehr wurde der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung und Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, insbesondere um dort klären zu lassen, ob die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang vorgelegen haben.

I. Organschaftliche Stellung schließt Kündigungsschutz aus!

Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG stellt klar, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes in Betrieben einer juristischen Person nicht auf die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, Anwendung finden. Der Kläger war organschaftlich bestellter Geschäftsführer. Daher musste geklärt werden, ob er zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung diese organschaftliche Stellung noch inne hatte. Der Kläger hatte sich insoweit darauf berufen, mit seiner Niederlegung habe er die Anwendung dieser speziellen Ausnahmevorschrift verhindert.

Dem hat das Bundesarbeitsgericht widersprochen. Zwar ist es richtig, dass die Amtsniederlegung als formfreie, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung jederzeit und fristlos erfolgen kann. Auf die Eintragung in das Handelsregister, die regelmäßig deutlich später umgesetzt wird, kommt es nicht an. Diese Eintragung ist ebenso wie im Fall der Abberufung nur deklaratorisch. Vorliegt hatte aber der Insolvenzverwalter am Vormittag des 16. Januar 2020 die Kündigung nachweisbar zugestellt. Der Kläger hatte aber seine Niederlegung erst am selben Tag nachmittags durch E-Mail erklärt. Damit war er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Geschäftsführer und im Amt.

II. Arbeitsvertrag oder Dienstvertrag?

Für die rechtliche Beurteilung eines Vertrages mit einem Geschäftsführer gilt der sehr strikt angewandte sogenannte Trennungsgrundsatz (vgl. § 38 Abs. 1 GmbHG). Organ- und Anstellungsverhältnis sind in ihrem Bestand unabhängig voneinander zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien ausdrücklich einen Arbeitsvertrag vor der Bestellung vereinbart und diesen auch nach der Bestellung zum Geschäftsführer fortgeführt. Damit lag ein anderer Fall vor, wie er üblicherweise zwischen der Gesellschaft und einem Geschäftsführer streitig wird, nämlich der umgekehrte Fall, wonach zwar formal ein Dienstvertrag vereinbart wird, der Geschäftsführer aber meint, tatsächlich liege ein Arbeitsverhältnis vor. Hier war ein Arbeitsverhältnis vereinbart. Damit ist der Vertrag auch als solcher nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eindeutig einzuordnen.

Hinweis für die Praxis:

Die oben dargestellte Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG steht dem nicht entgegen. Die Parteien können einen Arbeitsvertrag tatsächlich vereinbaren. Dennoch findet dann das Kündigungsschutz wegen der Organstellung keine Anwendung. Vorliegend gab es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien etwas anderes gewollt hätten.

III. Betriebsübergang und Kündigungsverbot

Das Bundesarbeitsgericht hat dann schließlich klargestellt, dass für die Anwendung des § 613a BGB der nationale Arbeitnehmerbegriff maßgeblich ist. Wenn die Parteien aber, wie vorliegend, einen Arbeitsvertrag vereinbart haben, unterfällt der Geschäftsführer dann mit diesem Arbeitsvertrag der Betriebsübergangsrichtlinie und somit der Vorschrift des § 613a BGB. Dies stellt auch keinen Widerspruch zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG dar, wie das Bundesarbeitsgericht betont. Denn der Arbeitsvertrag mit einem Geschäftsführer soll ausdrücklich nach der gesetzlichen Anordnung nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Dies schließt aber nicht aus, dass der Geschäftsführer dann unter andere Schutzvorschriften, eben § 613a BGB, fällt.

Hinweis für die Praxis:

Damit geht der Arbeitsvertrag in dieser Konstellation im Rahmen eines Betriebsübergangs auf den Betriebserwerber über. Die Vorschrift des § 613a BGB regelt aber nur die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis. Die Organstellung selbst geht also im Fall des Betriebsübergangs nicht mit über. Der Geschäftsführer hat daher im Falle eines Betriebsübergangs nach dem Trennungsprinzip keinen Anspruch beim Erwerber zum Organ bestellt zu werden.

Fazit:

Ein Arbeitsvertrag, ist er mit einem Geschäftsführer vereinbart, geht im Rahmen eines Betriebsübergangs auf den Betriebserwerber über. Die Organstellung geht hingegen nicht mit über. Maßgeblich ist also stets die Prüfungsfrage, ob ein Betriebsübergang vorliegt und ob tatsächlich ein Arbeitsvertrag vereinbart war. Werden die letzten beiden Punkte bejaht, geht auch der Vertrag eines Geschäftsführers im Wege des Betriebsübergangs auf einen Betriebserwerber über. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass bei Vereinbarungen mit Fremdgeschäftsführern sehr viele Punkte genau zu beachten sind, um die Anwendung des Arbeitsrechts zu vermeiden.  


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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