10.03.2025 -
Der BFH hat am 14.01.2025 klargestellt, dass das Finanzamt den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht mit dem Argument verweigern kann, dass damit ein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden sei.
DSGVO: BFH stärkt Rechte betroffener Personen – hoher Verwaltungsaufwand in der Regel nicht ausreichend, um ein Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO abzulehnen (credits: adobestock).

Kein Recht zur Verweigerung einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO wegen unverhältnismäßigen Aufwands (BFH-Urteil vom 14.01.2025 – IX R 25/22)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14.01.2025 (Az. IX R 25/22) klargestellt, dass das Finanzamt den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht mit dem Argument eines unverhältnismäßigen Aufwands verweigern kann. Die Entscheidung konkretisiert Inhalt und Reichweite des Auskunftsanspruchs, unter welchen Umständen ein Auskunftsersuchen als exzessiv eingestuft werden kann und wann eine Einschränkung der Informationspflicht zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger, Vorstand einer Aktiengesellschaft und Beteiligter an einer atypisch stillen Gesellschaft, begehrte umfassende Auskunft über alle von der Finanzverwaltung gespeicherten personenbezogenen Daten („die Überlassung von Ablichtungen aller gespeicherten Informationen der AG“). Nachdem das Finanzamt zunächst verschiedene Übersichten (Grunddaten, Bescheiddaten, eDaten) übermittelte, rügte der Kläger, dass dies nicht den vollständigen Umfang der nach Art. 15 DSGVO geschuldeten Auskunft abdecke. Das Finanzamt bot eine Akteneinsicht vor Ort an, verweigerte jedoch die Übersendung der Akte.

Die Klageanträge des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren verdienen eine exakte Wiedergabe:

Der Kläger beantragte im erstinstanzlichen Verfahren, das Finanzamt zu verurteilen, ihm Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) zu geben:

  • „die Verarbeitungszwecke;
  • die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
  • die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
  • falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
  • das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
  • das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
  • das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.“

Weiter beantragte der Kläger vor dem Finanzgericht, das Finanzamt zu verurteilen, ihm eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Folgende Informationen wurden vom Kläger ausdrücklich von dem Auskunftsverlangen ausgenommen:
  • „die dem Kläger aus einem Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Kläger persönlich sowie aus Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und einem der Steuerberater, Rechtsanwälte oder einer entsprechenden Berufsassoziierung zusammengefunden haben;
  • die nur deshalb bei dem Beklagten gespeichert sind, weil diese aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsverpflichtung nicht gelöscht werden dürfen; hiervon sind jedoch die Daten ausgenommen, die zu einer Festsetzung eines noch nicht festsetzungsverjährten Zeitraumes relevant sind;
  • die sachlich den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO unterfallen;
  • die bereits mit der Übersendung in dem Schriftsatz vom 21.07.2021, also Grunddatenübersicht, Bescheiddatenübersicht, e-Datenübersicht, erteilt worden sind;
  • die Steuerbescheide, die den Kläger persönlich betreffen;
  • die Steuerbescheide, die die Gesellschaft(en) betreffen, die der Kläger persönlich vertritt.“

Seine Klage wurde vom Finanzgericht Thüringen abgewiesen. Das Finanzgericht argumentierte, dass das Auskunftsverlangen exzessiv sei und zudem mit unverhältnismäßigem Aufwand für die Finanzbehörde verbunden wäre.

Der Kläger legte daraufhin Revision beim BFH ein und berief sich auf sein umfassendes Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO.

Entscheidung des BFH

Der BFH hob die Entscheidung des Finanzgerichts auf und stellte klar:

1. Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

  • Dem Kläger steht dem Grunde nach ein umfassendes Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO zu.
  • Das FA verarbeitet personenbezogene Daten des Klägers und ist daher als Verantwortlicher gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO zur Auskunft verpflichtet.
  • Der Anspruch umfasst sowohl die Bereitstellung von Informationen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO als auch die Zurverfügungstellung einer Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO.
  • Für die Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten bedarf es keiner Begründung.

2. Kein Einwand des unverhältnismäßigen Aufwands

  • Art. 15 DSGVO sieht keine generelle Ausnahme für den Fall eines hohen administrativen Aufwands vor.
  • Der BFH stellt klar, dass der in Art. 14 Abs. 5 Buchst. b Alternative 2 DSGVO geregelte Einwand des unverhältnismäßigen Aufwands nicht auf das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO übertragbar ist.
  • Eine Verweigerung der Auskunft ist nur unter den in Art. 12 Abs. 5 DSGVO genannten Bedingungen möglich. Der Einwand unverhältnismäßigen Aufwands ist hierin nicht geregelt.
  • Auch Erwägungsgrund 63 DSGVO, wonach der Verantwortliche eine Präzisierung der gewünschten Informationen verlangen kann, begründet kein generelles Verweigerungsrecht.

3. Wann gilt ein Auskunftsbegehren als exzessiv?

  • Ein Antrag kann nur dann als exzessiv abgelehnt werden, wenn ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch vorliegt.
  • Eine häufige Wiederholung von Anträgen oder deren offenkundig unbegründeter Charakter kann eine Ablehnung rechtfertigen (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b DSGVO).
  • Nicht exzessiv ist ein Antrag allein deshalb, weil keine zeitliche oder sachliche Einschränkung erfolgt. Ein umfassendes Begehren ist grundsätzlich zulässig.
  • Auch die Motivation des Antragstellers ist unerheblich. Selbst wenn der Antragsteller andere als datenschutzbezogene Zwecke verfolgt, begründet dies kein Recht zur Ablehnung.

4. Recht auf Kopie der personenbezogenen Daten (Art. 15 Abs. 3 DSGVO)

  • Die betroffene Person hat Anspruch auf eine vollständige Kopie der personenbezogenen Daten, nicht jedoch auf eine vollständige Akteneinsicht.
  • Der Begriff „Kopie“ bezieht sich nicht auf Originaldokumente, sondern auf die darin enthaltenen personenbezogenen Daten.
  • Eine bloße Akteneinsicht ersetzt die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung einer Kopie nicht.
  • Nur in besonderen Ausnahmefällen besteht ein Anspruch, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken zur Verfügung gestellt zu erhalten.

5. Erfüllung des Auskunftsanspruchs, Vollständigkeitserklärung

  • Das Finanzamt kann sich nur dann auf die Erfüllung des Anspruchs berufen, wenn es konkludent oder ausdrücklich erklärt, dass die erteilte Auskunft vollständig ist („Erfüllungswirkung der Vollständigkeitserklärung“).
  • Ist dies nicht der Fall oder bestehen begründete Zweifel an der Vollständigkeit, kann der Antragsteller eine erneute oder ergänzende Auskunft verlangen.

6. Kein Schadensersatzanspruch im Revisionsverfahren

  • Der BFH wies den erstmals im Revisionsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 450 € wegen der Akteneinsicht als unzulässig zurück.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Das Urteil des BFH ist von erheblicher praktischer Relevanz für Unternehmen, Behörden und Datenschutzverantwortliche. Es stellt klar:

  • Ein unverhältnismäßiger Aufwand entbindet nicht von der Auskunftspflicht. Verantwortliche müssen dem Auskunftsrecht auch dann nachkommen, wenn die Zusammenstellung der Daten aufwendig ist.
  • Ein Antrag ist nicht allein deshalb exzessiv, weil er nicht auf bestimmte Zeiträume oder Datenkategorien beschränkt ist. Eine Ablehnung setzt den Nachweis eines Rechtsmissbrauchs voraus.
  • Eine Akteneinsicht ersetzt nicht das Recht auf Kopien. Betroffene haben das Recht auf eine vollständige Kopie ihrer personenbezogenen Daten.

Fazit

Das Urteil des BFH stärkt die Rechte betroffener Personen erheblich. Verantwortliche sollten sich darauf einstellen, dass der Einwand eines hohen Verwaltungsaufwands in der Regel nicht ausreicht, um ein Auskunftsverlangen abzulehnen.

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Autor: RA & StB Andreas Jahn

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