Jeder Arbeitgeber muss einem gewählten Betriebsrat die ordnungsgemäße Amtsausübung ermöglichen. Dazu gehört auch die Gewährung des jederzeitigen Zugangs zum Betrieb. Wie verhält es sich aber bei schweren Verstößen von Betriebsratsmitgliedern mit diesem Zugangsrecht? Darf der Arbeitgeber ein Hausverbot erteilen, um das Zugangsrecht auszuschließen? Das Hessische Landesarbeitsgericht hat ein solches Hausverbot grundsätzlich verneint (Hessisches Landesarbeitsgericht v. 28.8.2023). Das Gericht begründet sehr dezidiert die Anforderungen an ein Hausverbot bzw. dessen grundsätzliche Unzulässigkeit und soll daher hier vorgestellt werden.
Der Fall:
Der Arbeitgeber betreibt Luftfahrt-Catering am Frankfurter Flughafen. Es besteht ein Betriebsrat.
Am 6.4.2023 (Gründonnerstag) fand um 9.00 Uhr eine Betriebsratssitzung statt. Während der Betriebsratssitzung schrieb der „Head of HR“, Herr A., an den Betriebsratsvorsitzenden eine E-Mail, wonach die Personalabteilung an diesem Tag nur bis 13.00 Uhr im Hause erreichbar sei.
Um 14.30 Uhr versuchte ein Betriebsratsmitglied Unterlagen aus der Betriebsratssitzung bei einem Sachbearbeiter in der Personalabteilung abzugeben, der die Annahme verweigerte, ebenso wie im Anschluss eine Teamleiterin aus der Abteilung HR Administration. Sodann ging der Betriebsratsvorsitzende zum Betriebsleiter. Auch dieser verwies auf die E-Mail des Herrn A. vom gleichen Tag und weiter auch darauf, dass er nicht zuständig sei, die Unterlagen des Betriebsrats mit einem Eingangstempel zu versehen.
Daraufhin nahm der Betriebsratsvorsitzende im Vorzimmer der Betriebsleitung selbst den Eingangsstempel und versah unter dem Datum 6.4.2023 damit die Unterlagen des Betriebsrats, die er unter einer Türe durchschob.
Der Arbeitgeber erstattete daraufhin Strafanzeige gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden und sprach ein Hausverbot aus. Ferner leitete der Arbeitgeber ein Verfahren auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ein.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren hat der Betriebsratsvorsitzende sein fortbestehendes Zutrittsrecht zum Betrieb geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfange bestätigt.
I. Eilbedürftigkeit
Im einstweiligen Rechtsschutz müssen die Antragsteller, hier der Betriebsratsvorsitzende, immer auch neben einem Anspruch (dazu sogleich) die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit darlegen. Diese Eilbedürftigkeit hat das Landesarbeitsgericht bejaht. Ein Betriebsratsvorsitzender muss zur Wahrnehmung seines Amtes jederzeitigen Zugang zum Betrieb haben. Würde man hier ein ordnungsgemäßes Verfahren (Hauptsacheverfahren) abwarten, würde ihm faktisch durch ein Hausverbot die Amtsausübung vorübergehend verwehrt. Zudem würde die Betriebsratstätigkeit insgesamt beeinträchtigt, wenn ein Mitglied sein Amt nicht mehr ausüben könne. Die Entscheidung sei daher eilbedürftig.
II. Zutrittsanspruch trotz Hausverbot?
Die wichtige Frage, die hier zu klären war, lag daher im fortbestehenden Zutrittsrecht trotz Hausverbot. Ein Hausverbot verbietet den Zugang. Diese Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb des Arbeitgebers stellt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne von § 78 Satz 1 BetrVG dar.
Danach dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Diese Behinderung erfolgte hier durch den Ausspruch des Hausverbotes.
Das Landesarbeitsgericht hat dazu folgende Kontrollüberlegung angestellt. Bei groben Verletzungen der gesetzlichen Pflichten eines Betriebsratsmitglieds sieht das spezielle Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG den Ausschluss aus dem Betriebsrat ausdrücklich vor. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat wird rechtswirksam erst mit Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Dies erfolgt dann rechtsgestaltend für die Zukunft. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung bleibt aber das betroffene Betriebsratsmitglied weiter im Amt. Zu diesem Spezialverfahren stünde es aber in Widerspruch, wenn der Arbeitgeber durch den Ausspruch eines Hausverbotes gegenüber dem Betriebsratsmitglied der Entscheidung des Arbeitsgerichts ohne Prüfung und Eintritt der Rechtskraft vorgreifen könnte.
Hinweis für die Praxis:
Bei Vorliegen ganz gravierender Pflichtverletzungen, wenn die weitere Amtsausübung bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG im Interesse einer ordnungsgemäßen Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist, besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Amtsausübung beim Arbeitsgericht zu stellen. Dagegen ist der Arbeitgeber nicht befugt, dadurch Fakten zu schaffen, dass er dem Betriebsratsmitglied den Zutritt zum Betrieb durch den Ausspruch eines Hausverbotes verweigert.
Fazit:
Die ordnungsgemäße Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern beinhaltet das jederzeitige Zugangsrecht zum Betrieb. Das Hausrecht eines Arbeitgebers ist daher durch die Wahrnehmung des Betriebsratsamtes von vornherein beschränkt. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat beinhaltet zugleich ein Zugangsrecht zum Betrieb. Nur in gravierenden Ausnahmefällen kann ausnahmsweise der Zutritt ausgeschlossen werden. Erforderlich ist dann aber nicht in erster Linie eine strafbare Handlung, sondern der dauerhafte Verlust der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor. Der Betriebsratsvorsitzende hatte zwar überzogen reagiert. Allerdings hatte er auch wegen der lange andauernden Betriebsratssitzung keine Kenntnis von der E-Mail des Personalleiters. In einer Gesamtschau sah daher das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen für die Verweigerung des Zutrittsrechts nicht als gegeben an. Vor dem Hintergrund dieser strengen Rechtsprechung können wir der Praxis nur empfehlen, von dem vorschnellen Ausspruch eines Hausverbotes abzusehen.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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