Die actio pro socio ist im GmbH-Recht seit langem anerkannt. Die Rechtsfigur dient dazu, Ansprüche, die üblicherweise der Gesellschaft...
Die actio pro socio ermöglicht es dem Minderheitsgesellschafter Sozialansprüche einzuklagen. Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr über die actio pro socio ist im GmbH-Recht (credits: adobestock).

Die actio pro socio ist im GmbH-Recht seit langem anerkannt. Die Rechtsfigur dient dazu, Ansprüche, die üblicherweise der Gesellschaft gegen einen der Gesellschafter zustehen, durch einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen geltend zu machen. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Gesellschaftermehrheit verhindert, dass Sozialansprüche gegen Gesellschafter geltend gemacht werden. Die actio pro socio verleiht dem Minderheitsgesellschafter das Recht, solche Ansprüche für die Gesellschaft gerichtlich einzuklagen. Gleichwohl sind viele Einzelheiten zur Reichweite dieses Instituts noch nicht geklärt.

Dieser Beitrag soll unter Berücksichtigung der Rechtsprechung aufzeigen, in welchen Konstellationen eine actio pro socio in Betracht kommt. Eine actio pro socio gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer wird allgemein als zulässig angesehen, auch in der zweigliedrigen GmbH. Dagegen kommt eine actio pro socio gegen den Fremdgeschäftsführer nach dem Stand der Rechtsprechung nicht in Betracht. Lehnt man die Anwendung der Rechtsfigur gegen einen Fremdgeschäftsführer ab, stellt sich zudem die Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten dem Nur-Gesellschafter verbleiben.

Klage gegen einen Gesellschafter-Geschäftsführer

Grundfälle der actio pro socio sind Konstellationen, in denen ein Gesellschafter gegen seinen Mitgesellschafter Ansprüche der Gesellschaft aus der Mitgliedschaft oder dem Gesellschaftsverhältnis geltend macht. Hauptanwendungsfälle sind die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mehrheitsgesellschafter, die aus einer Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultieren, oder von Ansprüchen aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Gesellschafts-Geschäftsführer. Die Anwendung der actio pro socio wird in solchen Fällen als zulässig angesehen.

Der „andere“ Gesellschafter kann aber nicht gleich zur Tat schreiten und eine Klage einreichen. Die Verfolgung von Ansprüchen der GmbH obliegt in erster Linie der Gesellschafterversammlung (vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG). Der Gesellschafter hat zunächst einen Gesellschafterbeschluss zu bewirken, auf Grund dessen eine Klage gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer eingereicht werden kann und die Gesellschaft durch einen „besonderen“ Vertreter vertreten wird. Scheitert dieses Vorgehen, weil ein Gesamtwille nicht formal ordnungsgemäß gebildet werden kann oder dieser (formal ordnungsgemäß gebildete) Gesamtwille rechtswidrig ist, kann Gesellschafterklage erhoben werden. Ausnahmsweise kann der Gesellschafter direkt Klage erheben, wenn die Organe die Geltendmachung rechtswidrig verweigern und die interne Einwirkung aussichtslos ist oder weil die Mehrheitsverhältnisse von vornherein nur einen ablehnenden Beschluss erwarten lassen.

Besonderheit in der Zwei-Mann GmbH

Ein nicht unwesentlicher Teil der GmbH sind zweigliedrig, also Gesellschaften, an der nur zwei Gesellschafter beteiligt sind. Die Besonderheit liegt in einem solchen Fall darin, dass der andere Gesellschafter gem. § 47 Abs. 4 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen ist. Nach einem Urteil des OLG München vom 25. Mai 2023 – 23 W 354/23e – ist in solchen Fällen ein vorheriger Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG überflüssig. Eine Verweisung auf die formelle Beschlussfassung und die Gesellschaftsklage wäre ein unnötiger und unbilliger Umweg. Der Gesellschafter kann demnach direkt im Wege der actio pro socio vorgehen.

Klage gegen einen Fremdgeschäftsführer

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25. Januar 2022 – II ZR 50/20) kann ein Gesellschafter einer GmbH Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen. Es fehle an einer gesellschaftsrechtlichen Sonderrechtsbeziehung zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer. Der Fremdgeschäftsführer sei allein der Gesellschaft gegenüber verantwortlich. Eine andere Ansicht würde die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung unterlaufen, die Gründe dafür haben mag, von der Verfolgung vermeintlicher, fragwürdiger und sogar zweifelsfreier Ansprüche gegen den Fremdgeschäftsführer abzusehen.

Rechtsschutz gegen Fremdgeschäftsführer

Der Gesellschafter kann gegen den Fremdgeschäftsführer nicht im Wege der Gesellschafterklage vorgehen. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten verbleiben ihm dann? Weigert sich die Gesellschafterversammlung, einen Anspruch gegen den Fremdgeschäftsführer zu verfolgen, kann jeder Gesellschafter die Rechtsverfolgung durch Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage erzwingen. Mit der Anfechtungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage kann ein die Rechtsverfolgung billigender Beschluss der Gesellschafterversammlung erreicht (§ 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG) und ein besonderer Vertreter zur Durchsetzung des Anspruchs gegen den Fremdgeschäftsführer bestellt werden (§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG). Minderheitsgesellschafter können zudem, wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig unterlässt, Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, Schadensersatz im Wege der actio pro socio gegen die Mehrheitsgesellschafter geltend machen.

Und wenn dies nichts hilft…

Sollte der Gesellschafter mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage keinen Erfolg haben,  bleibt analog § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB (doch) die Gesellschafterklage gegen den Fremdgeschäftsführer. Denkbar wäre dies, wenn sich die anderen Gesellschafter unter sachwidriger Zurückstellung der Gesellschaftsinteressen im bewussten Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer weigern, an der Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung mitzuwirken. Der BGH hat diese Analogie mit Urteil vom 25. Januar 2022 – II ZR 50/20 – vor Geltung des § 715b BGB abgelehnt. Zugleich hat er in der Entscheidung aber ein „Schlupfloch“ gelassen. Sollte die Anfechtungs- und Feststellungsklage keinen Rechtsschutz ermöglichen, könnten weitere Ansprüche und/oder Klagearten in Betracht kommen.

Fazit

In einer Gesellschaft müssen die Gesellschafter nicht immer einer Meinung sein. Die Praxis zeigt aber auch, dass häufig bestimmte Sozialansprüche rechtswidrig nicht geltend gemacht werden. Der actio pro socio stellt dabei im GmbH-Recht ein etabliertes Instrument dar, Ansprüche gegen Mitgesellschafter geltend zu machen. Gegenüber Fremdgeschäftsführer bleibt nur der Weg über die Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage.


Autoren: Dr. Andreas Menkel, Florian Wenzel

Der Autor dieses Beitrags steht Ihnen in Fragen zur Durchsetzung von Gesellschafterrechten gerne zur Verfügung und hilft Ihre Interessen geltend zu machen.

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