22.12.2008 -

 

Zum 1. Januar 2004 wurde bekanntlich die Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG geändert und der Schwellenwert angehoben. Das Kündigungsschutzgesetz findet seit diesem Zeitpunkt nunmehr nur noch in Betrieben mit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern Anwendung. Bis zum 31. Dezember 2003 lag der Schwellenwert bei mehr als 5 Arbeitnehmern. Die kompliziert formulierte Übergangsregelung des § 23 KSchG gibt immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG die wesentlichen Grundsätze nochmals zusammengefasst und seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt (BAG, Urt. v. 17.1.2008 – 2 AZR 512/06, NZA 2008, 944; Bestätigung von BAG, Urt. v. 21.9.2006 – 2 AZR 840/05, B+P 2007, 827).

 

I. Wartezeit

Das Kündigungsschutzgesetz greift nach sechs Monaten (Wartezeit) in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, § 23 Abs. 1 KSchG. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden dabei mit dem Faktor 0,5 und mit nicht mehr als 30 Stunden mit dem Faktor 0,75 berücksichtigt. Die Beschäftigung von 20 geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern führt damit zu einer rechnerischen Arbeitnehmerzahl von genau 10 Arbeitnehmern (20 x 0,5). Damit werden aber in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz findet in diesem Fall keine Anwendung.

 

Hinweis für die Praxis:

Die Berechnung der genauen Kopfzahlen bereitet in der Praxis oftmals Schwierigkeiten. In vielen Fällen werden nur die Vollzeit- und Teilzeitkräfte berücksichtigt. Geringfügig Beschäftigte werden regelmäßig vergessen. Auch Aushilfen, die einmal die Woche für wenige Stunden arbeiten, müssen aber mit dem Mindestfaktor von 0,5 berücksichtigt werden (z.B. Putzhilfen, Aushilfsfahrer, Packer etc.).

 

II. Übergangsregelung

Bis zum 31. Dezember 2003 lag der Schwellenwert nicht bei 10, sondern bei 5 Arbeitnehmern. Es sollte jedoch bei der Gesetzesänderung vermieden werden, dass mit Inkrafttreten des höheren Schwellenwertes von 10 Arbeitnehmern Kleinbetriebe, die zwar mehr als 5 Arbeitnehmer hatten, aber nun nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, automatisch den Kündigungsschutz verlieren. Aus diesem Grunde wurde in einer komplizierten Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 KSchG geregelt, dass die vor dem 1. Januar 2004 beschäftigten Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz so lange behalten, bis diese Altbelegschaft nicht unter die maßgebliche ursprüngliche geltende Schwelle von mehr als 5 gesunken ist.

 

Hinweis für die Praxis:

Die Übergangsregelung gilt zeitlich unbegrenzt. In der Praxis kann sie zu einer zweigeteilten Belegschaft führen: (1.) Einmal die Altbelegschaft, die noch nach den alten Regelungen Kündigungsschutz genießt und (2.) einmal die Neubelegschaft, die unterhalb des Schwellenwertes von 10 beschäftigt wird und damit keinen Kündigungsschutz innehat.

 

Beispiel:

Ein Betrieb beschäftigt im Jahre 2003 sechs Vollzeitkräfte. Diese Altbelegschaft hat nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung umfassend Kündigungsschutz. Im Jahre 2004 werden zwei Mitarbeiter und im Jahre 2005 ein weiterer Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt. Insgesamt sind damit neun Arbeitnehmer beschäftigt. Der neue Schwellenwert (ab 1. Januar 2004) von mehr als 10 Arbeitnehmern wird aber nicht erreicht. Nach der Übergangsregelung genießt nun die Altbelegschaft von sechs Arbeitnehmern weiterhin Kündigungsschutz. Die drei neuen Arbeitnehmer fallen unter die Neufassung und haben noch keinen Kündigungsschutz. Erst wenn noch zwei Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt werden, wird der neue Schwellenwert von insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmern erreicht. In diesem letzteren Fall hätten dann alle Arbeitnehmer vollen Kündigungsschutz.

 

III. Keine Berücksichtigung von Neuverträgen für die Altbelegschaft

Die Regelungen für die Altbelegschaft sollen nur den ursprünglichen status quo erhalten. Die Altbelegschaft soll aber nicht besser gestellt werden. Sinkt deshalb die Altbelegschaft unter den ursprünglichen Schwellenwert von fünf herab, entfällt für diese Gruppe der Kündigungsschutz insgesamt!

 

Beispiel (Fortführung):

In dem vorherigen Beispiel würde sich dies wie folgt darstellen: Von der Altbelegschaft (6 Arbeitnehmer) wird ein Mitarbeiter gekündigt. Die Altbelegschaft sinkt dann auf 5 Arbeitnehmer. Der Kündigungsschutz greift aber erst bei mehr als 5 Arbeitnehmern. Die verbliebenen 5 Mitarbeiter der Altbelegschaft verlieren insgesamt (!) den Kündigungsschutz. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Arbeitnehmer bei der Berechnung zugunsten der Altbelegschaft nicht berücksichtigt werden.

Die in dem Beispiel genannten drei neu eingestellten Mitarbeiter werden damit bei der Altbelegschaft nicht berücksichtigt. Es kommt nicht darauf an, dass die Anzahl der tatsächlich Beschäftigten zu jedem Zeitpunkt über 5 lag. Für die Altbelegschaft sind nach dem eindeutigen (aber komplizierten) Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellten Arbeitnehmer nicht mitzuzählen.

 

IV. Kündigungsschutz für Altbeschäftigte nach der Neuregelung?

Sinkt die Altbelegschaft unter den ursprünglichen Schwellenwert von 5 herab und sind insgesamt inklusive der Neueinstellungen nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, haben alle Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz. Steigt nun aber für die Arbeitnehmerzahl insgesamt auf mehr als 10 Vollzeitbeschäftigte, erlangen alle Beschäftigten insgesamt Kündigungsschutz nach der Neuregelung. Ab diesem Zeitpunkt endet die Zweiteilung der Belegschaft. Auch die Altbeschäftigten, die unter den ursprünglichen Schwellenwert von 5 herabgesunken waren, genießen dann wieder vollen Kündigungsschutz.

 

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidungen des BAG machen deutlich, dass gerade in Kleinbetrieben genauestens auf die Zuordnung der Arbeitnehmer zur Altbelegschaft oder zur neuen Belegschaft geachtet werden muss. Mitarbeiter, die ursprünglich einmal Kündigungsschutz hatten, können diesen nachträglich verlieren. Die Zweiteilung der Belegschaft bei Mitarbeiter mit Kündigungsschutz und Mitarbeiter ohne Kündigungsschutz ist vom Gesetzgeber gewollt. In Kündigungsschutzverfahren sollte deshalb gerade auf diesen Umstand besonderes Augenmerk gelegt werden.

 

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