10.11.2008

Seit dem 1. Januar 2008 gilt das geänderte Unterhaltsrecht. Das frühere Altersphasenmodell zum Betreuungsunterhalt, das dem betreuenden Elternteil (im Regelfall den Müttern) Unterhalt je nach Alter der Kinder zugebilligt hat, wurde durch den Gesetzgeber beseitigt. Stattdessen gilt nun ein gestufter Unterhaltsanspruch mit einem Basisunterhalt bis zum 3. Lebensjahr eines Kindes sowie danach ggf. Folgeunterhalt aus kind- und ehebezogenen Gründen. Zudem können seit dem 1. Januar 2008 alle Unterhaltsansprüche, einschließlich des Betreuungsunterhaltes, der Höhe und der Dauer nach begrenzt werden.

Die Rechtspraxis hat sich auf die geänderte Gesetzeslage einzustellen. Drei Oberlandesgerichte haben hierzu erste Tendenzen erkennen lassen.

1.  Entscheidung des Kammergerichts vom 25. April 2008

In der Entscheidung des Berliner Kammergerichts (Urteil vom 25. April 2008 – 18 UF 160/07) hat die Klägerin neben der Betreuung des gemeinsamen – inzwischen 5 Jahre alten Kindes – als Studienrätin mit den Fächern Deutsch und Englisch zu 69,23 % gearbeitet. Das Amtsgericht hat der Klägerin einen Betreuungsunterhalt für unterschiedliche Zeiträume in unterschiedlicher Höhe zugesprochen. Der beklagte Ehemann vertrat mit der Berufung die Auffassung, dass er in Folge der Reform des Unterhaltsrechts gar keinen Betreuungsunterhalt mehr schulde und der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zeitlich zu befristen sei.

     Das Kammergericht trat dem mit (deutlichen) Worten entgegen. Der Basisunterhalt bis zum 3. Lebensjahr eines Kindes kam nicht mehr in Betracht. Das Kammergericht nahm allerdings einen Betreuungsunterhalt aus Kindeswohlgründen an.

     Das gemeinsame Kind besuche seit dem Schuljahr 2007/2008 die erste Klasse einer Grundschule. Im Anschluss werde es in einem Hort bis zum Nachmittag betreut. Die Klägerin holt das Kind am Nachmittag ab und kümmert sich in der restlichen Zeit am Nachmittag bis zum Abend um das Kind. Auf Grund der Betreuung in der Grundschule sowie im Hort sei der Klägerin allenfalls eine Berufstätigkeit in dem von ihr gewählten Ausmaße zuzumuten. Es sei der Klägerin zuzugestehen, einen Teil der „freien Zeit“ zwischen der eigentlichen Berufstätigkeit und dem Abholen des Kindes aus dem Hort für die Tätigkeit im Haushalt (Einkaufen, Kochen, Waschen, Putzen) aufzuwenden, um sich am Nachmittag ausschließlich um das Kind zu kümmern. Eine Volltagsbeschäftigung, auf Grund dessen die Klägerin gehalten sei, die notwendigen Hausarbeiten in der Zeit zu erledigen, in der das Kind mit ihr zusammen ist, sei mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin sei auch nicht gehalten, eine Betreuung durch weitere Privatpersonen (im konkreten Fall durch ihre Eltern) sicherzustellen, damit sie volltags arbeiten gehen und zusätzlich noch den Haushalt führen könne. Die Betreuung durch die eigenen Eltern habe nicht den Sinn, dass der Unterhaltsverpflichtete keinen oder einen möglichst geringen nachehelichen Unterhalt zahle.

Eine Befristung oder Begrenzung des Betreuungsunterhalts lehnte das Kammergericht ab. Das gemeinsame Kind sei erst 6 Jahre alt. Es sei daher nicht abzusehen, ob und welche ehebedingten Nachteile die Klägerin auf Grund der Doppelbelastung durch die Berufstätigkeit sowie der Kindesbetreuung erleide.

Das Kammergericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, damit dieser über die grundsätzlichen Fragen des Zeitraums des Betreuungsunterhalts entscheiden könne.

2.  Entscheidung des OLG München vom 4. Juni 2008

Das OLG München hat in seinem Urteil vom 4. Juni 2008 – 12 UF 1125/07 – über einen vergleichbaren Fall wie das Kammergericht zu entscheiden. Die Antragsgegnerin arbeitete in Teilzeit mit 80 monatlichen Tarifstunden. Die gemeinsame Tochter war zum Zeitpunkt der Scheidung 5 sowie zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG München 6 Jahre alt. Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin Betreuungsunterhalt nach altem Recht zugesprochen. Die Berufung des Antragstellers war erfolglos.

Das OLG München hob ebenso wie das Kammergericht hervor, dass auch bei Kindern, die älter als 3 Jahre sind, eine Vollerwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht zumutbar sei. Daran ändere die Unterhaltsreform nichts. Ebenso wie das Kammergericht wies auch das OLG München (ebenfalls mit deutlichen Worten) darauf hin, dass durch die Unterhaltsrechtsreform keine unzumutbare Lastenverteilung zu Ungunsten des betreuenden Elternteils gewollt sei. Ein Kind im Kindergarten- bzw. Grundschulalter benötige eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“. Was vorher beide Elternteile geleistet haben, müsste nunmehr der betreuende Elternteil alleine leisten. Es sei daher dem betreuenden Elternteil allenfalls zuzumuten, während der von staatlicher Seite zur Verfügung gestellten Betreuungszeiten (Kindergarten, Grundschule) eine Teilerwerbstätigkeit auszuüben. Dem betreuenden Elternteil müsse genügend Zeit verbleiben, um sich neben der notwendigen Haushaltsführung der Betreuung und Pflege des Kindes zu widmen. Es sei eine unangemessene Lastenverteilung, von beiden Elternteilen eine Vollerwerbstätigkeit zu verlangen, von dem betreuenden Elternteil aber zusätzlich noch die Haushaltsführung sowie die Kindesbetreuung.

Ebenso wie das Kammergericht wies auch das OLG München darauf hin, dass eine freiwillige Betreuung des Kindes durch die Großeltern (auch hier durch die Eltern der Antragsgegnerin) nicht dazu diene, die Unterhaltslasten des anderen Elternteils zu mindern.

Das OLG München lehnte ebenfalls wie das Kammergericht eine Begrenzung sowie eine Befristung des Betreuungsunterhalts ab. Auf Grund des Alters des Kindes sei eine Prognose über die zukünftige Entwicklung nicht möglich. Eine Begrenzung bzw. Befristung des nachehelichen Unterhalts käme nur in Betracht, wenn die zukünftige Entwicklung ansatzweise vorhersehbar sei.

Das OLG München hat ebenfalls wie das Kammergericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, damit dieser über diese grundsätzlichen Fragen entscheiden könne.

3.  Urteil des OLG Brandenburg vom 12. Juni 2008

Das OLG Brandenburg hat sich mit (rechtskräftigem) Urteil vom 12. Juni 2008 – 9 UF 186/07 – im Rahmen eines Abänderungsverfahrens zu den Erwerbsobliegenheit eines betreuenden Elternteils geäußert, der auf Grund Haushaltsführung und Kindeserziehung über annähernd 15 Jahre nicht berufstätig gewesen war.

In der Entscheidung des OLG Brandenburg war das gemeinsame Kind zum Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung 11 Jahre alt. Es litt an dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Die beklagte Mutter hat auf Grund der gemeinsamen Entscheidung der Parteien ihre Berufstätigkeit zu Beginn der Ehe aufgegeben und während der Ehezeit auch nicht mehr aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung war die Beklagte Mitte 40 und auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar.

Das OLG Brandenburg hat der Beklagten auf Grund dieser besonderen Umstände des Einzelfalls (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bei dem gemeinsamen Kind sowie langjährige Berufsabwesenheit) weiterhin einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt zugesprochen. Wegen der besonderen Betreuung für das gemeinsame Kind sei der Beklagten auch lediglich eine Halbtagstätigkeit zuzumuten, damit ihr noch genügend Zeit verbleibe, sich am Nachmittag um das Kind zu kümmern.

Eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Betreuungsunterhalts lehnte das OLG Brandenburg ebenso wie das Kammergericht sowie das OLG München ab. Die ehebedingten Nachteile der Beklagten seien offensichtlich, da sie die Berufstätigkeit einvernehmlich vor der Ehe aufgegeben und während der Ehe auch nicht mehr aufgenommen habe. Zudem sei die Beklagte mit Mitte 40 auf dem Arbeitsmarkt auch nur schwer vermittelbar. Zusammen mit der besonderen Betreuungsbedürftigkeit des Kindes komme daher eine Prognose für die zukünftige Entwicklung nicht in Betracht, so dass eine Begrenzung sowie Befristung des nachehelichen Unterhalts gegenwärtig ausscheide.

Fazit: Die Rechtsentwicklung ist noch nicht sicher abzusehen. Alle drei Entscheidungen der Oberlandesgerichte deuten aber darauf hin, dass die Rechtsprechung zu einem modifizierten Altersphasenmodell zurückkehren wird. Insbesondere das Kammergericht und das OLG München haben deutlich gemacht, dass durch die Unterhaltsrechtsreform eine Mehrfachbelastung des betreuenden Elternteils mit Haushaltsführung, Kindesbetreuung sowie einer Vollerwerbstätigkeit nicht gewollt sei. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH dies entscheidet. Die Entscheidungen betrafen die Betreuung eines Kindes. Noch völlig unklar ist die weitere Entwicklung, wenn es um die Betreuung mehrerer Kinder unterschiedlichen Alters geht. Es kann erwartet werden, dass die Rechtsprechung die besonderen „Lasten“, die mit der Betreuung mehrerer Kinder verbunden sind, bei der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils berücksichtigen wird. Der Unterschied zu der Betreuung eines Kindes wird dann voraussichtlich darin bestehen, dass der Zeitpunkt der Erwerbsverpflichtung später einsetzt und der Umfang der Erwerbstätigkeit geringer ausfällt.

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