I. Einleitung
Im Rahmen der Landtagswahlen 2005 in NRW haben die regierungsbildenden Parteien eine Koalitionsvereinbarung getroffen, die als eines der angestrebten Ziele die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung vorsah. Als Folge dieser Koalitionsvereinbarung wurde auch das Landespersonalvertretungsgesetz NRW (LPVG) überarbeitet. Das „Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes“ wurde als Artikel I des „Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsrecht und schuldrechtlicher Vorschriften“ am 16. Oktober 2007 verkündet und trat am 17. Oktober 2007 in Kraft. Ziel der Novelle ist die Vereinfachung und Beschleunigung des Mitbestimmungsverfahrens.
Das Landesrecht wurde vor allem an das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) angepasst. Ferner sollte das Beteiligungsverfahren vereinfacht und gestrafft werden. Eine Rechtsanpassung war auch wegen einschränkender Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts notwendig.
II. Die Neuregelungen im Einzelnen
Wir möchten in dieser Übersicht nicht auf alle Neuregelungen eingehen. Vielmehr beschränken wir uns auf die bedeutenden Mitbestimmungsrechte nach den §§ 66 ff. LPVG.
1. Überblick
Das LPVG enthält im 8. Kapitel Regelungen zur Beteiligung der Personalvertretung. Die Bestimmungen des LPVG zur Beteiligung des Personalrats wurden im Rahmen der Novellierung des Gesetzes umfassend geändert. Der Mitbestimmungskatalog des § 72 LPVG bildet dabei das Kernstück des LPVG. Aber: Die Ausübung und die Durchsetzung der Kompetenzen aus § 72 LPVG werden in § 66 LPVG geregelt. Neben § 72 LPVG ist daher § 66 LPVG die wichtigste Vorschrift.
2. Mitbestimmungsverfahren nach § 66 LPVG
Die Kernvorschrift des Mitbestimmungsverfahrens ist § 66 LPVG. Das dort geregelte Erörterungsverfahren ist zwingend einzuhalten. Wird das Verfahren nicht eingehalten, kann die Maßnahme allein aus diesem Grunde unwirksam sein. Auf die sorgfältige Einhaltung der Fristen und der neu geregelten Erörterungsabläufe ist daher große Sorgfalt zu verwenden.
a) Einholung der Zustimmung des Personalrats
Bevor der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme ergreifen kann, hat er die Zustimmung des Personalrats einzuholen. Das Verfahren, das dabei einzuhalten ist, regelt § 66 Abs. 2 LPVG vollständig neu. Die Bestimmung sieht nunmehr folgende Reihenfolge vor (Erörterungsverfahren):
– Unterrichtung des Personalrats (§ 65 LPVG) durch den Leiter der Dienststelle (§ 8 LPVG) über die beabsichtigte Maßnahme und Einreichung eines Antrages auf Zustimmungserteilung.
– Auf Verlangen des Personalrats: Schriftliche Begründung der Entscheidung durch den Dienststellenleiter (Anspruch des Personalrats!).
– Beschlussfassung des Personalrats nach § 33 LPVG.
– Unterrichtung des Dienststellenleiters über die Entscheidung des Personalrats innerhalb einer Frist von 10 Arbeitstagen (bislang zwei Wochen), bzw. in dringenden Fällen und auf Antrag des Dienststellenleiters innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen (bislang eine Woche) ab Antragstellung.
Sodann ist zu unterscheiden: Hat der Personalrat der Maßnahme zugestimmt, kann diese durchgeführt werden. Beabsichtigt der Personalrat seine Zustimmung zu verweigern, ist das nachfolgende Verfahren (Erörterungsgespräch) einzuhalten:
– Erörterung der Entscheidung des Personalrats mit dem Dienststellenleiter innerhalb einer Frist von 10 bzw. (bei Verkürzung durch den Dienststellenleiter) fünf Arbeitstagen. Gegebenenfalls Anhörung des betroffenen Beschäftigten (Rechtsfolge bei Versäumnis allerdings unklar).
– Unterrichtung des Dienststellenleiters über die endgültige Entscheidung des Personalrats innerhalb einer weiteren Frist von 10 Arbeitstagen, bzw. in dringenden Fällen und auf Antrag des Dienststellenleiters innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen.
Hinweis für die Praxis:
Bei Verkürzung aller Fristen kann das Verfahren innerhalb von 11 Arbeitstagen durchgeführt werden. Bei Ausschöpfen aller Fristen dauert das Verfahren nach unserer Berechnung maximal 30 Tage. Wichtig und neu: Zeitlich unbefristete Verfahren sind im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr möglich!
b) Gesetzliche Fiktion
Soweit der Personalrat den Antrag des Dienststellenleiters innerhalb der Fristen nicht schriftlich und mit entsprechender Begründung ablehnt, gilt die Zustimmung als erteilt (gesetzliche Fiktion). Die Zustimmungsfiktion des § 66 Abs. 2 Satz 8 LPVG tritt auch dann ein, wenn die Begründung des Personalrats offensichtlich keinen Bezug zu der beabsichtigten Maßnahme oder zu dem maßgeblichen Mitbestimmungstatbestand aufweist.
c) Einigungsstellenverfahren
Das Einigungsstellenverfahren ist in § 66 Abs. 7 LPVG geregelt. Die Einigungsstelle trifft grundsätzlich eine für alle Seiten verbindliche Regelung. In den einzeln aufgeführten Ausnahmen spricht die Einigungsstelle lediglich eine Empfehlung an die endgültig entscheidende Stelle (§ 68 LPVG) aus.
Hinweis für die Praxis:
Der Personalrat kann eine Zustimmungsverweigerung in den Fällen des § 72 Abs. 1 LPVG nur auf die Gründe des § 66 Abs. 3 LPVG stützen. Die Einigungsstelle hat dabei zu prüfen, ob der Personalrat die Zustimmung zu der beantragten Maßnahme zu Recht verweigert hat. Einen solchen abschließenden Katalog von Gründen gab es bislang für die Personalvertretung nicht. Die abschließende Benennung der Zustimmungsverweigerungsgründe in Personalangelegenheiten nach § 72 Abs. 1 LPVG bedeutet damit eine Einschränkung für die Personalvertretung. In den übrigen Mitbestimmungsangelegenheiten, die nicht unter § 72 Abs. 1 LPVG fallen, ist der Personalrat hingegen nicht an die Gründe nach § 66 Abs. 3 gebunden.
d) Folgen der Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats
Wird in der Dienststelle eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme durchgeführt, ohne dass der Personalrat dieser zugestimmt oder die Einigungsstelle hierüber entschieden hat, ist die Maßnahme, soweit sie sich für einzelne Arbeitnehmer oder die Belegschaft insgesamt nachteilig auswirkt, unwirksam (Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung).
3. Keine Mitbestimmung bei Befristungen mehr!
Die Mitbestimmung in Personalangelegenheiten wurde erheblich abgeändert. Viele Mitbestimmungsrechte wurden gestrichen (z.B. Kürzung der Anwärterbezüge oder Unterhaltsbeihilfe, Entlassung von Beamten auf Probe oder Widerruf, vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, Feststellung begrenzter Dienstfähigkeit).
Besonders hinzuweisen ist auf die bisherige Verpflichtung der Dienststelle, vor Abschluss einer Befristung die Zustimmung (!) des Personalrats einzuholen. Die alte Nr. 1 ist nunmehr ersatzlos entfallen. Maßgebend sind damit allein die Bestimmungen des TzBfG bzw. des Tarifrechts oder sonstiger Spezialgesetze.
4. Mitbestimmung bei Kündigungen und Entlassungen (§ 74 LPVG)
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Kündigungen und Entlassungen nach § 74 LPVG. Die Vorschrift wurde im Rahmen der Gesetzesnovellierung vollständig geändert und neu gefasst. Der alte § 72a LPVG wurde hingegen ersatzlos aufgehoben.
a) Ordentliche Kündigung
Das Beteiligungsrecht des Personalrats betrifft zunächst den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Beabsichtigt der Arbeitgeber einen Mitarbeiter ordentlich zu kündigen, wirkt der Personalrat gem. § 74 Abs. 1 LPVG vor der Durchführung der Maßnahme mit. Wird eine Kündigung ohne vorherige Beteiligung des Personalrats ausgesprochen, ist sie gem. § 74 Abs. 5 LPVG unwirksam.
Das frühere Mitbestimmungsrecht des Personalrats wurde nun auf ein bloßes Mitwirkungsrecht herabgestuft. Das Mitwirkungsverfahren nach § 74 LPVG gilt nunmehr für alle ordentlichen Kündigungen (auch innerhalb der Probezeit). Der Personalrat kann damit eine Kündigung nicht mehr verhindern!
Der Begriff der Mitwirkung nach § 74 LPVG bezieht sich auf das Mitwirkungsverfahren nach § 69 LPVG.
b) Außerordentliche Kündigung und fristlose Entlassung
Der Personalrat ist gem. § 74 Abs. 4 LPVG auch an der Entscheidung über den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bzw. einer fristlosen Entlassung zu beteiligen. Sofern der Dienstherr eine solche Maßnahme ins Auge fasst, hat er den Personalrat nach Maßgabe des § 65 Abs. 1 LPVG unter Bekanntgabe der Gründe, die seiner Entscheidung zugrunde liegen, zu unterrichten und anschließend zur Sache anzuhören. Bestehen seitens der Personalrats Bedenken an der Entscheidung des Arbeitgebers, hat der Personalrat dem Dienstherrn seine Bedenken unter Angabe von Gründen unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Die endgültige Entscheidung über die Umsetzung der personellen Maßnahme verbleibt sodann allein beim Arbeitgeber.
Wurde eine Beteiligung des Personalrats nach § 74 Abs. 4 LPVG versäumt, ist die ausgesprochene Kündigung bzw. Entlassung bereits aus diesem Grunde unwirksam.
5. Abschluss von Aufhebungs- und Beendigungsverträgen
Das LPVG räumte dem Personalrat in seiner bisherigen Fassung ein Beteiligungsrecht beim Abschluss von Aufhebungs- und Beendigungsverträgen ein (§ 72a Abs. 2 Satz 1 LPVG a.F.). Dieses Beteiligungsrecht ist im Rahmen der Novellierung des Personalvertretungsrechts ersatzlos gestrichen worden.
6. Beteiligung bei Abmahnungen
Gemäß § 74 LPVG war dem Personalrat bislang vor dem Ausspruch einer Abmahnung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieses Beteiligungsrecht ist ebenfalls ersatzlos gestrichen worden. Eine Beteiligung bei Abmahnungen ist also nicht mehr erforderlich.
Fazit:
Die Novellierung des Personalvertretungsrechts führt zu einer erheblichen Beschleunigung der Abläufe. In bestimmten Fällen (Befristung, Abmahnung, Aufhebungsverträge) besteht nunmehr keine Beteiligungspflicht des Personalrats mehr. Der Arbeitgeber kann hier, ähnlich wie im Bundespersonalvertretungsrechts oder auch im Betriebsverfassungsrecht, frei entscheiden. Die Mitbestimmungsverfahren wurden auch im Übrigen beschleunigt und angepasst. Das Ziel des Gesetzgebers, die öffentliche Verwaltung im Bereich des LPVG zu modernisieren und Abläufe zu beschleunigen, war damit erfolgreich.
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