26.02.2008

 

Das Bundesjustizministerium hat am 07.01.2008 einen Gesetzentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht [1] vorgelegt, der wesentliche Erleichterungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr bringen soll und auch den Weg für grenzüberschreitende Umwandlungen und Sitzverlegungen eröffnet. Das Inkrafttreten ist noch für 2008 geplant.

1.     Probleme des geltenden Rechts – Sitztheorie versus Gründungstheorie

Für Gesellschaften ist die Frage, welches Recht auf ihre gesellschaftsrechtliche Organisation anzuwenden ist, im internationalen Rechtsverkehr von zentraler Bedeutung. Eine deutsche GmbH will auch im Ausland als GmbH behandelt werden – und umgekehrt soll dies auch für ausländische Gesellschaften im Inland gelten. Das deutsche Recht kennt hierzu bisher keine geschriebenen Regelungen. Dies hat zu Unsicherheiten bei der Frage des anzuwendenden Rechts geführt, wenn Gesellschaften grenzüberschreitend tätig sind.

So hat bspw. das OLG Hamburg in einem Zwischenurteil vom 30.03.2007 [2] in mehr als 7.600 Worten alleine die Frage klären müssen, ob eine in Deutschland tätige Limited nach dem Recht der Isle of Man für gerichtliche Verfahren in Deutschland überhaupt rechts- und parteifähig sein kann. Je nach Gesellschafterkreis der Limited und deren Geschäftsbetrieb hätte die Gesellschaft im Inland als GmbH, ohG, GbR oder Einzelkaufmann behandelt werden können – mit allen persönlichen Haftungsfolgen. Das liegt an der in Deutschland bislang überwiegend vertretenen sog. Sitztheorie, die je nach Sitz der Geschäftsführung eine jeweils andere Rechtsordnung heranzieht. Damit soll es jetzt ein Ende haben.

Schon der EuGH hat in einer Reihe von Entscheidungen [3]  in der Sitztheorie einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Artikel 43, 48 EG-Vertrag angesehen. Er leitete aus der Niederlassungsfreiheit ab, dass eine nach dem Recht eines Mitgliedstaates wirksam gegründete Gesellschaft auch im Staat ihres tatsächlichen Sitzes als rechts- und parteifähig anzusehen ist.

Diese Rechtsprechung greift der Gesetzesentwurf auf und regelt in dem zukünftig neu eingefügten Artikel 10 BGBGB verbindlich, welches nationale Recht jeweils auf Gesellschaften, Vereine und juristische Personen anzuwenden ist. Dies soll jeweils das Recht sein, nach dem die Gesellschaft, der Verein oder die juristische Person gegründet (sog. Gründungstheorie bzw. Gesellschaftsstatut) ist. Der Gesetzesentwurf erstreckt die Anwendbarkeit des Gründungsrechts auf Gesellschaften, Vereine und juristische Personen aus Staaten, die der EU und dem EWR angehören, aber auch auf alle sonstigen sog. Drittstaaten.

Anwendbar ist danach für registrierte Rechtsträger das Recht des Staates, in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen sind. Für (noch) nicht registrierte Rechtsträger ist das Recht maßgeblich, nach dem sie organisiert sind.

2.     Rechtsfähigkeit – Prozessfähigkeit  – Artikel 10 EGBGB

Das Gesellschaftsstatut bestimmt die Frage, um was für eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person es sich handelt, sowie die Fähigkeit, Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein (Rechtsfähigkeit). Das Gesellschaftsstatut gilt insbesondere für Fragen der inneren Verfassung der Gesellschaft und ihres Auftretens im Rechtsverkehr sowie für die Haftung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder.

Die Partei- und Prozessfähigkeit, d. h. die Fähigkeit eines Rechtsträgers, Partei in einem gerichtlichen Verfahren zu sein und Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, unterfällt hingegen nicht dem Gesellschaftsstatut. Es handelt sich um eine verfahrensrechtliche Frage, für die das jeweils am Gerichtsort anwendbare Prozessrecht (lex fori) maßgeblich ist. Dennoch werden sich durch das Gesetz schwierige verfahrensrechtliche Probleme mit Auslandsgesellschaften, wie jüngst vor dem OLG Hamburg vermeiden lassen. Denn wenn bspw. eine ausländische Limited auch im Inland als Kapitalgesellschaft anzuerkennen ist, muss ihr als solche auch die Parteifähigkeit zuerkannt werden.

3.     Grenzüberschreitende Umwandlungen – Artikel 10a EGBGB

Für grenzüberschreitende Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Formwechsel) wird ebenfalls Rechtsklarheit geschaffen. Die Voraussetzungen, das Verfahren und die Wirkungen einer grenzüberschreitenden Umwandlung richten sich zukünftig für jeden der beteiligten Rechtsträger nach seinem eigenen Gesellschaftsstatut. Dies entspricht zukünftig den Regelungen der Verschmelzungsrichtlinie [4] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005.

4.     Grenzüberschreitender Rechtsformwechsel  – Artikel 10a EGBGB

Die Gesellschaft kann zukünftig unter Wahrung ihrer Identität dem Recht eines anderen Staates unterstellt werden ( grenzüberschreitender Rechtsformwechsel).

Beispiel: Eine deutsche GmbH kann unter bestimmten Voraussetzungen ihren Sitz nach Frankreich verlegen, indem sie sich als „Société à responsabilité limitée“ (S.A.R.L.) in das französische Register eintragen und im deutschen Handelsregister löschen lässt.

Vorsaussetzung ist aber insbesondere, dass die beiden beteiligten Rechtsordnungen den Statutenwechsel generell und auf dem gewählten Wege überhaupt zulassen. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, bleibt es bei der bisher anwendbaren Rechtsordnung. Sollen Gesellschaften, Vereine oder juristische Personen in diesem Fall trotzdem der Rechtsordnung eines anderen Staates unterliegen, müssen sie aufgelöst und nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Staates neu gegründet werden.

Alternativ hierzu kann eine deutsche GmbH zukünftig ihren Verwaltungssitz in das europäische Ausland verlegen und ihre Geschäftstätigkeit auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets entfalten. Lässt sie sich im Ausland nicht als Auslandsgesellschaft des Zielstaates registrieren, findet auch im EU-Ausland deutsches GmbH-Recht Anwendung. Eine attraktive Möglichkeit für international operierende deutsche GmbH, ihre Auslandstöchter in der Rechtsform der vertrauten GmbH zu führen und nicht mehr auf unbekannte ausländische Rechtsformen ausweichen zu müssen.

Eine gesetzliche Absicherung dieses Wegzugs über die Grenze könnte § 4a MoMiG schaffen. Er soll zukünftig lauten:

„Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt.“

Es besteht dann in Abkehr von der herkömmlichen Sitztheorie schon Kraft Gesetzes keine Bindung mehr an den Ort der Geschäftsleitung oder der Verwaltung der Gesellschaft.

Es fehlt dann „nur“ noch die steuerliche Flankierung dieser Wegzugsmöglichkeiten durch Steuerfreistellung des Wegzugs bzw. Aufschub der Versteuerung stiller Reserven im Wegzugsfall. Die heutige Wegzugsbesteuerung dürfte in der Parxis regelmäßig dazu führen, von den Optionen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung keinen Gebrauch zu machen.

5.     Ergänzender Schutz des Rechtsverkehrs – Artikel 12 EGBGB

Zum Schutz des Vertrauens natürlicher Personen auf eine nach dem Recht des Abschlussortes bestehende Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit des ausländischen Vertragspartners (und vice versa) bestimmt Artikel 12 EGBGB dass sich der nach dem Recht des anderen Staates tatsächlich aber nicht rechts-, geschäfts- und handlungsfähige nur dann darauf berufen kann, wenn der andere Vertragsteil bei Vertragsabschluß diese Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit kannte oder kennen musste. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf nicht rechtsfähige ausländische Gesellschaften ist umstritten [5].

Auch dieses Problem beseitigt der Gesetzentwurf durch Erstreckung des Vertrauensschutzes auf Gesellschaften, Vereine und juristische Personen. Wird ein Vertrag mit einer Gesellschaft, einem Verein oder einer juristischen Person geschlossen und befinden sich das Organ oder Organmitglied der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person und der andere Vertragsteil bei Vertragsabschluss in demselben Staat, ist die bisherige Schutzvorschrift des Artikel 12 EGBGB (zukünftig Abs. 1) auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person und die Vertretungsmacht des Organs oder Organmitglieds entsprechend anzuwenden.

Der zukünftige Artikel 12 Abs. 3 EGBGB enthält eine weitere Vertrauensschutzregelung für den Fall des „Handelns unter falschem Recht“. Untersteht eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft nach Maßgabe der Sitztheorie oder dem neuen Artikel 10 EGBGB deutschem Gesellschaftsrecht, so liegt ein Fall des „Handelns unter falschem Recht“ vor[6]. Davon betroffen sind sog. Scheinauslandsgesellschaften(„PseudoForeign Corporations“), d.h. Gesellschaften ausländischer Rechtsform mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland.

Der Gesetzentwurf zielt dabei auf Fälle der Verwendung eines unzutreffenden Rechtsformzusatzes ab oder dem Auftreten einer Gesellschaft im Verkehr mit Dritten, als unterliege sie einem anderen Gesellschaftsstatut als nach dem neuen Artikel 10 EGBGB. Der Gesetzgeber erachtet es in diesen Fällen als nicht sachgerecht, einen gutgläubigen Dritten auf das tatsächliche Gesellschaftsstatut nach Artikel 10 EGBGB zu verweisen. Vielmehr soll der gutgläubige Dritte sich auf das Recht berufen können, unter dem die Gesellschaft ihm gegenüber aufgetreten ist.

 

Fazit

Der Gesetzentwurf beseitigt im Einlang mit der europäischen Rechtsentwicklung die mit der in der deutschen Rechtsprechung herrschende Sitztheorie und die damit verbundenen vielfältigen Rechtsprobleme. Durch die Erstreckung auch auf Drittlandsgesellschaften wird die Behandlung sämtlicher in Deutschland auftretender Auslandsgesellschaften vereinheitlicht. Unternehmen werden zukünftig deutlich freier in der Wahl des Gesellschaftsstatuts sein, nicht nur bei Gründung, sondern auch danach. Es ist damit zu rechnen, dass das vielleicht schon in der ersten Jahreshälfte 2008 in Kraft treten kann.

Zu wünschen bleibt, dass das Steuerrecht die zivilrechtlichen Möglichkeiten eines „Wegzugs“ nachvollziehen, damit steurrechtliche Hürden wie die Wegzugsbesteuerung nicht dazu führen, die Mobilität des neuen internationalitätstauglichen Gesellschaftsrechts bis zur faktischen Unanwendbarkeit zu beschränken.

Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT – Bonn

[1] Referentenentwurf „Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen“ vom 07. Januar 2008; http://www.bmj.bund.de/enid/Internationales_Privatrecht/Internationales_Gesellschaftsrecht_1fh.html.

[2] Az. 11 U 231/04, NZG 2007, 597 ff.

[3] Vgl. insb. Urteil vom 5. November 2002, Rs. C-208/00, EuGHE I 2002, S. 9919 ff. („Überseering“) und Urteil vom 30. September 2003, Rs. C- 167/01, EuGHE I 2003, S. 10155 ff. („Inspire Art“)).

[4] Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (Verschmelzungsrichtlinie – ABl. EU Nr. L 310 vom 25. November 2005 S. 1 ff., vgl. z. B. Artikel 4 Abs. 1 b)).

[5] Ablehnend bspw. Palandt-Heldrich, 67. Auflage, 2008, EGBGB 12, Rdnr. 2 m.w.N..

[6] Münchener Kommentar zum BGB – Kindler, 4. Auflage 2006, Band 11, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht[Kaufleute, Juristische Personen und Gesellschaften], Rdnr, 464 und 465-467.

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