„Der Tod und das Mädchen“ ist ein bekanntes Streichquartett von Franz Schubert. Der „Tod und die Gesellschafterliste“ könnte das Zeug für einen juristischen Klassiker haben. Das OLG Karlsruhe hatte sich in einem aktuellen Beschluss vom 27. April 2022 – 1 W 71/21 (Wx) mit der Frage zu beschäftigen, wie zu verfahren ist, wenn ein in der Gesellschafterliste eingetragener Gesellschafter zwischenzeitlich verstorben ist. Die Entscheidung ist bereits im rechtswissenschaftlichen Schrifttum besprochen worden. Grund genug, sie sich näher anzusehen.
Der Sachverhalt:
An einer GmbH waren vier Gesellschafter beteiligt: Die Eltern sowie deren beiden Kinder. Der Vater war der einzige Geschäftsführer der GmbH. Die Ehefrau sowie die beiden Kinder waren „nur“ Gesellschafter. Alle vier Gesellschafter waren in der Gesellschafterliste eingetragen. Der Vater ist verstorben. Über die Erbfolge bestand Streit. Die Mutter/Ehefrau ist an Demenz erkrankt und war geschäftsunfähig. Für sie wurde während des Verfahrens ein Betreuer bestellt. Die beiden Kinder konnten sich nicht auf einen Geschäftsführer einigen. Ein Kind stellte beim Amtsgericht einen Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers. Das AG Mannheim (Registergericht) lehnte den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ab. Die Beschwerde gegen diesen ablehnenden Beschluss des AG Mannheim hatte beim OLG Karlsruhe Erfolg.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht kann einen Notgeschäftsführer bestellen, wenn die GmbH führungslos ist, die Gesellschafterversammlung nicht in der Lage ist, einen Geschäftsführer zu bestellen und ohne die Bestellung eines Geschäftsführers Schaden für die Gesellschaft droht.
Die Gesellschaft war führungslos. Der einzige Geschäftsführer war verstorben. Ein dringender Fall hätte auch vorgelegen. Die Gesellschaft konnte ihren gesetzlichen Pflichten nicht mehr nachkommen, insbesondere nicht der Veröffentlichungspflicht von Jahresabschlüssen. Fraglich war nur, ob die Gesellschafter nicht in der Lage waren, einen Geschäftsführer zu bestellen. Gemäß § 50 Abs. 3 GmbHG hätten die beiden Kinder zu einer Gesellschafterversammlung einladen können, obwohl sie nicht Geschäftsführer sind. Gemäß § 50 Abs. 3 GmbHG kann jeder Gesellschafter, der zu mehr als 10% am Stammkapital einer GmbH beteiligt ist, eine Gesellschafterversammlung einberufen, wenn das dafür zuständige Organ hierzu nicht in der Lage ist. Nach der Mitteilung des OLG Karlsruhe wäre dies sowohl bei den beiden Kindern als auch bei der (unter Betreuung stehenden) Mutter/Ehefrau der Fall gewesen. Unklar war allerdings, wer hätte eingeladen werden müssen. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind „die Gesellschafter“ zur Gesellschafterversammlung zu laden. Gesellschafter sind gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter; auch wenn es eine „Veränderung in der Person des Gesellschafters“ gegeben hat. Darin bestand für alle Beteiligten das Problem.
In der Gesellschafterliste eingetragen war der Ehemann/Vater. Dieser war verstorben. Der oder die Erben waren unklar. Sie waren nicht in der Gesellschafterliste eingetragen. Wenn die Erbenstellung nach einem Gesellschafter unklar ist, wird Nachlasspflegschaft angeordnet. Eine solche Anordnung kann „jedermann“ gegenüber dem Amtsgericht anregen. Ein Nachlasspfleger ist dann in die Gesellschafterliste anstelle des verstorbenen Gesellschafters aufzunehmen. Hierfür wiederum ist eine Änderung der Gesellschafterliste notwendig. Eine Änderung der Gesellschafterliste kann gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG nur ein Geschäftsführer bewirken. Einen Geschäftsführer gab es nicht; der einzige Geschäftsführer (Ehemann/Vater) war verstorben. Der Geschäftsführer wird durch die Gesellschafterversammlung bestellt. Diese konnte nicht einberufen werden, da in der Gesellschafterliste noch der verstorbene Ehemann/Vater als Gesellschafter eingetragen war.
Um ein solches Dilemma zu beseitigen, kann nach dem Beschluss des OLG Karlsruhe ein Notgeschäftsführer bestellt werden. Allerdings hat ein solcher Notgeschäftsführer nur einen eingeschränkten Aufgabenkreis. Seine Aufgabe besteht darin, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, in welcher die Gesellschafter einen neuen Geschäftsführer bestellen können und eine Änderung der Gesellschafterliste zu bewirken. Dies hatte das Registergericht bei seiner Entscheidung verkannt. Der Antrag des Sohnes hatte daher Erfolg. Ein Notgeschäftsführer mit diesem eingeschränkten Aufgabenkreis war zu bestellen.
Folgen für die Praxis und Empfehlung
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe bietet bei einem solchen „Dilemma“ einen sinnvollen Ausweg. Ein Notgeschäftsführer mit einer einzigen Aufgabe wird bestellt: Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers sowie Abänderung der Gesellschafterliste. Im konkreten Fall wäre in der Gesellschafterliste ein Nachlasspfleger aufzunehmen. Ein Erbschein lag noch nicht vor. Erfreulicherweise hat das OLG Karlsruhe klargestellt, dass ein solches Erbscheinverfahren nicht vorrangig durchzuführen ist. Für die Praxis ist dies ein wichtiger Hinweis. Erbscheinverfahren können bei unklarer Erbfolge Jahre in Anspruch nehmen. Wäre ein solches Erbscheinverfahren vorrangig durchzuführen, würde über Jahre Unklarheit drohen. Wird hingegen bei unklarer Erbfolge ein Nachlasspfleger als „Gesellschafter“ eingetragen, können Gesellschafterversammlungen ordnungsgemäß einberufen und durchgeführt werden.
Autor: Andreas Menkel
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