01.09.2021

Viele Betroffene der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und im Ahrtal stehen vor der Entscheidung, ob sie ihre zerstörte Immobilie an Ort und Stelle wiederaufbauen oder woanders neu anfangen wollen.

Wer sich trotz bestehender Wohngebäudeversicherung gegen den Wiederaufbau und für den Verkauf des Grundstücks entscheidet, sollte einen wichtigen Aspekt im Zusammenhang mit der Wohngebäudeversicherung bei der Bemessung des Kaufpreises und der Gestaltung des Kaufvertrages berücksichtigen:

Gemäß § 95 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein.


Flutkatastrophe in Deutschland – Rechtliche Fragen aufgeklärt (Copyright: 178438955/adobe.stock)

Wem steht beim Verkauf des Grundstücks der Anspruch auf die Versicherungssumme aus der Wohngebäudeversicherung zu?

Wird ein Grundstück samt Gebäude nach Eintritt des Versicherungsfalls veräußert, steht der Anspruch auf die Versicherungssumme allerdings trotz § 95 VVG dem Veräußerer zu.

Das gilt allerdings nicht einschränkungslos: Bei neueren Policen richtet sich die Versicherungssumme in der Regel nach dem Neuwert des Gebäudes, d.h. dem Betrag, der aktuell für die Wiederherstellung aufgewandt werden muss.

Um sicherzustellen, dass der Neuwert nur dann gezahlt wird, wenn das Gebäude auch tatsächlich wiederaufgebaut wird, enthalten viele Policen eine sogenannte „Wiederherstellungsklausel“. Dabei wird die Erstattung des den Zeitwert überschreitenden Teils („Neuwertanteil“) an die tatsächliche Wiederherstellung geknüpft. Regelmäßig muss die Wiederherstellung innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt sein. Ist die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zu vertreten, genügt es, das Gebäude an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu errichten.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist für die Sicherstellung der Wiederherstellung die verbindliche Vergabe von Bauleistungen bzw. der verbindliche Abschluss eines Bauvertrages mit einem leistungsfähigen Unternehmer erforderlich, eine bloße Bauplanung reicht hingegen nicht aus (BGH, Urt. v. 18. 2. 2004 ‒ IV ZR 94/03).

Wird die zerstörte Sache veräußert, bevor die Wiederherstellung sichergestellt ist, sichert also erst der Erwerber nach Eigentumsübergang die Wiederherstellung, entsteht der Anspruch auf den Neuwertanteil in der Person des Erwerbers. Der Erwerber tritt mit Eigentumsübergang gemäß § 95 Abs. 1 VVG also auch in den Anspruch auf Erstattung des Neuwertanteils ein, wenn der Versicherungsfall vor Eigentumsübergang eingetreten ist.

Folgerungen für die Bemessung des Kaufpreises und den Inhalt des Grundstückskaufvertrages

Für die Bemessung des Kaufpreises und den Inhalt des Grundstückskaufvertrages ist es daher wichtig, sich bewusst zu machen, wem welcher Anteil an der Versicherungsleistung zustehen soll. Das ist eine rein wirtschaftliche Fragestellung.

Zu berücksichtigen ist, dass Ansprüche, die einmal in der Person des Veräußerers entstanden sind, nicht gemäß § 95 Abs. 1 VVG auf den Erwerber übergehen. In den Fällen, in denen die Sicherstellung der Wiederherstellung des Gebäudes Voraussetzung für die Anspruchsentstehung ist, hängt es dementsprechend davon ab, ob der Erwerber die Wiederherstellung vor oder nach Eigentumsumschreibung im Grundbuch sicherstellt. Oft hängt die Eigentumsumschreibung mehr oder weniger vom Zufall bzw. den Bearbeitungszeiten beim Grundbuchamt ab.

Mit dem beurkundenden Notar sollte daher geklärt werden, dass der Kaufvertrag eine interessengerechte Regelung enthält, wem der Neuwertanteil bei Wiederherstellung durch den Erwerber zustehen soll:

  • Ist gewollt, dass der Neuwertanteil dem Erwerber zusteht, sollten ihm die Ansprüche vorsorglich für den Fall abgetreten werden, dass sie doch vor Eigentumsumschreibung noch in der Person des Veräußerers entstehen.
  • Soll der Neuwertanteil noch dem Veräußerer zustehen, sollte auch hierzu eine Regelung getroffen werden.
  • In jedem Fall sollte dieser Aspekt bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt werden.

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