Der gesetzliche Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit befindet sich bekanntlich in § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Arbeitnehmer haben bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen einen unbefristeten Teilzeitanspruch. Demgegenüber kann der Arbeitgeber entgegenstehende betriebliche Gründe benennen, § 8 Abs. 4 TzBfG. Über die Frage, ob solche entgegenstehenden betrieblichen Gründe vorliegen, entsteht regelmäßig Streit. Das LAG Köln hatte zu dieser Frage nun aktuell einen Rechtsstreit zu entscheiden. In dem Fall ging es auch um die Frage, in welchem Rangverhältnis gleichzeitige Teilzeitwünsche mehrerer Arbeitnehmer stehen (LAG Köln v. 28.11.2019, 7 Sa 368/19). Die Entscheidung enthält wertvolle Hinweise für die Praxis und soll daher hier besprochen werden.
Der Fall (verkürzt):
Die Entscheidung ist im Hinblick auf ihren Sachverhalt nicht vollständig dokumentiert. Wir beschränken uns daher auf die wenigen Rahmeninformationen, die dem Urteil zu entnehmen sind.
Der klagende Arbeitnehmer ist bei einem Luftfahrtunternehmen beschäftigt. Er hat einen Teilzeitantrag unbefristet geltend gemacht. Dieser war darauf gerichtet, die geschuldete Vollarbeitszeit jährlich in den Zeitblöcken 24.01. bis 09.03. und vom 23.10. bis zum 06.12. eines jeden Jahres durch Freistellungszeiträume zu unterbrechen.
Das Unternehmen hat diesem Teilzeitbegehren betriebliche Gründe entgegengehalten. Vor allem wurde darauf hingewiesen, dass die Planungen nur stets für ein Jahr vorgenommen werden könnten. Daher könne man Teilzeitansprüche auch nur stets befristet für ein Jahr akzeptieren. Eine unbefristete Zustimmung sei nicht möglich. Zudem hat sich der Arbeitgeber ausdrücklich vorbehalten, jährlich über ein neues Arbeitszeitkonzept neu zu entscheiden. Auch dies stünde dem Teilzeitwunsch entgegen. Schließlich hat das Unternehmen in seinen Regelungen festgelegt, dass bei mehreren gleichzeitigen Teilzeitwünschen dem Kriterium der sogenannten Seniorität der höchste Stellenwert zukommen solle.
Das Arbeitsgericht hat dem Teilzeitanspruch unbefristet stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts vollumfänglich bestätigt.
1. Entgegenstehende betriebliche Gründe
Einem Teilzeitanspruch können nach § 8 Abs. 4 TzBfG betriebliche Gründe entgegengehalten werden. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG liegt ein betrieblicher Grund insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Nach der Rechtsprechung des BAG erfolgt die Prüfung betrieblicher Gründe des Arbeitgebers regelmäßig in drei Stufen.
Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrundeliegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden.
2. Kein nachvollziehbares Organisationskonzept
Das LAG hat schon ein betriebliches Organisationskonzept auf der ersten Prüfungsstufe abgelehnt. Dazu stellt das LAG klar, dass das nach der Rechtsprechung des BAG auf der ersten Prüfungsstufe angesiedelte betriebliche Organisationskonzept nicht gleichzusetzen ist mit der „vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung“. Das betriebliche Organisationskonzept im Sinne der BAG-Rechtsprechung bezieht sich vielmehr darauf, nach welchen Konzepten und mit welchen organisatorischen Überlegungen ein Unternehmen seine unternehmerischen Ziele und Zwecke verfolgt, also z.B. ein Produktionsunternehmen die Produktion von Wirtschaftsgütern, ein Handelsunternehmen den Vertrieb seiner Waren oder bei einer Fluggesellschaft die Organisation der angebotenen Transportleistungen.
Hinweis für die Praxis:
Ein betriebliches Organisationskonzept in diesem Sinne ist also der Arbeitszeitplanung für die Belegschaft vorgelagert, aber eben gerade nicht mit dieser identisch. Aus dem betrieblichen Organisationskonzept können sich natürlich Sachzwänge ergeben, die Einfluss auf die Art und Weise der Arbeitszeitgestaltung haben können. Ob solche Sachzwänge den Arbeitgeber berechtigen, im Rahmen der Arbeitszeitregelung Teilzeitwünsche einzelner Arbeitnehmer abzulehnen oder einzuschränken, ist Gegenstand der Prüfung des betrieblichen Grundes.
3. Keine Kontingentierung der Teilzeitgewährung
Der Arbeitgeber hatte im vorliegenden Fall zudem die Teilzeitgewährung jeweils im Voraus für ein Jahr kontingentiert. Aus dies entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 8 TzBfG. Die gesetzliche Anspruchsnorm verlangt vielmehr, dass jeder nach den Regeln des TzBfG ordnungsgemäß vorgebrachter Teilzeitantrag einer Einzelfallprüfung unterzogen wird. Der Arbeitgeber ist also nicht berechtigt, die Anzahl etwaiger Teilzeitansprüche bereits im Voraus festzulegen.
4. Keine Befristung des Teilzeitantrages
Der Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG ist auf eine unbefristete Reduzierung der Arbeitszeit ausgerichtet. Es gibt auch nur diesen Anspruch aus dem Gesetz. Soweit der Arbeitgeber hier vorgetragen hat, sein betriebliches Konzept spreche einer unbefristeten Reduzierung entgegen, hat das LAG dem deutlich widersprochen. So ist die angebliche Unmöglichkeit, soweit in die Zukunft planen zu können, gerade kein entgegenstehendes unternehmerisches Konzept, sondern ein allgemeines Lebensrisiko, so das Arbeitsgericht.
Fazit:
Die Entscheidung des LAG Köln enthält wertvolle Hinweise für die Zulässigkeit von entgegenstehenden betrieblichen Gründen bei Teilzeitansprüchen. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung des betrieblichen Organisationskonzepts von der als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung. Beide sind nicht gleichzusetzen. Der Arbeitgeber muss zunächst ein betriebliches Organisationskonzept festlegen und plausibel darlegen. Erst hieraus folgt dann eine konkrete Arbeitszeitregelung für jeden einzelnen Mitarbeiter. Nicht zulässig ist die Befristung von Teilzeitansprüchen. Hierauf kann auch kein betriebliches Konzept gestützt werden. Die Vorgaben des LAG Köln sind bei der Ablehnung von Teilzeitansprüchen zu beachten.
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