10.11.2004 -

 

In seinem Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03, hat das Bundesarbeitsgericht erneut bestätigt, dass der Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Lediglich ausnahmsweise können die Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebieten.

 

Der Fall:

 

Die Arbeitnehmerin, Verkäuferin in einem Warenhaus, war in ihrem Arbeitsbereich, der Spirituosenabteilung, mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Noch vor der Ladenöffnungszeit stellte sie eine Tragetasche, gefüllt mit 62 Minifläschchen Alkoholika („Gräfs, Kümmerling, Kobold“) und zwei Rollen Küchenkrepp in die Telefonzentrale, wo üblicherweise die von den Mitarbeitern vorgenommenen Personaleinkäufe abgestellt werden. Eine in der Telefonzentrale beschäftigte Mitarbeiterin sah dies und informierte die für den Lebensmittelbereich zuständige Teamleiterin. Diese, der Abteilungsleiter Verwaltung/Warenwirtschaft und der Betriebsratsvorsitzende inspizierten die Tragetasche und warteten ab, was die Arbeitnehmerin damit vorhatte. Als diese zum Schichtende mit der Tragetasche den Betrieb verlassen wollte, wurde sie mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. Sie verteidigte sich mit der Behauptung, es handele sich um unverkäufliche Ware.

 

Zu Unrecht, wie das Bundesarbeitsgericht entschied. Mit dem Einwand, die Waren seien nicht mehr zu Veräußerung bestimmt gewesen und hätten daher für den Arbeitgeber keinen wirtschaftlichen Wert, könne die Arbeitnehmerin nicht gehört werden. Schließlich hänge der wirtschaftliche Wert einer Sache nicht allein von dessen Verkaufsfähigkeit ab. Selbst wenn die Arbeitgeberin nicht mehr vor hatte, derartige Minifläschchen im normalen Geschäftsbetrieb zu veräußern, habe sie – so das Bundesarbeitsgericht – immer noch die naheliegende Möglichkeit gehabt, diese Fläschchen etwa bei Betriebsfesten zu verwenden oder einfach zu verschenken. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist es sei allein Sache der Arbeitgeberin als Eigentümerin zu entscheiden, wie sie über abgeschriebene Waren verfügen wolle. Nichts anderes gelte deshalb auch für die beiden Küchenrollen, zumal nicht auszuschließen gewesen sei, dass sie lediglich als Tarnung oben auf den Minifläschchen lagen, wie es dem äußeren Erscheinungsbild nach ausgesehen habe.

 

Zuletzt könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, so das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.12.2003 weiter, wie es sich in einem Einzelhandelsbetrieb auf das Verhalten anderer Arbeitnehmer auswirken müsse, wenn die Arbeitgeberin derartige Versuche von Eigentumsdelikten in ihrem Betrieb ohne größere Sanktionen zulasse. In einem Handelsunternehmen, dessen Waren den Arbeitnehmer anvertraut seien, könne es allein aus Gründen der Abschreckung der anderen Arbeitnehmer erforderlich sein, in Diebstahlsfällen hart durchzugreifen.

 

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hätte auch eine bloße Abmahnung zur Ahndung des Verhaltens nicht ausgereicht. Denn ein Arbeitnehmer in einem Warenhausbetrieb müsse normalerweise davon ausgehen, dass er mit einem Diebstahl oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt.

 

Bewertung:

 

Das Bundesarbeitsgericht knüpft mit dieser neuen Entscheidung an seine bisherige Rechtsprechung an, nach der die unbefugte Aneignung geringwertiger Gegenstände stets als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt und lediglich die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen der Interessenabwägung zu einem abweichenden Ergebnis führen kann.

 

Verfasserin: Ebba Herfs-Röttgen, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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