18.03.2021 -

Der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern ergibt sich aus dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), ggf. in Verbindung mit tarifvertraglichen oder individuellen arbeitsvertraglichen Regelugen.

Im vergangenen Jahr waren deutschlandweit viele Arbeitnehmer an der Einlösung ihrer Urlaubsansprüche durch die Pandemie gehindert, denn wo hätte man schon hinfahren können? Nun mag sich dies zwar im Laufe des Jahres 2021 ändern, allerdings befinden sich weiterhin zahlreiche Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die sogenannte „Kurzarbeit Null“ (also die vollständige Reduzierung der Arbeitszeit auf null Prozent) auf den Urlaubsanspruch auswirkt.

Mit dieser Frage hat sich auch das LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.3.2021 – 6 Sa 824/20) beschäftigt und stellt klar: während der Kurzarbeit Null werden keine Urlaubsansprüche erworben.


Die Entscheidung des LAG Düsseldorf dürfte in der andauernden Corona-Krise von weitreichender Bedeutung sein (Copyright: marcus_hofmann/adobe.stock).

Der Fall

Die beklagte Arbeitgeberin ist ein Betrieb der Systemgastronomie. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin und bei der Beklagten seit dem 1. März 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten in Teilzeit in einer Drei-Tage-Woche beschäftigt. Sie hat – bezogen auf diese Drei-Tage-Woche – einen Anspruch auf 14 Urlaubstage im Jahr. Ab April 2020 galt für sie über mehrere Monate hinweg Kurzarbeit Null.

Die Beklagte gewährte der Klägerin deshalb für das Jahr 2020 nur einen anteilig gekürzten Urlaubsanspruch von 11,5 Tagen. Hiergegen wandte sich die Klägerin beim Arbeitsgericht Essen und forderte restlichen Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 in Höhe von 2,5 Tagen.

Sie ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche, weil konjunkturbedingte Kurzarbeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolge, sondern im Interesse des Arbeitgebers liege. Kurzarbeit Null könne auch nicht mit Freizeit gleichgesetzt werden, da Arbeitnehmer auch in diesen Zeiten Meldepflichten unterliegen und der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig beenden könne, so dass die freie Zeit nicht zur Disposition der Arbeitnehmer stehe.

Die Arbeitgeberin ist hingegen der Ansicht, dass mangels Arbeitspflicht auch keine Urlaubsansprüche entstehen könnten.
Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage mit Urteil vom 6. Oktober 2020 abgewiesen (1 Ca 2155/20).

Die Entscheidung

Die Berufung der Arbeitnehmerin hatte ebenfalls keinen Erfolg. Nach Ansicht des LAG könne kein Urlaubsanspruch erworben werden, wenn keine Arbeitspflicht bestehe. Der Jahresurlaub sei deshalb für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 zu kürzen.

I. Entstehung des Urlaubsanspruchs

Die Entstehung des gesetzlich festgeschriebenen Mindesturlaubsanspruchs ist in § 3 BUrlG geregelt. Von ihm kann nicht – auch nicht durch tarifvertragliche Regelungen (§ 13 BUrlG) – zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Zu Gunsten des Arbeitnehmers steht es den Vertragsparteien jedoch frei, abweichende Regelungen zu treffen. Unberücksichtigt bleiben hiervon auch Ansprüche auf zusätzlichen Urlaub, wie er etwa Menschen mit einer Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX zusteht. § 3 BUrlG richtet sich nach dem Kalenderjahr und orientiert sich am Normalfall der Vollzeitbeschäftigung. Für Teilzeitbeschäftigte ist der Urlaubsanspruch demnach abhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit herunter zu brechen und anteilig zu berechnen.

II. Erholungsurlaub bezweckt: Erholung

Das LAG Düsseldorf begründet seine Entscheidung mit folgender Überlegung: Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs ist die Erholung. Für eine solche bedarf es zuvor jedoch der Verpflichtung zur Tätigkeit, da sich von einer nicht auszuführenden Tätigkeit nicht erholt werden muss. Während der Kurzarbeit Null sind sowohl die arbeitgeberseitigen, als auch die arbeitnehmerseitigen Leistungspflichten aufgehoben. Kurzarbeiter werden deshalb im Hinblick auf die Urlaubsansprüche wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Anspruch auf Erholungsurlaub ebenfalls nur anteilig entsteht.

III. Europäisches Urlaubsrecht

Diese Überzeugung des LAG Düsseldorfs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum internationalen Urlaubsrecht. Nach dieser entsteht während Kurzarbeit Null kein Anspruch auf den europäischen Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (so EuGH, Urteil vom 8.11.2012 – C-229/11, C-230/11). Das deutsche Recht enthält keine hiervon abweichende günstigere Regelung, auf die sich die Klägerin stützen könnte. Es existiert weder eine spezielle Urlaubsregelung für Kurzarbeit, noch ergibt sich eine solche aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Vor allem aber ist Kurzarbeit Null nicht mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen, bei der sowohl nach europäischer, als auch nach deutscher Rechtsprechung der Urlaubsanspruch in vollem Umfang entsteht.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf ist von weitreichender Bedeutung für Arbeitgeber bundesweit. Bislang gingen insbesondere Betriebsräte und Gewerkschaften davon aus, dass trotz Kurzarbeit ein ungekürzter Anspruch der Arbeitnehmer auf Erholungsurlaub entsteht. Dem wurde nun durch das LAG Düsseldorf eine Absage erteilt. Die Entscheidung ist nicht nur dogmatisch folgerichtig, sondern stellt für Arbeitgeber auch eine Erleichterung für die Planung der Arbeitseinsätze der kommenden Monate dar. Zu beachten ist hierbei, dass in dem vom LAG Düsseldorf entschiedenen Fall Kurzarbeit Null für mehrere Monate am Stück vorlag und die Kürzung des Urlaubsanspruchs deshalb pro vollem Monat um 1/12 des Jahresurlaubs erfolgte. Bei einem geringeren Anteil an Kurzarbeit Null entfällt auch der Urlaubsanspruch nicht komplett, sondern ist ebenfalls nach den im Einzelfall vorliegenden Umständen anteilig zu kürzen und anzupassen.

Da das LAG aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu dieser Frage bald auch eine höchstrichterliche Klärung geben wird.

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