Der BGH hat mit Urteil vom 27. Oktober 2020 – II ZR 150/19 – klarstellend Wege aufgezeigt, wie Gesellschafter ihr Guthaben nach Beendigung der Liquidation einfordern und durchsetzen können. Dafür lässt der BGH mehrere Varianten zu, für die grundsätzlich ein Wahlrecht besteht, sofern nicht bestimmte Ausnahmesituationen vorliegen.
Hinweis: Nach dem am 20. Januar 2021 vorgelegten Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) wird das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vielfältigen Änderungen unterworfen sein. Wo es sinnvoll erscheint, haben wir durch MoPeG-Klammerzusätze bereits jetzt auf die voraussichtlich zukünftigen Änderungen und geänderten Paragrafennummern hingewiesen.
Wie Gesellschafter ihr Guthaben gegen Mitgesellschafter realisieren können (Copyright: Zerbor/adobe.stock).
Der Fall
Geklagt hatte ein Gesellschafter (A) einer Zweipersonengesellschaft (A&B GbR) nachdem die Liquidation abgeschlossen war und nach Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz, die A als Liquidator der Gesellschaft beauftragt hatte. Die Bilanz wies eine Auseinandersetzungsforderung des A und eine Auseinandersetzungsverbindlichkeit des B in gleicher Höhe aus. Weil B seine Zustimmung verweigert hatte, war die Auseinandersetzungsbilanz nicht durch Gesellschafterbeschluss festgestellt worden. A begehrte mit der für die GbR erhobene Klage das Ziel, B zu verurteilen, einen Nachschuss in Höhe der Auseinandersetzungsverbindlichkeit an die GbR zu zahlen, um damit seinen Anspruch auf Einlagenrückgewähr gegen die Gesellschaft werthaltig zu machen. A bekam erst in letzter Instanz Recht.
Die Entscheidung
- Zunächst einmal stellt der BGH klar, dass A berechtigt war im Namen der GbR zu klagen. Denn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann nach ihrer Auflösung gemäß § 735 BGB (§ 737 MoPeG) Nachschüsse einfordern, auch wenn dies nur noch dem Ausgleich unter den Gesellschaftern dient. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren sämtliche Gesellschafter der GbR als deren Liquidatoren befugt (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB, zukünftig §§ 736, 736b Abs. 2 BGB MoPeG). B war von der Vertretung der klagenden GbR in diesem Rechtsstreit ausgeschlossen, da der Prozess gegen ihn geführt wurde.
- Bei einer Publikumsgesellschaft ist der Liquidator auch ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung befugt ist, namens der Gesellschaft rückständige Einlagen oder Nachschüsse nach § 735 BGB zum Zweck des internen Gesellschafterausgleichs einzufordern.
Diese Grundsätze hat der BGH jetzt auch auf andere Personengesellschaften – hier die GbR – übertragen. Nachschussforderungen sind Sozialansprüche, die ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis haben. Gläubigerin des Anspruchs auf Nachschuss, der auch den Ausgleich eines durch die Rückerstattung von Einlagen entstehenden Fehlbetrags umfasst, ist die Gesellschaft (§ 737 MoPeG). Solange der Gesellschaft noch ein Anspruch auf Nachschuss zusteht, ist ihre Vollbeendigung nicht eingetreten. Sie besteht fort.
- Wahlrecht des Gesellschafters, der für sich ein Guthaben beansprucht
Nach der Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedarf es zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens keiner förmlichen festgestellten Auseinandersetzungsbilanz, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. In derart eindeutigen Fällen bedarf es auch keiner Feststellung der Schlussrechnung, bspw. Auseinandersetzungsbilanz, um die Fälligkeit einer Nachschussforderung zu begründen.
- Vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung – Direktanspruch
In diesem Fall kann der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben beansprucht, dieses aufgrund einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen. Streitpunkte über die Richtigkeit der Schlussrechnung und die Klärung streitiger Abrechnungspositionen sind in diesem Prozess zu entscheiden. Eine Klage auf Zustimmung zur Auseinandersetzungsbilanz bedarf es dann nicht.
- Anspruch auf Einlagenrückgewähr
Die Möglichkeit einer vereinfachten Abwicklung schließt den auf Einlagenrückgewähr gerichteten Anspruch gegen die Gesellschaft nicht aus. Denn es kann – worauf der BGH zu Recht hinweist – im Einzelfall zweifelhaft sein, ob die Voraussetzungen eines Direktausgleichs aufgrund einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung vorliegen. Zudem können diese Voraussetzungen gegebenenfalls auch erst im Verlauf der Abwicklung und Auseinandersetzung eintreten. Würde es dem anspruchsberechtigten Gesellschafter in einem solchen Fall verwehrt, den „sicheren Weg“ zu gehen und die Anspruchsabwicklung über die Gesellschaft zu betreiben, würde die mit dem Mittel der vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung angestrebte Erleichterung in ihr Gegenteil verkehrt.
(Seltene) Ausnahme: Ist ein unmittelbarer Ausgleichsanspruch eindeutig(!) gegeben, könnte der Gesellschafter, der den Ausgleich dann unnötigerweise über die Gesellschaft betreibt und hierdurch treupflichtwidrig handelt, auf Erstattung der verursachten Mehrkosten der Gesellschaft haften.
- Nachschussanspruch in nicht eindeutigen Fällen
Liegen die Voraussetzungen für einen unmittelbaren Ausgleich auf der Grundlage einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung (noch) nicht vor, bspw. weil Abrechnungspositionen mehrerer Gesellschafter streitig sind, sollte vorsorglich immer eine vorherige Bilanzfeststellung durchgesetzt werden. Denn die Fälligkeit des Anspruchs auf Nachschuss hängt – vom Fall der vereinfachten Abwicklung abgesehen – grundsätzlich von der Feststellung der Schlussrechnung ab (BGH, Urteil vom 15.11.2011 – II ZR 266/09; Urteil vom 20.11.2012 – II ZR 99/10). Zwar ergibt sich der Nachschussanspruch bereits aus dem Gesetz und besteht unabhängig von der Zustimmung des einzelnen Gesellschafters (BGH, Urteil vom 15.11.2011 – II ZR 266/09; Urteil vom 20.11.2012 – II ZR 99/10). Die Feststellung der zugrundeliegenden Schlussrechnung ist aber in der Regel notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs. Die vorherige Feststellung der Schlussrechnung ist dann nicht entbehrlich.
Actio pro socio?
Zu denken wäre in diesen Fällen zudem an eine Klage des A im Wege der actio pro socio, also aus dem Recht des einzelnen Gesellschafters Sozialansprüche von seinen Mitgesellschaftern ohne Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter allein und im eigenen Namen zur Leistung an die Gesellschaft zu verlangen. Dieses Recht besteht unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis.Aber Vorsicht: Die actio pro socio ist subsidiär und bedarf eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Ihre Voraussetzungen müssen vorliegen und dargelegt werden. Die eigene Klageerhebung durch die Gesellschaft gegen einen Gesellschafter zur Erfüllung eines Sozialanspruchs führt zur nachträglichen Unzulässigkeit der Klage des Gesellschafters im Rahmen der actio pro socio.
- Vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung – Direktanspruch
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