Der Bedarf an neuen Wohn- und Gewerbeflächen steigt ständig, vor allem als Folge des Bevölkerungswachstums. Neue Wohn- und Geschäftshäuser entstehen, vorhandene, vor allem Altbauten, werden ausgebaut, modernisiert und renoviert. Dazu kommt, dass die vielerorts schwer in die Jahre gekommene Infrastruktur erweitert oder überarbeitet werden muss. All dies führt vor allem in Wachstums- und Metropolregionen dazu, dass Baulärm keine Ausnahme, sondern langfristige, tägliche Geräuschkulisse geworden ist.

Wer als Mieter in solchen Gebieten sein Geschäftslokal, sein Büro oder seine Praxis hat, fragt sich zwangsläufig, ob man eigentlich Baulärm und andere nach Mietbeginn auftretende laute Geräuschimmissionen als „ortsüblich“ oder „allgemeines Lebensrisiko“ hinnehmen muss oder ob derartige Beeinträchtigungen vertragliche Ansprüche gegen den eigenen Vermieter begründen könnten. Schließlich hat man ja ein ganz normales Objekt und nicht einen akustischen Logenplatz zur Großbaustelle angemietet.

Die Frage wird umso dringender, je eher von morgens bis nachmittags so laut gebohrt, gehämmert oder Krach gemacht wird, dass man das eigene Wort bei geöffnetem Fenster nicht mehr hört, die Kundschaft sich zu beschweren beginnt, Kunden vielleicht sogar ausbleiben oder nach ausreichend langer Dauerbeschallung irgendwann das eigene Nervenkostüm löchrig wird.


Zerreißprobe für das Nervenkostüm: Greifen bei Baulärm keine vertraglichen oder gesetzlichen Einschränkungen der Gewährleistungsrechte, ist der Mietgebrauch in Abhängigkeit von der Höhe der Beeinträchtigung in der Regel gemindert.   

Wann Baulärm als Mietmangel gilt

Lärmbelästigungen können einen Mangel der Mietsache begründen, unabhängig davon, ob sie vom Vermieter, von Mitmietern oder Dritten ausgehen. Die jeweilige Beeinträchtigung ist im Einzelfall zu bewerten, wobei technische Normen oder öffentlich-rechtliche Vorschriften über zulässige Messgrenzen zwar Anhaltspunkte für die Einstufung der Geräusche geben können, jedoch keine abschließende Beurteilung zulassen. Immerhin können Dauergeräusche auch dann störend wirken, wenn sie innerhalb zulässiger Messgrenzen liegen. Veranlasst der Vermieter selbst die Bauarbeiten, stehen dem Mieter Gewährleistungsansprüche gegen ihn zu, sofern deren Geltendmachung im Gewerbemietvertrag nicht eingeschränkt wurde (wie zum Beispiel durch Minderungsausschluss oder Aufrechnungsverbote unter Verweis auf Bereicherungsklage) oder nicht die besonderen Regelungen einer energetischen Modernisierung (§ 536 Abs. 1a BGB) eingreifen.

Greifen keine vertraglichen oder gesetzlichen Einschränkungen der Gewährleistungsrechte des Mieters ein, ist die (Brutto-)Miete bei einer erheblichen Beeinträchtigung des Mietgebrauchs gemindert. Die Höhe der angemessenen Minderung hängt von der jeweiligen Beeinträchtigung ab und ist stets einzelfallbezogen zu bemessen (z.B. 10% Minderung bei Baulärm durch eine ICE-Neubau-Strecke, LG Wiesbaden, WuM 2000, 184, oder 15% Minderung bei Gehwegarbeiten vor einem Ladengeschäft, LG Berlin, GE 2003, 669). Daneben können Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, wenn der Mieter, zum Beispiel durch erhöhte Reinigungskosten in Folge der Staubentwicklung, Aufwendungen tätigen muss oder ihm durch die Bauarbeiten ein Schaden entstanden ist. Sind Mitmieter die Störer, dann bestehen Unterlassungsansprüche gegen diese.

Lärmquelle Nachbargrundstück

Sehr viel häufiger noch geht es allerdings darum, ob und welche Ansprüche gegen den Vermieter bestehen, wenn Baustellenlärm vom Nachbargrundstück kommt. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob die künftige Bebauung in der Nachbarschaft den Mietvertragsparteien bei Vertragsabschluss bekannt war und als sog. Beschaffenheitsvereinbarung, also eine Art festgelegter Sollzustand, in den Vertrag aufgenommen wurde. Ist das der Fall, dann muss man Baulärm vom Nachbargrundstück als vertragsgemäß hinnehmen. Meistens fehlt – schon mangels Kenntnis der Parteien – dem Mietvertrag jedoch eine solche Vereinbarung.

Im Berliner Gerichtsbezirk wurde diese Problematik früher mit der sogenannten „Baulücken-Rechtsprechung“ gelöst. Hiernach sollte ein Recht zur Minderung ausgeschlossen sein, wenn der Mieter bei Vertragsabschluss davon ausgehen musste, dass auf der angrenzenden Baulücke irgendwann Bautätigkeiten ausgeführt werden. Sei schon bei einem Mietvertragsabschluss erkennbar, dass mit Bautätigkeit in der weiteren räumlichen Umgebung des Mietobjekts gerechnet werden müsse, u.a. aufgrund von Baulücken, so sei eine Minderung wegen Baulärms nicht gerechtfertigt. (LG Berlin, GE 2008, 268). An dieser Rechtsprechung hat das Landgericht Berlin später nicht mehr festgehalten, sondern in das Zentrum seiner Betrachtung gestellt, dass der Sollzustand einer Mietsache durch den Nutzungszweck bestimmt wird, den die Parteien vereinbart haben. Der Mieter könne nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Standard aufweisen, der bei vergleichbaren Objekten üblich ist. Die Mietsache entspreche dann dem vom Vermieter geschuldeten Mindeststandard, wenn sie frei von erheblichen (Bau-Immissionen sei (LG Berlin, GE 2014, 522).

Das OLG Frankfurt a.M. (NZM 2015, 542) entschied, dass Beeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit einer innerstädtischen Großbaustelle eintreten, nach den Umständen des Einzelfalls einen Mangel des benachbarten gewerblichen Mietobjekts darstellen können. Andere Instanzgerichte wie z.B. das LG München (NJW-RR 2016, 334) beziehen sich auf die sogenannte „Bolzplatz-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs (NJW 2015, 481) zu Kinderlärm und verneinen das Vorliegen eines Mangels, „wenn auch der Vermieter die nachträglich eingetretene erhöhte Geräuschimmission ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.“ Der Bundesgerichtshof hatte in der genannten Entscheidung die Kriterien des nachbarschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 BGB entsprechend auf die Regelungen im Mietrecht angewendet.

Der Bundesgerichtshof hat sich zu Minderungsrechten wegen Lärmstörungen einer Großbaustelle in der Nachbarschaft selbst bislang noch nicht explizit geäußert. Allerdings hat er einen Schadensersatzanspruch des Mieters gegen den Vermieter wegen einer Staubeinwirkung durch eine Großbaustelle in der Nachbarschaft bejaht, weil der Vermieter die ihm angebotenen Maßnahmen zur Abwendungen der Störungen durch die Großbaustelle ausgeschlagen und insoweit den eingetretenen Mangel zu vertreten hatte (GE 2015, 1395).

Zur Frage der Mietminderung bei Baulärm gibt es mittlerweile zahlreiche Urteile der Instanzgerichte, denen unterschiedlich gestaltete Einzelfälle zugrunde lagen. Entscheidend für das Vorliegen eines Mietmangels ist jedoch stets das Ausmaß und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung auf den Mietgebrauch, wofür der Mieter Beweis erbringen muss. Wenn Baulärm Ihren Betrieb stört, sprechen Sie uns an – wir helfen Ihnen, Ihre Abwehrrechte als Mieter zutreffend zu erkennen und nötigenfalls durchzusetzen.

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
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Thomas Krümmel, LL.M.
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