01.03.2004 -

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich nach § 87 Abs. 1 Ziffer 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch auf die Dauer und Lage der Pausen. Bislang bestand über den Begriff der Pause weitgehend Einigkeit darüber, dass in diesem Sinne nur unbezahlte Pausen gemeint sind. In einem bedeutsamen Urteil hat nun das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Mitbestimmungstatbestand für jede Art von Pausen gilt, gleich ob bezahlt oder unbezahlt (1. 7. 2003 – 1 ABR 20/02 -).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

 

In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Betriebsparteien über ein Mitbestimmungsrecht bei der zeitlichen Festlegung bezahlter tariflicher Kurzpausen.

 

Die Arbeitgeberin, ein Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost, wandte in ihren Betrieben den Manteltarifvertrag für Arbeiter vom 20. Oktober 2000 an (MTV-Arb). Nach dessen Anlage 2 a erhält jeder Arbeiter eine Erholungszeit im Umfang von 3 ½ Minuten je Arbeitsstunde.

 

Der Leiter der Niederlassung legte nun dem gewählten Betriebsrat mehrere Dienstpläne vor und bat um Zustimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Dienstpläne wiesen die zu Kurzpausen zusammengefassten tariflichen Erholungszeiten jeweils an Ende einer Dienstschicht aus. In diesem Fall konnten die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz entsprechend früher verlassen. Der Betriebsrat lehnte seine Zustimmung unter Hinweis auf die fehlende Erholungswirkung so gelegener Kurzpausen ab.

 

Die angerufene Einigungsstelle setzte ihr Verfahren bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung darüber aus, ob dem Betriebsrat bei der Festlegung der Lage der Erholungszeiten ein Mitbestimmungsrecht zustehe.

 

Die Entscheidung des BAG:

 

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der zeitlichen Lage der tariflichen Kurzpausen zugestanden.

 

I. Begriff der Pause

 

Betroffen ist der Mitbestimmungstatbestand der Festlegung von Beginn und Ende der Pausen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

 

Der Begriff der Pause ist in dieser Vorschrift nicht definiert; er wird vielmehr dort vorausgesetzt. Danach umfasst das Mitbestimmungsrecht zunächst Beginn und Ende der Ruhepausen im Sinne des § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Diese sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen. Solche Ruhepausen zählen arbeitszeitrechtlich nicht zur Arbeitszeit und stellen dementsprechend regelmäßig auch schuldrechtlich keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar.

 

Allerdings sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Pausen kürzere Unterbrechungen einer bestimmten Tätigkeit, die der Erholung dienen. Vergütungsrechtliche Folgen der Tätigkeitsunterbrechungen spielen demnach für die Begriffsbedeutung keine Rolle. Auch arbeitszeitrechtlich ist entscheidendes Merkmal der Pausen nicht die fehlende Vergütung, sondern die Freistellung von jeglicher Arbeitsverpflichtung, einschließlich der Verpflichtung, sich zur Arbeit bereit zu halten.

 

Aber: Ist die Zeit einer Freistellung – ungewöhnlicherweise – aufgrund besonderer vertraglicher oder tariflicher Bestimmungen zu vergüten, handelt es sich gleichwohl um eine Pause. Damit waren auch die in der Anlage zum MTV-Arb genannten tariflichen vergütungspflichtigen Kurzpausen Pausen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

 

II. Grenzen des Mitbestimmungsrechts

 

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann sich allerdings bei vergütungspflichtigen Pausen nur auf die bloße Festlegung ihrer zeitlichen Lage beschränken.

 

Grundsätzlich hat der Betriebsrat bei sozialen Angelegenheiten im Sinne von § 87 Abs. 1 BetrVG ein so genanntes Initiativrecht, das auch die Einführung und Dauer der Pausen einschließt. Dies setzt aber voraus, dass es um Beginn und Ende unbezahlter Pausen geht. Für ein Initiativrecht zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen und der Festlegung ihrer Dauer gibt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine Rechtsgrundlage her.

 

Andernfalls könnte der Betriebsrat über die Durchsetzung entsprechend langer Pausenzeiten den Umfang der Vergütungspflicht des Arbeitgebers beeinflussen. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht weder bezahlte Lärmpausen noch bezahlte Unterbrechungen der Arbeit an Bildschirmgeräten als Pausen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG angesehen, deren Einführung der Betriebsrat verlangen könnte.

 

In der vorliegenden Entscheidung ging es jedoch nicht um die Einführung bezahlter Kurzpausen. Vielmehr stand die Länge der tariflichen Kurzpausen bereits fest. Regelungsbedürftig und -fähig war allein die zeitliche Lage dieser Arbeitsunterbrechungen. In diesem begrenzten Umfang besteht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch für vergütungspflichtige Pausen.

 

III. Eingriff in die dem Arbeitgeber vorbehaltene Arbeitsorganisation?

 

Der Arbeitgeber beabsichtigte vorliegend, die tariflichen Kurzpausen an das Ende der jeweiligen Dienstschicht zu legen. Der Betriebsrat verweigerte nun seine Zustimmung. Der mit der Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts einhergehender Eingriff ist nach Meinung Bundesarbeitsgerichts in die grundsätzlich dem Arbeitgeber vorbehaltene Arbeitsorganisation gedeckt. Es gibt nach Auffassung des BAG keinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats insoweit zurücktreten müssen, als durch sie die Organisation des Arbeitsablaufs berührt wird.

 

Fazit damit:

 

Der Betriebsrat berief sich in zulässiger Weise auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Der Begriff der Pause ist vergütungsunabhängig. Ausschlaggebend ist allein die Frage, ob eine Tätigkeitsunterbrechung vorliegt. Dies war vorliegend der Fall.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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