17.08.2003 -

 

In der Insolvenz kommt ein besonderes Insolvenzarbeitsrecht zur Anwendung. Zwar gelten die abgeschlossenen Arbeitsverträge auch in der Insolvenz weiter. Es sind jedoch bestimmte Sonderregelungen anzuwenden. Von Bedeutung ist dabei vorrangig das Recht des Insolvenzverwalters, Arbeitsverträge mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen zu können, unabhängig von längeren einzelvertraglichen Fristen oder sogar einer Unkündbarkeit.

 

Wird vom Amtsgericht zunächst nur ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, behält der bisherige Arbeitgeber (Schuldner) seine Arbeitgeberfunktionen. Allerdings bedarf unter anderem der Ausspruch von Kündigungen dann der Zustimmung dieses vorläufigen Insolvenzverwalters. Wird diese Zustimmung der Kündigung nicht schriftlich beigefügt, hat der Arbeitnehmer ein Zurückweisungsrecht, das die Kündigung insgesamt unwirksam macht. Mit diesem für die Praxis durchaus bedeutsamen Sonderfall hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht zu beschäftigen (Urt. v. 10. 10. 2002 – 2 AZR 532/01 -).

 

Der Fall des BAG(verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war seit 1985 als kaufmännischer Angestellter bei der Arbeitgeberin (der Schuldnerin) beschäftigt. Das Amtsgericht Düsseldorf eröffnete im November 2000 über das Vermögen der Schuldnerin das vorläufige Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. In dem Beschluss heißt es unter anderem:

 

„Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO.)

Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin.“

 

Mit Schreiben vom 29. November 2000, dem Arbeitnehmer am 30. November 2000 zugegangen, kündigte die Schuldnerin „mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters“ das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2001 wegen der in Kürze erfolgenden Einstellung der Betriebstätigkeit.

Der Arbeitnehmer wies mit Schreiben vom 30. November 2000 die Kündigung mit

dem Hinweis zurück, dass „eine den vorläufigen Insolvenzverwalter ordnungsgemäß legitimieren­de Vollmachtsurkunde nicht beigefügt war.“

Die Klage des Arbeitnehmers hatte in allen drei Instanzen Erfolg.

 

Die Entscheidung des BAG:

I. Vorläufiger Insolvenzverwalter und Zustimmungsvorbehalt

Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Arbeitgeberin das Klägers. Das Amtsgericht Düsseldorf hatte den Beklagten lediglich zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative Insolvenzordnung (InsO) bestimmt, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände Ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Dieser Zustimmungsvorbehalt beließ der Schuldnerin zwar ihre Arbeitgeberfunktion und erhielt ihr die entsprechende Befugnisse, insbesondere ihr Befugnis zur Kündigung. Dennoch benötigte sie zur wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

 

II. Schriftlich Vorlage der Zustimmung zwingend erforderlich!

Der Arbeitnehmer konnte die Kündigung wirksam zurückweisen, weil die Schuldnerin bei Ausspruch der Kündigung nicht die Einwilligung des vorläufigen Insolvenzverwalters schriftlich vorgelegt hatte. Die unverzügliche Zurückweisung durch den Kläger erfolgte auch aus diesem Grund.

 

Über eine versteckte Normenkette im Bürgerlichen Gesetzbuch, die weitestgehend unbekannt ist, muss bei Kündigungen, deren Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, diese Zustimmung schriftlich zusammen mit der Kündigung vorgelegt werden. Diese Verweisungskette folgt aus den §§ 182 Abs. 3 i.V.m. § 111 Satz 2 und 3 BGB.

 

Aber: Wird die schriftliche Zustimmung nicht beigefügt, berührt dies nicht unmittelbar die Wirksamkeit der Kündigung. Vielmehr ist (ähnlich wie bei § 174 BGB) die unverzügliche Zurückweisung wegen der fehlenden schriftlichen Vorlage der Zustimmung erforderlich. Dabei ist die Zurückweisung nach § 111 Satz 3 BGB ausgeschlossen, wenn der Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hat.

 

Genau diese Konstellation wurde dem Insolvenzverwalter vorliegend zum Verhängnis. Er hatte zwar der Kündigung zugestimmt. Diese Zustimmung wurde aber der Kündigung nicht schriftlich beigefügt. Die Zurückweisung der Kündigung aus diesem Grunde folgte deshalb zu Recht mit der Folge, dass die Kündigung insgesamt unwirksam war.

 

Hinweis für die Praxis:

Das Erfordernis, die Zustimmungserklärung eines Dritten einer Kündigung beizufügen, betrifft nicht nur das Insolvenzarbeitsrecht. Die vielen unbekannte Verweisungskette der §§ 182, 111 BGB erlangt auch im Betriebsverfassungsrecht besondere Bedeutung. Nach § 103 BetrVG bedarf nämlich die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Wird deshalb ein Betriebsratsmitglied fristlos gekündigt, ist diese Kündigung dann gem. §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB unwirksam, wenn die Arbeitgeberin diese Kündigung ohne beigefügte schriftliche Zustimmungserklärung ausspricht und das betroffene Betriebsratsmitglied den Mangel unverzüglich rügt (vgl. dazu auch LAG Hamm, Urt. v. 22. 7. 1998 – 3 Sa 766/98 -, NZA-RR 1999, 242). Dies kann weitreichende Folgen haben, wenn dann die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt wird.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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