Mit der Regelung des § 1a KSchG, die am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, wollte der Gesetzgeber eine unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess schaffen. Die formalisierten Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch sollen es den Arbeitsvertragsparteien erleichtern, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen und betriebsbedingten Kündigung außergerichtlich kostengünstig zu klären. Die Voraussetzungen sind im Einzelnen in § 1a KSchG geregelt. Aber: Abfindungsansprüche können sich daneben auch aus anderen Regelungen, insbesondere Betriebsvereinbarungen, ergeben. Will der Arbeitgeber dann Doppelzahlungen vermeiden, muss er die bestehenden Regelungen aufeinander abstimmen bzw. ausdrücklich darauf hinweisen, auf welcher Rechtsgrundlage er Zahlungen leisten möchte. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer aktuellen Entscheidung die dazu notwendigen Grundsätze präzisiert (BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 536/15). Im konkreten Fall wurde der Arbeitgeber verpflichtet, eine Abfindung doppelt auszuzahlen, da er die vorgenannten Grundsätze nicht beachtet hatte!
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber seit März 1974 beschäftigt. Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen im Januar 2014 eine als „Interessenausgleich“ bezeichnete Vereinbarung ab. Nach deren § 4 steht den von einer Kündigung betroffenen Mitarbeitern eine nach § 1a Abs. 2 KSchG zu berechnende Abfindung zu.
Die Beklagte kündigte dann mit Schreiben vom 10. Februar 2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betriebsbedingten Gründen zum 30. September 2014. In dem Schreiben heißt es u.a.:
„Hinweise
Sie haben die Möglichkeit, sich gegen diese betriebsbedingte Kündigung zu wehren. Das müssen Sie nach dem Kündigungsschutzgesetz innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung tun. Lassen Sie diese Frist verstreichen, ohne eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben, haben Sie nach § 1a KSchG Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr.“
Der Arbeitnehmer erhob keine Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber zahlte daraufhin eine Abfindung nach dem „Interessenausgleich“ in Höhe von 86.300,00 € brutto.
Der Arbeitnehmer erhob dennoch Zahlungsklage und beanspruchte die in der Kündigung zugesagte Zahlung einer Abfindung nach § 1a KSchG ebenfalls in Höhe von 86.300,00 € brutto. Der Arbeitgeber hat mit dem Hinweis, der Arbeitnehmer könne die Abfindung natürlich nur einmal beanspruchen, Klageabweisung beantragt. Zwischen dem Anspruch aus dem „Interessenausgleich“ und einer Abfindung nach § 1a KSchG bestehe eine „Anspruchskonkurrenz“. Die Ansprüche könnten daher nicht nebeneinander geltend gemacht werden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Zahlungsklage entsprochen!
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen in vollem Umfange bestätigt und dem Arbeitnehmer die weitere Abfindungszahlung zugesprochen.
I. Abfindung nach § 1a KSchG
Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der dreiwöchigen Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Kündigungsschutzklage erhebt. Der Abfindungsanspruch nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Diese beträgt einen halben Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Die Berechnung des Monatsverdienstes bestimmt sich nach § 10 Abs. 3 KSchG.
Hinweis für die Praxis:
Der Arbeitgeber erklärte im vorliegenden Fall eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte ordentliche Kündigung. In dem Kündigungsschreiben waren ausdrücklich alle erforderlichen Hinweise, die § 1a KSchG vorsieht, aufgeführt. Insoweit lagen hier alle formalen Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1a KSchG vor.
II. Doppelung von Abfindungszahlungen möglich
Arbeitgeber und Betriebsrat hatten eine Abfindungszahlung in einer Betriebsvereinbarung, die als „Interessenausgleich“ überschrieben war, vorgesehen. Der Anspruch auf eine Abfindungszahlung aus einem solchen „Interessenausgleich“ ist aber nicht deckungsgleich mit dem Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG. Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich klargestellt, dass es der Arbeitnehmer zumindest für möglich halten dürfte, dass ihm zwei unterschiedliche Abfindungszahlungen gewährt werden sollten. Zwar sei dem Arbeitgeber zuzugestehen, dass eine solche Doppelzahlung sicherlich ungewöhnlich sei. Ausgeschlossen sei sie aber nicht. Der Arbeitgeber hätte es durchaus in der Hand gehabt, durch klare und eindeutige Formulierungen eine solche Doppelzahlung auszuschließen. Dies hat er nicht getan. Das Bundesarbeitsgericht hat daher den Abfindungsanspruch erneut zugesprochen.
Hinweis für die Praxis:
Die Entscheidung ist für den betroffenen Arbeitgeber mehr als hart. Die aus den Umständen sicherlich klar abzulesende Intention, natürlich nur einmal eine Abfindungszahlung nach dem Berechnungsmodus des § 1a KSchG zahlen zu wollen, wurde durch unklare und anderslautende Formulierungen ausgehebelt. Dann können auch die Arbeitsgerichte nicht anders entscheiden.
Fazit:
Bei der Formulierung von Kündigungsschreiben wie auch Abfindungszusagen nach § 1a KSchG ist besondere Sorgfalt anzulegen. Dies gilt erst recht, wenn Doppelzahlungen – wie hier – vermieden werden sollen. Im Zweifel sollte man seine Intention zu Papier bringen um so jedwede Auslegungsunsicherheiten zu vermeiden. Daran fehlte es hier, so dass der Arbeitgeber zur Doppelzahlung verpflichtet wurde.
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