Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen und zum Anwendungsbereich des BFH-Urteils vom 31. Mai 2001 (V R97/98, BStBl II S. 658) Folgendes:
I. Allgemeines
1 Mit Urteil vom 31. Mai 2001 (V R 97/98, a.a.O.) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Vermietung von Sportanlagen in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen ist, aufgegeben und insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine einheitliche steuerpflichtige Leistung angenommen. Abschnitt 86 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 (UStR) ist insoweit nicht mehr anwendbar.
2 Für die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung anzunehmen ist, sind die durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen, nach denen zum einen jede Dienstleistung in der Regel eine eigene, selbständige Leistung ist, zum anderen aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf. Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
3 Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile die Nebenleistung sind, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
4 Bei der Feststellung des Wesens der erbrachten Leistung ist u.a. darauf abzustellen, was Vertragsgegenstand ist und in welchem Umfang der Leistungsempfänger das Objekt nutzen darf und will. Dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Insoweit kann lediglich ein Indiz für eine einheitliche Leistung vorliegen.
5 Als Sportanlagen kommen insbesondere in Betracht (vgl. insoweit Abschnitt 86 UStR 2000):
Sportplätze, Sportstadien, Schwimmbäder (Frei- und Hallenbäder), Tennisplätze, Tennishallen, Schießstände, Kegelbahnen, Squashhallen, Reithallen, Turn-, Sport- und Festhallen, Mehrzweckhallen, Eissportstadien, -hallen, -zentren und Golfplätze.
6 Die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen als einheitliche steuerpflichtige Leistung unterliegt, vorbehaltlich der Regelungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und Nr. 9 UStG, dem allgemeinen Steuersatz. Für in diesem Zusammenhang erhaltene Lieferungen und sonstige Leistungen kann der Vorsteuerabzug – unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG – in Anspruch genommen werden.
7 Nach § 15a UStG kann zugunsten des Unternehmers, soweit dessen Eingangsumsätze nach der bisherigen Betrachtung durch bestandskräftige Steuerbescheide vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen waren, noch eine Berichtigung des Abzuges der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge möglich sein (nachträgliches teilweises Vorsteuerabzugsrecht).
8 Das Wahlrecht des Unternehmers für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen bis zum 31. Dezember 2003 nach dem durch das „Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen“ neu aufgenommenen § 27 Abs. 6 UStG ist zu beachten. Ein Unternehmer, der mehrere Sportanlagen vermietet, muss sein Wahlrecht in einem Besteuerungszeitraum nicht einheitlich für alle Sportanlagen ausüben. Vielmehr kann der Unternehmer die Umsätze aus dem Betrieb einer Sportanlage nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 31. Mai 2001 (V R97/98, a.a.O.) insgesamt als steuerpflichtig behandeln, die Umsätze aus dem Betrieb einer anderen Sportanlage aber weiterhin nach Abschnitt 86 UStR 2000 aufteilen.
II. Sportliche Nutzung durch den Endverbraucher
9 Die stundenweise oder im Rahmen von Abonnements oder Benutzerverträgen gewährte Nutzungsüberlassung der Einrichtungen von Sportanlagen (einschließlich vorhandener Tennis-, Squash- und Badmintonplätze) ist eine einheitliche steuerpflichtige Leistung. Leistungsgegenstand ist keine gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksüberlassung, sondern die Möglichkeit, das Einrichtungsangebot der Sportanlage mit oder ohne Nutzung der Spielflächen in Anspruch zu nehmen. Das gilt auch, wenn weitere Leistungsbestandteile (etwa die Nutzungsüberlassung einer Sauna als Einrichtung der Sportanlage) zusätzlich angeboten und in Anspruch genommen werden. Dem Benutzer einer Sportanlage (als „Durchschnittsverbraucher“) kommt es in erster Linie darauf an, die beabsichtigte sportliche Betätigung mit Hilfe der dafür erforderlichen Vorrichtungen ausüben zu können. Der von ihm in Anspruch genommene Leistungsgegenstand ist daher ein anderer, als er vom Zweck der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst wird, auch wenn regelmäßig das Grundstück/Gebäude wesentliche Voraussetzung für die darauf errichtete Sportanlage ist.
Beispiel 1
Ein Sportanlagenbetreiber überlässt seinen Kunden im Rahmen eines Abonnements die Nutzung seiner Squash- und Badmintonplätze. Nach dem Vertrag sind im Abonnementspreis – ebenso wie bei Einzelstunden -Zusatzleistungen, wie z.B. die Nutzung von Sauna und Ruheraum, enthalten.
Der Sportanlagenbetreiber erbringt gegenüber seinen Kunden einheitliche steuerpflichtige Leistungen, die dadurch geprägt sind, dass die Kunden die Möglichkeit haben, das gesamte Angebot der Einrichtungen nutzen zu können.
10 Es ist nicht entscheidend, ob der Benutzer eine Privatperson oder ein Unternehmer ist, der die Leistung für unternehmerische oder private Zwecke verwendet. Auf die Dauer des Vertragsverhältnisses kommt es insoweit nicht an.
Beispiel 2
Ein Sportanlagenbetreiber überlässt eine Schwimmhalle für ein Jahr zweimal in der Woche für 3 Stunden einem Schwimmverein, der dort das seinem gemeinnützigen Zweck entsprechende Training der Mitglieder durchführt. Die seiner Satzung nach vorgesehene Förderung des Sports kann der Verein nur erbringen, wenn der Sportanlagenbetreiber ihm die Schwimmhalle samt allen für die Durchführung des Sports erforderlichen Einrichtungen zur Nutzung überlässt.
Der Sportanlagenbetreiber erbringt gegenüber dem Schwimmverein eine einheitliche steuerpflichtige Leistung.
Beispiel 3
Ein Sportanlagenbetreiber vereinbart vertraglich mit dem Unternehmer A, dass die Arbeitnehmer des A – im Rahmen eines von dem Unternehmer Aangebotenen Freizeitprogramms zur Motivationssteigerung der Arbeitnehmer -alle Einrichtungen der Sportanlage (bestehend aus Fitnessräumen, Squash- und Badmintonplätzen und Sauna) nutzen dürfen.
Der Sportanlagenbetreiber erbringt gegenüber dem Unternehmer A eine einheitliche steuerpflichtige Leistung. Die Leistungen des Unternehmers Aan seine Arbeitnehmer sind überwiegend betrieblich veranlasst und damit nicht steuerbar (vgl. Abschnitt 12 Abs. 4 UStR 2000).
III. Sonstige Nutzungsabsichten des Leistungsempfängers bei der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen
11 Wie in allen Fällen ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Nutzungsüberlassung maßgeblich, was Vertragsgegenstand ist und in welchem Umfang der Leistungsempfänger den Vertragsgegenstand nutzen darf und will. Dies bestimmt in erster Linie den Gehalt der Leistung. Wenn die Nutzungsabsicht mit der einer sportlichen Nutzung durch einen Endverbraucher vergleichbar ist, liegt eine einheitliche steuerpflichtige Leistung vor.
Beispiel 4
Ein Sportanlagenbetreiber überlässt einen Tennisplatz samt Betriebsvorrichtungen an einen Tennislehrer, der diesen für Trainingsstunden mit seinen Schülern benötigt.
Der Sportanlagenbetreiber erbringt gegenüber dem Tennislehrer eine einheitliche steuerpflichtige Leistung. Der Tennislehrer nutzt die Einrichtungen der Sportanlage in vergleichbarer Art und Weise wie der sporttreibende Endverbraucher.
Die Nutzungsabsichten des Leistungsempfängers können vielschichtig sein. Dabei kann es dem Leistungsempfänger auch auf eine reine Grundstücksüberlassung ankommen, um etwa von der räumlichen Verbindung mit einer Sportanlage zu profitieren.
Beispiel 5
Ein Sportanlagenbetreiber überlässt einen Nebenraum mit Aufenthaltsmöglichkeiten (Sitzgelegenheiten) einem Unternehmer, der dort Vorträge über „Gesunde Ernährung“ hält.
Der Sportanlagenbetreiber erbringt gegenüber dem Unternehmer eine steuerfreie Grundstücksvermietungsleistung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), da dem Unternehmer eine bestimmte Grundstücksfläche zum Gebrauch überlassen wird.
IV. Zwischenvermietungen bei der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen
13 Ein Fall der Zwischenvermietung liegt vor, wenn ein Unternehmer die gesamte Sportanlage einem anderen Unternehmer zur Nutzung an Dritte überlässt. Die Nutzungsüberlassung an diesen Unternehmer (Betreiber) ist in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen. Unter den Voraussetzungen des § 9 UStG kann auf die Steuerbefreiung der Grundstücksüberlassung verzichtet werden. Die in Anspruch genommene Nutzungsüberlassung einer Sportanlage ist nicht vom Willen des Betreibers geprägt, sich mittels eines aus Raum und Sportgeräten bestehenden Einrichtungsangebots sportlich zu betätigen.
14 Für die Abgrenzung, ob eine Einrichtung Grundstücksteil oder Betriebsvorrichtung ist, gilt insoweit weiterhin Abschnitt 86 UStR 2000.
V. Anwendungsbereich des BFH-Urteils vom 31. Mai 2001 (V R 97/98, a.a.O.) für andere Anlagen als Sportanlagen
15 Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 31. Mai 2001 (V R 97/98, a.a.O.) gelten nicht nur für die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen.
16 Bei der Nutzungsüberlassung anderer Anlagen mit vorhandenen Betriebsvorrichtungen beurteilt sich daher die Leistung ebenfalls aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers unter Berücksichtigung der vorgesehenen Art der Nutzung, wie sie sich aus Unterlagen des leistenden Unternehmers (z.B. aus dem Mietvertrag) und hilfsweise aus der Ausstattung der überlassenen Räumlichkeiten ergibt. Dies gilt beispielsweise bei der Nutzungsüberlassung von Veranstaltungsräumen an einen Veranstalter für Konzerte, Theateraufführungen, Hochzeiten, Bürger- und Vereinsversammlungen und sonstige Veranstaltungen.
17 Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Umfasst die Nutzungsüberlassung von Räumen auch die Nutzung vorhandener Betriebsvorrichtungen, auf die es einem Veranstalter bei der vorgesehenen Art der Nutzung nicht ankommt, weil er in erster Linie die Räumlichkeiten als solche nutzen will, ist die Leistung als steuerfreie Grundstücksüberlassung anzusehen. Die Überlassung der vorhandenen Betriebsvorrichtungen bleibt dann umsatzsteuerrechtlich unberücksichtigt. Die Umsatzsteuerbefreiung der Grundstücksüberlassung umfasst auch die mit der Grundstücksüberlassung in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen. Zusatzleistungen mit aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eigenständigem wirtschaftlichem Gewicht sind als weitere Hauptleistungen umsatzsteuerrechtlich separat zu beurteilen (vgl. Tz. 2 und 3).
Beispiel 6
Ein Anlagenbetreiber überlässt seine Veranstaltungshalle einschließlich der vorhandenen Betriebsvorrichtungen zur Durchführung einer schriftlichen Leistungsprüfung einer Schulungseinrichtung. Der Schulungseinrichtung kommt es auf die Nutzung des Raumes und nicht auf die Nutzung der Betriebsvorrichtungen an.
Der Anlagenbetreiber erbringt an die Schulungseinrichtung eine steuerfreie Grundstücksüberlassung.
18 Überlässt ein Anlagenbetreiber Veranstaltungsräume mit Betriebsvorrichtungen (z.B. vorhandener Bestuhlung, Bühne, speziellen Beleuchtungs- oder Lautsprecheranlagen und anderen Einrichtungen mit Betriebsvorrichtungscharakter), die für die vorgesehene Art der Nutzung regelmäßig benötigt werden, ist die Leistung des Anlagenbetreibers in aller Regel in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und in eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen. Eine andere Beurteilung ergibt sich lediglich in den Ausnahmefällen, in denen ein Durchschnittsverbraucher die komplette Leistung als solche ansieht und die Grundstücksvermietung gegenüber anderen Leistungen derart in den Hintergrund tritt, dass die Raumüberlassung aus seiner Sicht – wie die Überlassung von Sportanlagen zur sportlichen Nutzung durch Endverbraucher – keinen leistungsbestimmenden Bestandteil mehr ausmacht. In diesen Fällen liegt insgesamt eine umsatzsteuerpflichtige Leistung eigener Art vor.
Beispiel 7
Ein Betreiber überlässt seine Veranstaltungshalle an einen Veranstalter zur Durchführung einer Ausstellung. Dem Veranstalter kommt es auch darauf an, vorhandene Betriebsvorrichtungen zu nutzen.
Der Betreiber erbringt an den Veranstalter eine sonstige Leistung, die entsprechend Abschnitt 86 UStR 2000 in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und in eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen ist. Die Nutzungsüberlassung des Veranstalters an die Ausstellungsteilnehmer ist – soweit sie gegen Entgelt erbracht wird – nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 31. Mai 2001 eine einheitliche steuerpflichtige Leistung (vgl. Abschnitt 81 Abs. 2 Nr. 1 UStR 2000, Abschnitt 34a UStR 2000).
Beispiel 8
Ein Betreiber eines Tonstudios überlässt dieses samt eingebautem Schallschutz, Mischpulten und ggf. einer Betreuung durch einen Tontechniker an einen Musiker.
Der Betreiber erbringt gegenüber dem Musiker eine einheitliche steuerpflichtige Leistung, da es Musikern in diesen Fällen nicht auf die Raumnutzung, sondern auf die Nutzung des kompletten Tonstudios ankommt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht
(Mitgeteilt von RA & StB Andreas Jahn)
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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