25.11.2015 -

Im Anschluss an eine Kündigung können die Vertragsparteien weitere Vereinbarungen treffen. Häufig wird eine Abwicklungsvereinbarung ausgehandelt, um einen langwierigen Prozess vor den Arbeitsgerichten zu vermeiden. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage im Anschluss an eine Kündigung verzichtet? Ein solcher Verzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation führt regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigung! Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung seine Rechtsprechung hierzu weiter präzisiert (BAG, Urteil v. 25.09.2014 – 2 AZR 788/13).

Die wichtigen Hinweise des Bundesarbeitsgerichts müssen bei künftigen Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Ausspruch von Kündigungen zwingend beachtet werden.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war seit Juli 2006 als Bauwerker bei dem beklagten Arbeitgeber, der Industriedienstleistungen erbringt, beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

Ende April suchte ein Mitarbeiter der Beklagten den Kläger zu Hause auf und überreichte ihm eine auf den 20. April 2011 datierte schriftliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2011.

Der Kläger unterzeichnete im Zusammenhang mit der Übergabe der Kündigung eine Ausgleichsquittung, mit welcher er auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Die von der Beklagten vorgelegte Ausgleichsquittung hat unter der Überschrift „Arbeitspapiere“ folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr …,

anbei überreichen wir Ihnen die unten aufgeführten Arbeitspapiere mit der Bitte, uns den Empfang durch Ihre Unterschrift und Rückgabe dieses Schreibens zu bestätigen. Hiermit bestätige ich, folgende Papiere ordnungsgemäß von der Firma F. zurückerhalten zu haben: Lohnsteuerkarte und Lohnsteuerbescheinigung, Sozialversicherungsabmeldung, Lohnzettel, Urlaubsnachweis.

Ich (Arbeitnehmer) bestätige, dass ich weitergehende Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung nicht mehr gegen die Firma F. habe. Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen. Die vorstehende Ausgleichsquittung habe ich sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.

Unterschrift

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.

I. Ausgleichsquittung und Allgemeine Geschäftsbedingungen

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst klargestellt, dass es sich bei einer Ausgleichsquittung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Erklärung ist in einer mit „Arbeitspapiere“ überschriebenen Ausgleichsquittung enthalten, die ersichtlich für eine mehrfache Verwendung vorformuliert ist. Die Anrede ist unpersönlich. Die Zusicherung, keine Kündigungsschutzklage zu erheben, stellt eine Vertragsbedingung dar. Das Angebot nimmt der Mitarbeiter mit Unterzeichnung und Rückgabe des Schreibens an. Damit kommt ein prozessrechtlicher Vertrag des Inhalts zu Stande, das Recht, Klage zu erheben, nicht wahrzunehmen (pactum de non petendo).

II. Klageverzicht als überraschende Klausel

Der Klageverzicht ist eine überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner (hier Arbeitnehmer) mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Der Klageverzicht ist hier schon nach dem äußeren Erscheinungsbild des Schreibens so ungewöhnlich, dass der Kläger nicht mit ihm zu rechnen brauchte. Die Überschrift „Arbeitspapiere“ lässt nicht erkennen, dass der Arbeitnehmer mit der Unterzeichnung des Schreibens auf sein Recht verzichten soll, Kündigungsschutzklage zu erheben. Der Passus zum Klageverzicht ist weder in einem eigenen Abschnitt enthalten, noch sonst vom übrigen Text deutlich abgesetzt. Er ist weder durch Schriftart, Schriftgröße noch durch Unterstreichung hervorgehoben. Das verstärkt den Eindruck, der Mitarbeiter solle mit seiner Unterschrift lediglich den Empfang von Arbeitspapieren bestätigen. Auch unmittelbar vor der Unterschriftszeile wird nur der Ausdruck „Ausgleichsquittung“ verwendet und nur deren sorgfältige Kenntnisnahme soll der Arbeitnehmer bestätigen.

Hinweis für die Praxis:

Überraschende Klauseln sind immer unwirksam! Dies gilt auch für andere Vertragsklauseln, z.B. eine versteckte Befristung. Sollen besondere Vereinbarungen und Abreden getroffen werden und sind diese für den Mitarbeiter nachteilhaft, empfiehlt sich immer, dass solche Abreden in einem eigenen Abschnitt mit einer eigenen Überschrift deutlich und verständlich vereinbart werden. Andernfalls besteht das erhebliche Risiko, dass nach der AGB-Kontrolle solche Klauseln wegen des Überraschungseffektes für unwirksam erklärt werden.

III. Unwirksamkeit wegen fehlender Kompensation

Der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne Gegenleistung stellt ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung nach der AGB-Kontrolle dar (vgl. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist dann unangemessen, wenn der Verwender (Arbeitgeber) durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Gemessen daran liegt im formularmäßigen, ohne Gegenleistung erklärten Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine unangemessene Benachteiligung. Der Arbeitgeber verfolgt damit das Ziel, seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern, indem er diesem die Möglichkeit entzieht, die Rechtswirksamkeit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberkündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieser Verzicht wirkt allein zu Lasten des gekündigten Arbeitnehmers.

Hinweis für die Praxis:

Wird hingegen eine Kompensation vereinbart ist auch ein formularmäßiger Klageverzicht wirksam. Eine solche Kompensation kann etwa in Bezug auf die Verlängerung des Beendigungszeitpunktes vorliegen, auch die Beendigungsart (betriebsbedingt statt verhaltensbedingt) kann als Kompensation gewertet werden, ebenso die Zahlung einer Abfindung oder der Verzicht auf eigene Ersatzansprüche. Denkbar ist auch die Erteilung eines sehr guten Schlusszeugnisses, wenn der Mitarbeiter nur durchschnittliche Leistungen erbracht hat.

Fazit:

Die Vereinbarung eines Klageverzichtes nach Ausspruch einer Kündigung ist für den Arbeitgeber mit hohen Risiken verbunden. Dies gilt nicht nur, wenn der Klageverzicht an versteckter Stelle an einer Ausgleichsquittung vorgesehen ist. Selbst wenn der Klageverzicht ausdrücklich mit Überschrift benannt wird, ist er dann unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer dafür keine Kompensation zuteil wird. Es ist daher in solchen Fällen darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer eine Gegenleistung für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage erhält.

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