30.03.2015 -

So selten war und ist die Konstellation nicht: Zwei (Zahn-)Ärzte, von denen einer schon lange eine etablierte Praxis betreibt, während der andere erst am Beginn seiner beruflichen Laufbahn steht. Beide sind sich einig, künftig gemeinsam behandeln und wirtschaften zu wollen. Man kennt sich jedoch noch nicht so lange, so dass der alteingesessene (Zahn-)Arzt nicht „draufzahlen“ möchte und der Neueinsteiger das finanzielle Risiko beschränken möchte. Ferner möchte der bisherige Alleininhaber der Praxis noch nicht unmittelbar alle Fäden aus der Hand geben. Dies soll jedenfalls solange gelten, bis man sich besser kennen- und einschätzen gelernt hat und man (mehr oder weniger) gleichberechtigt den Beruf gemeinsam ausübt. In jedem Fall scheut der „Alte“ das Arbeitsrecht und will auf keinen Fall den „Jungen“ mit einem Arbeitsvertrag ausstatten.

Diese Beschreibung der klassischen Senior-Junior-Partner Konstellation und deren gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung hat bereits häufig die Sozialgerichte beschäftigt – zumeist allerdings die für das Vertragsarztrecht zuständigen Senate. So hat vor allem der 6. Senat des Bundessozialgerichts mit seiner Entscheidung vom 23.06.2010 (Az. B 6 KA 7/09 R) die vertragsarztrechtlichen Anforderungen an eine Berufsausübungsgemeinschaft klar(er) formuliert. Bei Beachtung der dort niedergeschriebenen Vorgaben und der Vorlage eines tatsächlich auch so gelebten Gesellschaftsvertrages bei der K(Z)V inklusive stattgebenden Beschluss kann man sich zumindest vor Honorarregressen sicher fühlen.

Der für das Sozialversicherungsrecht zuständige 4. Senat des LSG Baden-Württemberg hat nun mit der in der Überschrift genannten Entscheidung noch eine weitere, zukünftig zu beachtenden Flanke aufgemacht und den Junior-Partner als potentiellen Arbeitnehmer erkannt, für den Sozialversicherungsabgaben zu zahlen wären.

Sachverhalt

Die oben beschriebene Situation war auch für die im Tatbestand der Entscheidung beteiligten Zahnärzte einschlägig. Es sollte eine Gesellschaftsvertrag zunächst allein zur „Erprobung“ abgeschlossen werden. [Der Inhalt des Gesellschaftsvertrags wird nur insoweit wiedergegeben als es für die Entscheidung erheblich war.]

Der Seniorpartner und Kläger hielt zunächst am Alleineigentum seiner Praxis fest. Sie verblieb vollständig in seinem Sonderbetriebsvermögen und stellte sie der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung. Erst nach der Erprobung sollte der Juniorpartner auch am „Kapital“ der Gesellschaft beteiligt werden.

Der Seniorpartner stellte den Juniorpartner außerdem im Innenverhältnis von allen vertraglichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft frei. Bei Rechtsgeschäften mit Dritten, die eine finanzielle Verpflichtung über 10.000,- EUR beinhalteten, sollte sogar im Außenverhältnis mit dem Dritten eine Mithaftung des Juniorpartners ausgeschlossen werden. Einen Zugriff auf das Bankkonto erhielt der Juniorpartner nicht.

Die Gewinnbeteiligung des Juniorpartners belief sich auf 30% des von ihm erwirtschafteten Umsatzes. Etwaige Honorarregresse hätten den Umsatz rückwirkend mindern können.

Bei Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis nach zwei Jahren, sollte der Juniorpartner eine Abfindung für den von ihm erwirtschafteten Good-Will erhalten.

Der Zulassungsausschuss genehmigte die Berufsausübungsgemeinschaft. Die Rentenversicherung kam bei einer Betriebsprüfung jedoch zu dem Ergebnis, dass der Juniorpartner als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei.

Entscheidung

Das LSG gab dem Rentenversicherer recht. Wichtigstes Kriterium bei der Unterscheidung zwischen Selbstständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft sei das Unternehmensrisiko, dass der Arbeitnehmer/Gesellschafter trägt.

Hierfür sei maßgebend, ob das eingesetzte Kapital oder die eingesetzte Arbeitskraft mit einem Verlustrisiko korrespondiere. So fiel negativ ins Gewicht, dass der Juniorpartner gar kein eigenes Kapital eingesetzt hatte.

Anm. In der Entscheidung vom 23.06.2010 hatte der 6. Senat ausgeführt, dass der Kapitaleinsatz in Senior-Junior-Konstellation nicht zwingend erforderlich sei und damit dieses Kriterium deutlich geringer als das LSG gewichtet.

Das Unternehmensrisiko sei aber vor allem deswegen ausgeschlossen, weil dem Juniorpartner das Verlustrisiko durch die Freistellung im Innenverhältnis vollständig genommen wurde. Das Risiko, schlicht wenig bis gar nicht zu verdienen, war für das LSG nicht ausreichend. Es müsste auch das Risiko für im Vorfeld getätigte betriebliche Investitionen, die sich nicht amortisieren, getragen werden.

Die Möglichkeit einer Abfindung nach Ablauf von zwei Jahren war für das LSG kein Kriterium, die Konstellation anders zu bewerten. Es handele sich hierbei im Grunde um eine nicht unübliche Provision.

Anm. Der 6. Senat des BSG wertet die Beteiligung des Junior-Partners am Good-Will und die Abfindung für selbigen als Kriterium für eine Selbstständigkeit und damit das Vorliegen einer Berufsausübungsgemeinschaft.

Fazit

Wie bereits der 6. Senat des BSG steht auch in dieser Entscheidung für die selbstständige Tätigkeit im Vordergrund, dass der Partner ein eigenes Verlustrisiko trägt. Soweit nichts Neues.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Beteiligung am Kapital für die sozialversicherungsrechtlichen Senate der Sozialgerichte eine größere Bedeutung einnimmt, als es für die vertragsarztrechtlichen Senate bislang der Fall gewesen ist. Die sichere Variante wäre eine Beteiligung des Juniorpartners an einem zumindest kleinen Teil des Gesellschaftsvermögens von Beginn an.

Sicherheit besteht jedenfalls nicht durch eine Genehmigung der Berufsausübungsgemein­schaft durch den Zulassungsausschuss. Wer ganz sicher gehen möchte, kann aber vorab bei der Rentenversicherung den sozialversicherungsrechtlichen Status gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen lassen.

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